Expertin: Ausschluss bei Vollbetreuung verfassungswidrig

Caritas: Behinderte müssen an Wahl teilnehmen können

Die Caritas fordert, alle Menschen ab 18 Jahren wählen zu lassen. „Es ist verfassungswidrig, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderung nicht wählen dürfen, wenn für sie ein Betreuer in allen Angelegenheiten bestellt ist“, sagte die Caritas-Expertin Janina Bessenich.

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Die Caritas fordert, alle Menschen ab 18 Jahren wählen zu lassen. „Es ist verfassungswidrig, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderung nicht wählen dürfen, wenn für sie ein Betreuer in allen Angelegenheiten bestellt ist“, sagte Janina Bessenich, stellvertretende Geschäftsführerin des Bundesfachverbands „Caritas-Behindertenhilfe und Psychiatrie“, dem Evangelischen Pressedienst (epd). In Deutschland seien etwa 85.000 Menschen betroffen – Personen, die unter dauerhafter Vollbetreuung stehen, oder schuldunfähige Straftäter. Bessenich rechnet jedoch in der kommenden Legislaturperiode mit einer Aufhebung des Wahlausschlusses.

Acht Menschen, die wegen ihrer Behinderung von der Bundestagswahl 2013 ausgeschlossen waren, legten Beschwerde gegen die Wahl ein, berichtete Bessenich. Das Verfahren liege beim Bundesverfassungsgericht und laufe noch; sie rechne erst nach der Bundestagswahl mit einer Entscheidung.

 

Auch Straftäter in der Psychiatrie sollen wählen dürfen

 

Das Problem aus der Sicht der Fachfrau: Bei der Betreuung in allen Angelegenheiten werde über andere Dinge entschieden als über die Wahlfähigkeit. Dass Betroffene von der Wahl ausgeschlossen werden, passiere dann automatisch. „Vielen Richtern beim Amtsgericht, die Betreuungen anordnen, ist nicht bewusst, dass die Menschen damit ihr Wahlrecht verlieren“, sagte Bessenich.

Der Bundesfachverband fordere auch, dass Straftäter, die sich auf richterliche Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, weiterhin wählen dürfen. Wer Haft im Gefängnis absitze, dürfe wählen, wer wegen Schuldunfähigkeit in einer psychiatrischen Klinik sei, hingegen nicht. „Das ist nicht konsequent“, sagte Bessenich.

 

Mögliche Lösungen

 

Damit eine Wahl für alle möglich sei, müsse sie barrierefrei werden. Die Expertin forderte Broschüren und Informationsmaterial in Leichter Sprache und barrierefreie Wahlräume. Sie ist überzeugt, dass davon alle Wähler profitieren. Von Informationen in Leichter Sprache könnten auch „normale“ Wähler Gebrauch machen, Assistenzen durch Wahlhelfer in den Wahllokalen seien auch für ältere Menschen sinnvoll.

Solange eine Betreuung in allen Angelegenheiten Menschen von der Wahl ausschließt, könne eine Lösung sein, die Betreuung in Einzelfällen einschränken zu lassen. Damit kehre automatisch das Wahlrecht zurück, sagte Bessenich.

Von einer Einzelfallprüfung durch Richter, die über die Wahlfähigkeit von Menschen in Vollbetreuung entscheiden könnten, halte sie nicht viel. „Dann müsste das für alle Menschen gelten, nicht nur für Menschen mit Behinderung“, sagte Bessenich.

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