Chronik über Katholiken in Mecklenburg

Buch-Tipp: Als die Stasi Christen in der DDR bespitzelte

Wie lebten Diaspora-Christen im SED-Staat, mit welchen Widerständen hatten sie zu tun? Einblicke bietet ein Buch über die Katholiken in Mecklenburg. Empfehlenswert für Interessierte katholischer Geschichte nach 1945.

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Eine Meldung in „Kirche+Leben“ vom 8. Mai 1960 sollte dazu beitragen, dass Weihbischof Bernhard Schräder in Schwerin endlich zu einer geeigneten Wohnung kam. Am 8. Oktober 1959 hatte Schräder in seinem Tagebuch notiert: „Ich bin z. Zt., was Wohnung angeht, ohne Zweifel der armseligste unter den Geistlichen Mecklenburgs.“ In seinem Zimmer fand nur ein Tisch Platz, dazu zwei Stühle, ein Schrank und ein Bett.

Der Weihbischof wollte daher Druck in der DDR aufbauen: Eine westdeutsche Bistumszeitung – nicht Osnabrück, zu dessen Bistum Schwerin gehörte – sollte eine Notiz über seine Lage bringen. Danach sollte ein Ordinariat (wiederum nicht Osnabrück) die Nachricht zum Anlass eines Schreibens an den Schweriner Oberbürgermeister nehmen, mit dem Angebot, durch Spenden mitzuhelfen, dass der Weihbischof eine geeignete Wohnung bekam.

 

Aufruf in „Kir­che+Leben“ 

 

Osnabrücks Bischof Helmut Hermann Wittler wandte sich an Weihbischof Heinrich Tenhumberg in Münster, und so kam es zur Notiz in „Kir­che+Leben“. Daraufhin setzte sich das Diözesankomitee in Münster in Schwerin für die Wohnung des Weihbischofs ein.

Diese und andere Geschichten zur katholischen Kirche in Mecklenburg bis zum Mauerfall vor 30 Jahren sind in einer 944-Seiten-Chronik nachzulesen. Detailliert und anschaulich schildert Georg M. Diederich in dem reich bebilderten, eng bedruckten, quellengesättigten Buch das Leben der Minderheit in der DDR-Diktatur. Der CDU-Politiker Diederich gehörte von 1990 bis 1992 als Innenminis­ter der ersten Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns an, und er leitete seit 1996 das nach dem Schweriner Weihbischof Heinrich Theissing (1917-1988) benannte Institut, das die Kirchen- und Zeitgeschichte in der Region erforscht. Als Zeitzeuge und Katholik hat Diederich die DDR-Zeit selbst erlebt.

 

Minis­terium für Staatssicherheit bespitzelte Kolpingfamilien

 

Die katholische Minderheit lebte in einem atheistischen Umfeld, vom SED-Staat beob­achtet und von der Stasi bespitzelt. Mit Hilfe inoffizieller Mitarbeiter überwachte das Minis­terium für Staatssicherheit (MfS) etwa die kleine katholische Studentengemeinde in Rostock, die eine Partnerschaft mit der KSG Münster hatte. Argwöhnisch blickte das MfS auch auf die Kolpingfamilien. Noch 1988 wurde der Leiter in Waren beobachtet, der Kontakte zur Kolpingfamilie Walsum-Aldenrade bei Duisburg unterhielt. Das Niels-Stensen-Jahr 1986 zum Gedenken an seinen 300. Todestag beschäftigte ebenfalls das MfS.

Diedrich schildert den Streit um die Jugendweihe, die Sprengung der Rostocker Chris­tuskirche, die Jugendseelsorge, das Wirken von Ordensleuten und Katechetinnen. Nach 1945 zogen viele Flüchtlinge und Vertriebene nach Mecklenburg – sie feierten ihre Gottesdienste erst in Notkirchen: in Baracken, Gasthäusern, Werkstätten, Ställen. Spätere Neu- und Umbauten von Kirchen waren nur mit Finanzhilfe des Westens möglich, zum Beispiel durch Mittel des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken.

 

Register hilft bei der Suche nach Orten und Personen

 

Zwar umfasst die Chronik laut Titel die Jahre 1961 bis 1990, doch das Buch geht zeitlich darüber hinaus. So beschreibt der Autor auch die Trennung vom Bistum Osnabrück und den Weg ins neue Erzbistum Hamburg in den Jahren 1991 bis 1994. Ein Register hilft bei der Suche nach Orten und Personen.

Ein empfehlenswertes Buch für jeden, der sich mit der Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland nach 1945 befassen will.

Georg M. Diederich: „Chronik der katholischen Kirche in Mecklenburg – 1961 bis 1990“, 944 Seiten, 24,60 Euro, ISBN 978-3-9814985-4-7, Heinrich-Theissing-Institut, Schwerin. Das Buch können Sie hier bequem bestellen.

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