Oliver Hölters aus Dinklage in Kommission gewählt

Neuer Caritas-Arbeitnehmervertreter fordert: Mehr Mittel für Sozialbereich

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„Ausreichend Mittel für soziale Arbeit“ fordert der neue Sprecher der 700.000 Mitarbeitenden in der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands, Oliver Hölters aus Dinklage. Im Kirche+Leben-Interview warnt er vor Fehlentwicklungen.

Herr Hölters, worauf kommt es Ihnen bei der Interessen-Vertretung für die bundesweit 700.000 Mitarbeitenden der Caritas in erster Linie an?

Gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Der Personalmangel macht sich überall bemerkbar. Dies darf nicht dazu führen, dass Arbeitsbedingungen etwa durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit verschlechtert werden. Im Gegenteil: Die Personalknappheit muss genutzt werden, um Arbeits- und Entgeltbedingungen für alle Mitarbeitenden nachhaltig zu verbessern.

Welche mittelfristigen Ziele stehen auf Ihrer Agenda dabei ganz oben?

Der sogenannte Anlage-2-Prozess – die Überleitung der Mitarbeitenden in der Anlage 2 der AVR in die TVöD-Systematik und die bevorstehenden Tarifrunden haben derzeit Priorität. Wir wollen Anschluss halten an die Tarife des öffentlichen Dienstes. Das hat immer Priorität.

Nicht gesundheitlich ruiniert in den Ruhestand

Warum ist gerade das so wichtig?

Die letzte Tarifrunde hat wieder einmal deutlich gemacht: Mit der Eins-zu-Eins-Übernahme des Tarifabschlusses für die 2,6 Millionen Tarifbeschäftigten der Kommunen kommen noch einmal 700.000 Caritas-Beschäftigte hinzu. Damit verstärken wir die Flächenwirkung der Tarife des öffentlichen Dienstes. In Deutschland sind aktuell weniger als die Hälfte der Arbeitnehmenden durch Tarifverträge geschützt. Das muss sich ändern. Dafür erwarten wir von der Bundesregierung politische Flankierung.

Was muss sich an den Arbeitsbedingungen der Caritas noch weiter verbessern, etwa für Pflegehilfs- und Fachkräfte oder im Rettungsdienst?

Arbeit darf nicht krank machen. Wir brauchen eine Reduzierung der Belastung. Viele Beschäftigte wünschen sich eine Reduzierung der Arbeitszeit, aber das ist individuell unterschiedlich. Eine verbindliche Dienstplanung und damit eine verlässliche Freizeitgestaltung helfen, die Belastungen im Privaten und Beruflichen zu reduzieren. Auch nach Jahrzehnten in vollzeitiger Beschäftigung darf niemand gesundheitlich ruiniert im Ruhestand ankommen.

Tarifbindung ist der beste Schutz

Wie wichtig ist eine Erhöhung des Mindestlohnes, etwa in der Pflege?

Mindestlöhne müssen dazu geeignet sein, ein Mindestmaß an Auskömmlichkeit sicherzustellen. Bei steigenden Lebenshaltungskosten müssen daher die Mindestlöhne entsprechend erhöht werden. Dies erhöht die Chance, Arbeitskräfte zu gewinnen. In der Pflegekommission setze ich mich dafür ein, dass sich der Pflegemindestlohn entsprechend weiterentwickelt und damit eine Reißleine der Löhne nach unten darstellt. Und dennoch: Tarifbindung ist der beste Schutz gegen Niedriglöhne.

Sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas durch den Mangel an Nachwuchs – Stichwort: „Arbeitnehmer-Markt“ – nicht sowieso in einer besseren Position als noch vor Jahren?

Die Position hat sich verbessert, aber der Personalmangel bleibt. Dies führt zu Arbeitsverdichtung und höherer Belastung der verbleibenden Arbeitnehmenden. Wir müssen also alles daransetzen, durch gute Löhne und vor allem auch durch attraktive Arbeitsbedingungen Personal zu halten und zu gewinnen. Die Verbesserung der individuellen Verhandlungsposition reicht nicht aus. Wir müssen kollektiv gute Arbeits- und Entgeltbedingungen absichern.

Soziales auskömmlich finanzieren

Kommunen oder Krankenkassen argumentieren bei Verhandlungen meist mit ihrer schwierigen finanziellen Lage. Haben Sie dafür Verständnis?

Das zeigt in erster Linie, dass das Geld nicht richtig verteilt ist. Gerade in den Bereichen, wo mit und am Menschen gearbeitet wird, darf am Personal nicht gespart werden. Und dies kann man auf andere Bereiche übertragen. Und am Ende ist es eine Abwärtsspirale. Wenn ich am Personal spare, sinken auch die Einnahmen.

Was muss sich da ändern?

In einem Sozialstaat müssen ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, um soziale Arbeit zu finanzieren. Wenn zum Beispiel den Menschen in Deutschland versprochen wird, dass innerhalb weniger Minuten medizinische Hilfe zur Verfügung steht, dann muss dies auch auskömmlich finanziert werden, damit die Helfenden nicht selbst unter ihren Arbeitsbedingungen leiden und krank werden.

Arbeitszeiten und Dienstpläne gut gestalten

Was erwarten junge Leute – Stichwort ,Gen Z‘ oder ‚Work-Life-Balance‘ – zu Recht oder zu Unrecht von ihrem zukünftigen Beruf? Sind ihre Ansprüche zu hoch?

Aktuelle Studien zeigen: Beschäftige haben lebensphasenabhängig unterschiedliche Anforderungen oder Erwartungen. Dies kann man nicht an einer Generation festmachen. Vielleicht muss man eher dahin schauen, ob man zum Beispiel Arbeitszeiten und Dienstpläne entsprechend der Bedürfnisse der Beschäftigten so gestalten kann, dass sich dadurch im besten Fall sogar positive Effekte für alle ergeben.

Was müssen oder können Arbeitgeber und die Gesellschaft gegen die „Berufsflucht“ aus sozialen Berufen, etwa aus dem Rettungsdienst, tun?

Dies sind viele Aspekte. Einige habe ich hier schon aufgezeigt. Die Arbeit in den sozialen Berufen macht unglaublich viel Spaß und ist absolut bereichernd. Das kann ich aus meiner Berufserfahrung genauso wiedergeben. Mein Leitsatz ist: Ich liebe meinen Beruf und daher setze ich mich konsequent für Verbesserungen ein. Im Rettungsdienst muss neben den notwendigen Reformen in einem ersten Schritt die maximal zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden reduziert werden.

Zur Person:
Oliver Hölters aus Dinklage (Kreis Vechta) ist neuer Sprecher der Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands. Die Arbeitsrechtliche Kommission (AK) ist auf Bundesebene zuständig für die Gestaltung des kirchlichen Arbeitsvertragsrechts, das für die mehr als 25.000 Einrichtungen und Dienste der Caritas in Deutschland gilt. Seit mehr als 25 Jahren ist Oliver Hölters Notfallsanitäter beim Malteser Hilfsdienst. 2013 wurde er für den Offizialatsbezirk Oldenburg zunächst in die Regionalkommission Nord gewählt, war von 2016 bis 2019 deren Sprecher, rückte im gleichen Jahr in die Bundeskommission nach und wurde in den Vorstand der Caritas-Mitarbeiterseite gewählt.

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