Canisianer aus Münster engagiert sich für Wohnungslose

Bruder Christophs Freunde leben auf der Straße

Bruder Christoph Gerenkamps Herz schlägt für Menschen in Not. Im Canisiushaus seiner Brüdergemeinschaft und in Münsters City kümmert er sich um Wohnungslose und Bedürftige. Gerade hat der 50-Jährige sein 25-jähriges Ordensjubiläum gefeiert.

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Mittags, wenn der Dienst im Haus getan ist, schwingt er sich aufs Rad. Vom Canisiushaus bis zum Park am Ludgerikreisel sind es nicht einmal 20 Minuten. Bruder Christoph Gerenkamps Ziel sind seine „Freunde von der Straße“.

Sie sind in Münster leicht zu finden, wenn man wie er ein offenes Auge für sie hat: Im Barockpark an der Clemenskirche, im Südpark nahe der Hammer Straße, vor und hinterm Bahnhof, vor den Geschäften an der Salz- und Ludgeri­straße, am Aasee, am Kappenberger Damm, in Berg Fidel und an zahlreichen weiteren Orten der Stadt.

 

Das Päckchen Tabak immer dabei

 

„Die Brücke ist das Päckchen Tabak“, sagt der Canisianerbruder. Er raucht zwar nicht, hat aber immer was zum Drehen in der Tasche. „Kannst du mal für mich beim Sozialarbeiter anrufen?“ – „Hast du Zeit, mich zum Arzt zu begleiten?“ Das sind Fragen, die im Gespräch kommen können. Bruder Christoph besucht seine Kumpels auch im Krankenhaus oder in der Psychiatrie. Manchen hat er beim Sterben begleitet. Einmal im Monat feiert er Wortgottesdienst mit ihnen in der Clemenskirche. Er arbeitet dabei mit weiteren Mitarbeitern des Teams der Wohnungslosenseelsorge zusammen.

„Etwa 60 Frauen und Männer machen in Münster Platte“, sagt der Canisianerbruder. Einige von ihnen übernachten lieber im Freien als in Notunterkünften – auch im Winter. „Ich mag es nicht, mit vier Leuten das Zimmer zu teilen, wenn sie dann Drogen konsumieren oder mich beklauen“, hat er des Öfteren gehört. Dabei steht Münster mit der Versorgung der Menschen im NRW-Schnitt noch gut dar.

 

Zuflucht in Notunterkünften und Containern

 

In der Stadt gibt es zahlreiche Notunterkünfte wie das von der katholischen Bischof-Hermann-Stiftung getragene Haus der Wohnungslosenhilfe oder die vom Sozialdienst katholischer Frauen geführte Übernachtungsstelle für Frauen und das Gertrudenhaus. Zusätzlich stehen Container bereit. Münster hat zudem elf Essensausgaben, eine in evangelischer, zwei in kommunaler und acht in katholischer  Trägerschaft. Eine davon ist das Canisiushaus, in dem Bruder Christoph mit einigen Mitbrüdern lebt und arbeitet.

Jeden Morgen gibt es dort Frühstück und warmes Essen. Bruder Christoph sitzt dann mit seinen Gästen auf der schmalen Eckbank, hört zu, lacht, pflegt Kontakte und versucht womöglich, den einen oder die andere zu motivieren, im von ihm 2016 mitgegründeten Straßenchor „Die bunte Mischung“ mitzusingen.

 

Vom Schicksal gebeutelt

 

„Ich kann von diesen Menschen lernen. Sie haben einen reichen Erfahrungsschatz“, erklärt der 50-Jährige, der im November vergangenen Jahres sein 25-jähriges Ordensjubiläum gefeiert hat – natürlich mit Beteiligung des Straßenchors, zu dem Wohnungslose wie Bürger gehören.

