Rafik Schamis neuer Krimi zeichnet ein Bild der syrischen Gesellschaft

Buch-Tipp: Die geheime Mission des Kardinals

Kommissar Barudi ermittelt noch einmal. Gar nicht so einfach für einen Katholiken in einem Land wie Syrien. Besonders, wenn es um den Mord an einem Botschafter des Vatikan geht.

Anzeige

Es ist Kommissar Zakaria Barudis letzter Fall vor der Pensionierung: die Leiche eines Kardinals, die in einem Fass an die italienische Botschaft in Damaskus geliefert wird, ausgeweidet, nackt und eingelegt in Olivenöl.

Keine Frage – der Krimi in Rafik Schamis neuem Roman steckt von Beginn an voller Rätsel und Fragen. Wer war dieser Kardinal und was suchte er bei seiner Mission in Syrien? Was hat er herausgefunden? Was wurde ihm zum Verhängnis?

 

Haben Islamisten den Kardinal ermordet?

 

Stecken Ränkespiele im Vatikan dahinter? Oder Islamisten, die am Vorabend der Aufstände gegen Machthaber Baschar al Assad dabei sind, im Norden Fuß zu fassen? Hat die syrische Mafia den Kirchenmann aus dem Weg geräumt? Oder passten seine Nachforschungen nicht in die Pläne der selbsternannten Wunderheiler, denen die Menschen zuströmen?

Dazu kommt die Grundfrage: Kann ein rechtschaffener Polizist in einer Diktatur überhaupt angemessen ermitteln? Denn eigentlich fällt Barudis Fazit nach 40 Dienstjahren in Damaskus ziemlich enttäuschend aus.

 

Oder hat es etwas mit seiner geheimen Mission zu tun?

 

Wenn es gegen kleine Gauner geht, lässt man ihn und seine Kollegen machen. Sobald jedoch jemand aus der korrupten Oberschicht oder gar ein entferntes Mitglied der herrschenden Clans ins Visier gerät, fällt die Klappe. Diesmal haben die Oberen schnell beschlossen, dass der Täter wohl nur den Reihen der Islamisten entstammen kann. Barudi ermittelt trotzdem weiter.

Ein spannendes Buch. Wer jedoch einen Reißer a la Dan Brown erwartet, dürfte es nach 432 Seiten enttäuscht zur Seite legen. Die Thriller-Handlung ist eher so etwas wie Rahmen und Gerüst für ein kritisches Sitten- und Gesellschaftsbild. Das wird zum Beispiel möglich durch die Perspektive der zweiten wichtigen Figur im Roman: Marco Mancini. Den hat Italien nach Damaskus geschickt. Der arabisch sprechende Kriminalbeamte soll Barudi bei der Aufklärung mithelfen.

 

Es ist mehr als ein Krimi

 

Es sind unter anderem die Dialoge der langsam wachsenden  Freundschaft zwischen den beiden Männern, die das Buch öffnen in Richtung Gesellschaftsroman. Wo es um Aberglauben geht, Vergleiche zwischen Syrien und Italien, Werte, Demokratie, Menschenrechte, das komplizierte Miteinander der Religionen oder die Mafia hüben wie drüben.

Rafik Schamis Roman ist auch ein Buch übers Scheitern an dem Anspruch, als anständiger Mensch in einem unanständigen System von Korruption, Spitzeln, Angst und Überwachung ehrlich und rechtschaffen zu leben. Wo Nein-Sagen gefährlich ist. Und wo Kommissar Barudi das trotzdem am Ende noch gelingt – auf seine Art.

 

Rafik Schami zeichnet ein Bild der Gesellschaft

 

Rafik Schami, der aus Syrien stammt und seit 1971 in Deutschland lebt, nimmt den Leser mit in eine unbekannte Welt, die dieser nicht so schnell wieder verlassen möchte. Das liegt auch daran, dass der Erzähler Abschweifungen zulässt und nicht etwa einer eng geführten Spannungs-Regie opfert.

Gerade das macht den Roman aber angreifbar. Manchem wird wohl zu oft übers Kulinarische geredet, über Falafel oder den allgegenwärtigen Kaffee mit Kardamon. Einige Dialoge und Szenen wirken konstruiert, die eingeflochtene Liebesgeschichte recht altbacken. Lesevergnügen bereitet das Buch dennoch.

Rafik Schami: „Die geheime Mission des Kardinals“, 432 Seiten, 26 Euro, Hanser-Verlag 2019. Das Buch können Sie hier bequem bestellen.