Rainer Schönborn kehrt zurück in die Gemeindearbeit

Von Bord zurück an Land - wie ein Diakon von seiner Bundeswehr-Zeit zehrt

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Sieben Jahre war er Seelsorger an Deutschlands größtem Bundeswehrstandort, in Wilhelmshaven. Monatelange Auslandseinsätze auf hoher See inklusive. Rainer Schönborn ist überzeugt: Das waren wichtige Erfahrungen, die auch nach seiner Rückkehr in den zivilen Gemeindedienst helfen werden.

Der Diakon ist wieder Zivilist. Die Uniformjacke mit dem Kreuz auf den Schulterstücken hat Rainer Schönborn vor wenigen Wochen an den Nagel gehängt, nach sieben Jahren. „Am Anfang bin ich noch mit Wehmut an der Kaserne vorbeigefahren“, sagt er. Mittlerweile hat er etwas mehr Abstand geschaffen zu dem Leben, das ihn seit 2017 geprägt hat. Unter Soldatinnen und Soldaten.

Vorbei die Zeit, in der er nachts gezielt Matrosen an Deck besucht hat. Die auf Wache stundenlang aufmerksam in die dunkle Weite starren mussten – und dankbar waren, mit dem Seelsorger dabei ein bisschen reden zu können. „Da habe ich gute und intensive Gespräche geführt“, erinnert sich Rainer Schönborn.

Bundeswehrseelsorge hat besondere Sicht auf Menschen

Der 58-Jährige hat das immer als Chance begriffen: „dass die Bundeswehrseelsorge eine besondere Sicht auf Menschen hat.“ Mit Fragen wie: „Was sind eigentlich die Sorgen der Leute an Bord? Was bewegt sie?“ Und dass er da bei seiner Arbeit ansetzen konnte. In Gesprächen ebenso wie bei Gottesdiensten.

Kontakt und Beziehungen zu Menschen aufbauen – das zählt auch weiterhin zu seinen Aufgaben. Allerdings nicht mehr auf hoher See, sondern an Land: als neuer Diakon im Team der St.-Benedikt-Pfarrei Jever (Kreis Friesland). In diesen Wochen hat er seinen Dienst dort angetreten, nach seinem Intermezzo in der Militärseelsorge.

Früher hatte Schönborn mit Militärseelsorge „überhaupt nichts am Hut“

Ausgerechnet Militärseelsorge, müsste es in seinem Fall wohl besser heißen. „Bevor ich nach Wilhelmshaven kam, hatte ich mit den bewaffneten Streitkräften überhaupt nichts am Hut“, erklärt er. „Aufgrund meiner Biografie.“

Rainer Schönborn stammt aus Gransee im heutigen Landkreis Oberhavel. Wo die Nationale Volksarmee der ehemaligen DDR und russische Soldaten das Stadtbild prägten. Ganz in der Nähe zum Örtchen Fürstenberg mit 40.000 stationierten Soldaten der damaligen Sowjetarmee.

Rainer Schönborn kam 2009 ins Bistum Münster

Nach Wilhelmshaven war er 2009 als Pastoralreferent aus dem Bistum Magdeburg gewechselt. An seinem neuen Einsatzort kam er fast zwangsläufig mit Soldaten in Kontakt, diesmal mit denen der Bundeswehr. Die Begegnungen machten ihn neugierig. So sehr, dass er sich um eine Stelle in der Militärseelsorge bewarb – und seither bei zahlreichen Einsätzen und Übungen dabei war: in Zypern oder im Libanon, in der Ägäis und zuletzt in der Ostsee. Manchmal monatelang.

Mal hat er Weihnachten, mal Ostern im Mittelmeerraum verbracht. Der Abstand zu seiner Frau und den vier Kindern bedeutete nicht nur an kirchlichen Hochfesten eine Herausforderung. „Aber ich merkte, dass es auch wichtig ist, dass man das zusammen mit den Soldaten erlebt.“ Zudem habe er gewusst: „Meine Familie ist gut versorgt.“ Durch das Netzwerk, das die Schönborns sich aufgebaut hatten, und auch durch das Familienbetreuungszentrum der Bundeswehr.

Künftig muss sich der Diakon wieder auf Kontinuität einstellen

Seine Zeit unter Soldatinnen und Soldaten ist vorbei. Dennoch fällt der Seelsorger immer noch ab und zu in die Gegenwartsform. „Wir sind als Militärseelsorger Kirche unter Soldaten“, sagt er zum Beispiel.

Welche Aufgaben künftig genau auf ihn zukommen, das klärt sich in den kommenden Wochen und Monaten. Besonders auf eines muss er sich wieder neu einstellen: das Kontinuierliche. „Bei der Bundeswehr hatte ich ständig mit wechselnden Menschen zu tun. Keine feste Gruppe über längere Zeit.“ Das wird an Land wieder anders.

Gemeindearbeit soll von Erfahrungen bei der Truppe profitieren

Rainer Schönborn ist sicher, dass die Gemeindearbeit von seiner Zeit bei der Truppe profitieren kann. Zum Beispiel von den Erfahrungen mit den intensiven nächtlichen Gesprächen mit den Männern auf Wache. Auch an Land will er sich gezielt auf die Suche nach Momenten machen, wo sich Menschen besonders gut ansprechen lassen. Und Themen, die sie wirklich bewegen. Möglicherweise in der Urlauberseelsorge im Wangerland, das zu seiner neuen Pfarrei gehört.

Ein anderes Feld ist der „Lebenskundliche Unterricht“, der zu den Aufgaben der Militärseelsorge zählt. „Ich habe ihn als Gelegenheit gesehen, über Alltägliches zu sprechen, um so auf Religiöses zu kommen.“ So etwas sei bestimmt auch in seiner künftigen Arbeit in der Gemeinde möglich. Mit offenen Abenden zu aktuellen Themen zum Beispiel.

Und eines muss er sich für die Mitarbeit im Seelsorgeteam nicht eigens abgewöhnen: das militärische Prinzip von Befehl und Gehorsam. Als Marineseelsorger ist man zwar Teil der Truppe, steht aber außerhalb jeder Hierarchie, ist für jeden auf Augenhöhe ansprechbar. „Vom Kommandeur bis zum Gefreiten.“ Ohne Rücksicht auf Instanzen oder Dienstwege.

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