„Viele Menschen auf der Straße hat das Schicksal schwer gebeutelt. In Berührung mit ihnen begreife ich, warum es im Leben eigentlich geht“, sagt er und gibt die Antwort: „So, wie ich bin, bin ich in Ordnung. Ich muss kein anderer sein.“ Bruder Christoph heißt eigentlich Hubert Maria Gerenkamp. Seine Mutter, die beiden Schwestern und die drei Brüder bestehen darauf, ihn bei seinem alten Vornamen zu nennen. Aufgewachsen ist er in einer kirchlich stark engagierten Familie in Lüdinghausen. „Es gab bei uns eine Kultur, die Dinge kritisch zu hinterfragen und Menschen einzuladen.“

 

Wie er ins Kloster kam

 

Als der Pastor die Jugend ins Pfarrhaus bat, damit sie das Gemeindeleben mitgestaltet, machte Gerenkamp begeistert mit. „Pfarrer Günther Grothe brachte mich auch in Kontakt mit der Brüdergemeinschaft der Canisianer in Vreden.“

Zwischenzeitlich sei ihm zwar in den Sinn gekommen: „Das ist zu viel an Kirche in deinem Leben.“ Er habe begonnen, mehr Sport zu treiben: Badminton, Leichtathletik, Laufen. Doch immer wieder habe er gespürt: „Ich bin ein Suchender.“ An einem Wochenende mit den Canisianern in Lette hat er dann Feuer gefangen. „Jetzt muss du es einfach wagen“, habe er sich gesagt. Am 3. Februar 1990 trat er ins Kloster ein. „Ich schätze die moderne Form des Ordenslebens der Brüder und die Offenheit der Gemeinschaft für soziale und pastorale Berufsausrichtungen“, sagt er.

 

Die Spiritualität der Canisianer

 

Die Sorge für Bedürftige sei eine wichtige Säule der Spiritualität, die sich auf den Jesuiten Petrus Canisius (1521-1597) stützt. 1854 in Kevelaer gegründet, baute die Brüdergemeinschaft der Canisianer Niederlassungen in Vreden und Münster. Heute gibt es auch Kommunitäten in Vinnenberg und Recklinghausen. 34 Brüder gehören zurzeit zur Gemeinschaft, zwei Anwärter sind in der Ausbildung.

Nach der zeitlichen Profess 1992 und der ewigen Profess 1999 kümmerte sich Bruder Christoph um die Pflege älterer Mitbrüder im Herz-Jesu-Kloster in Vreden und engagierte sich in der Behindertenarbeit von Haus Früchting.

 

25.000 Wohnungslose allein in NRW

 

Vor zehn Jahren wechselte er ins münstersche Canisiushaus. Hier kümmert er sich um Einzelgäste und Tagungsgruppen, putzt das Haus, bedient die Tür und das Telefon und hilft mit dem Team der Wohnungslosenseelsorge in Münster seinen Freunden von der Straße.

Gerenkamp arbeitet auch im NRW-Team der Wohnungslosenseelsorge mit, das sich im Gasthaus in Recklinghausen trifft. Er sieht mit Besorgnis auf die wachsende Zahl Wohnungsloser, darunter viele Osteuropäer. „In Nordrhein-Westfalen sind es 25 000“, sagt er. „Im Team haben wir darüber gesprochen, ob nicht auch Pfarrheime ihre Türen für die Menschen in den Wintermonaten öffnen können.“

 

Exerzitien auf der Straße

 

Seit 2011 beteiligt er sich an den „Exerzitien auf der Straße“, die von Ordensleuten initiiert wurden. Dazu treffe sich eine Gruppe von fünf oder zehn Leuten in einer deutschen Großstadt. „Die Exerzitien dauern drei bis zehn Tage. Die Unterkunft ist einfach. Wir sind Ordensleute, Laien, Christen aller Konfessionen.“

Tagsüber sei man acht Stunden auf den Beinen, abends werden Gottesdienste gefeiert und Erfahrungen ausgetauscht. Auf wen man bei den Exerzitien treffe, wisse man nie im Voraus. Eine Frage stelle man immer: „Ich suche Gott, kannst du mir helfen?“

 

Gespräche in Hinterhöfen und Schmuddelecken

 

Seine Suche hat Bruder Christoph in Notunterkünfte, zu Essensausgaben, in Hinterhöfe, zu Drogenabhängigen, Prostituierten und in Krankenhäuser geführt. In Berlin, Mannheim und München ist er schon gewesen. 2018 plant er „Exerzitien auf der Straße“ in Münster – mit einer Gruppe der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung. „Der Blick auf Menschen in Not macht mich achtsamer, aufmerksamer und lehrt mich, nicht jeden sofort zu bewerten“, sagt er. Auch für den Freund der Straße ist das eine Herausforderung,

In Pfarrgemeinden, in denen unterschiedlichste Menschen Platz finden, sieht er die Zukunft der Kirche. Durch Papst Franziskus fühlt er sich ermutigt. „Gottes Spuren sind in allen Menschen und Dingen. Nur dort kann ich sie entdecken.“