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Die katholische Kirche will in diesem Jahr ihr Arbeitsrecht grundlegend liberalisieren. So sollen beispielsweise sexuelle Orientierung oder private Beziehungen kein Kündigungsgrund mehr sein. Es geht um eine neue Grundordnung für bundesweit etwa 790.000 Beschäftigte von Caritas und Kirche. Im Interview erläutert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa, wo letzte Knackpunkte liegen.
Frau Welskop-Deffaa, droht die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts auf den letzten Metern zu scheitern?
Nein, ich bin überzeugt, dass es in den nächsten Wochen zu einer Einigung und Verabschiedung kommen wird. Einige Bischöfe machten zuletzt deutlich, dass ihnen die geplanten Veränderungen an einigen Stellen zu weit gehen, aber ich bin zuversichtlich, dass sich diese Bedenken entkräften lassen.
Was macht Sie so zuversichtlich?
Nicht zuletzt die Abstimmung über die Ziele der Reform beim katholischen Dialogprozess Synodaler Weg. Die Forderung, dass sich die Loyalität zur Kirche nicht anhand von sexueller Orientierung oder privater Lebensform bemessen dürfe, fand dort eine eindeutige Mehrheit – auch bei den Bischöfen. Das ist die entscheidende Hürde, die wir nicht mehr reißen wollen. Auf der Caritas-Delegiertenversammlung in Limburg hat sich noch einmal gezeigt, wie sehr das im ganzen Verband erwartet wird.
Warum steht der Deutsche Caritasverband hinter der Reform? Haben Sie Bedenken, keine Mitarbeitenden mehr zu finden, wenn die strengen Anforderungen weiter gelten würden? Bei der Caritas arbeiten bundesweit rund 695.000 Frauen und Männer.
Nein, die Angst habe ich nicht. Entscheidend ist, dass jedes Caritas-Altenzentrum und jede Beratungsstelle ein attraktiver und wertebasierter Arbeitgeber ist. Mitarbeitende gewinnen wir ganz überwiegend, weil zufriedene Mitarbeitende in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis Menschen ansprechen, wenn eine Stelle frei wird. Aber wenn wir uns nicht auf eine neue Grundordnung einigen, gerät das kirchliche Tarifsystem in Gefahr. Es wird vor den Gerichten nur dann Bestand haben, wenn es sich glaubwürdig auf unsere Werteordnung und arbeitsrechtliche Grundordnung bezieht.
Welche Vorteile haben die Caritas-Mitarbeitenden von den kirchlichen Sonderregeln?
Auf dem Arbeitsmarkt für sozialen Dienstleistungen ist die Tarifbindung insgesamt niedrig. Wir aber bieten bundesweit einheitliche, gute Bezahlung und ein hohes Niveau bei Altersleistungen. Auch gelten unsere Regeln branchenübergreifend – eine Pflegerin verdient in der Klinik und im Altenzentrum das gleiche. Wenn das fiele, wäre das ein großer Verlust. Der Aufbau neuer Tarifbindungen ist langwierig, es entstünde eine echte Lücke.
Wie geht es nun weiter?
Die für die Reform verantwortliche Arbeitsgruppe wird sich noch einmal treffen, um über die eingegangenen Rückmeldungen aus den Bistümern zu beraten und vielleicht noch einige Details zu verändern. An der Grundrichtung wird aus meiner Sicht nicht gerüttelt. Es wäre ja auch ein fatales Signal, wenn wir in letzter Minute vor der eigenen Courage kalte Füße bekommen würden. Die endgültige Entscheidung liegt dann bei den Bischöfen.