Themenwoche „Ideen gegen den Pflegenotstand“ (4): Fachkräfte aus dem Ausland

Caritas-Projekt: Drei Inder werden in Münster zu Pflegefachkräften

  • Seit Oktober 2022 werden 16 Inderinnen und Inder in Einrichtungen der Caritas im Bistum Münster zu Pflegefachkräften ausgebildet.
  • Die jungen Frauen und Männer sehen in dem Angebot eine große Chance.
  • Die Caritas will mit dem Projekt dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

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Es ist jetzt fast ein halbes Jahr her, seit sie angereist sind. Sechs Monate in Deutschland, in einem völlig neuen kulturellen Umfeld, in einem anderen Klima, mit einer fremden Sprache. Ein denkbar schwieriger Start in die Ausbildung zu Pflegefachkräften, könnte man meinen. Wer Antony Ashbin, Sejeevan Shilpa Nadackal und Jose Jeo danach fragt, erntet ein lächelndes Kopfschütteln. Die drei jungen Menschen aus Indien strahlen dann. „Es ist das Beste, was uns passieren konnte“, sagen sie.

Sie gehören zu den ersten Frauen und Männern, die in einem Ausbildungsprojekt zur Fachkräfte-Gewinnung der Caritas im Bistum Münster in Einrichtungen des Verbands eingesetzt werden. 16 Inderinnen und Inder verteilen sich auf Einsatzorte in Geldern-Kevelaer, Steinfurt und Warendorf. Und eben auch in Müns­ter, wo Ashbin, Nadackal und Jeo derzeit in der Caritas-Pflegeschule für ihren praktischen Einsatz lernen.

Die Chance des Lebens

Sie hatten einen Startvorteil, das geben sie zu. „Unser Deutsch war schon ganz gut, als wir kamen“, sagt Jeo. „Wir drei waren auf einer deutschen Sprachschule in Kerala.“ Als dort dann über eine Organisation in Neu-Delhi die Anfrage aus Deutschland ankam, war der Entscheidungsweg kurz. „Wir haben uns sofort beworben – da haben wir nicht lange überlegen müssen.“ Der 20-Jährige spricht von der „Chance meines Lebens“.

Weil es der Traum vieler junger Inder ist, einen solchen Weg zu gehen, sagt Nadackal. Die 23-Jährige kennt viele Bekannte und Freunde, die in Indien auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind. „Auch der Pflegeberuf ist sehr gefragt.“

Der kann in ihrer Heimat aber nur nach einem Studium ausgeübt werden. „Und das ist sehr teuer.“ Und er ist längst nicht so gut bezahlt wie in Deutschland. Zudem ist die Wertschätzung nicht groß, erklärt sie. „Als Pflegerin bist du nicht gerade hoch angesehen.“

Erwartungen erfüllt

Alle drei recken auf die Frage, ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben, den Daumen. Von der Caritas fühlen sie sich gut begleitet, sagen sie. Was gerade am Anfang wichtig war.

Denn nicht nur die Sprache blieb herausfordernd, auch die Bürokratie und Wohnungssuche hätten sie allein kaum meistern können. Da halfen sowohl die einjährige Vorbereitungszeit in Indien als auch die vielen Hilfestellungen in den ersten Wochen in Deutschland. Mittlerweile ist alles geregelt. Sie wohnen zu dritt in einer Unterkunft der Caritas.

Gemischte Klassen

Was nicht heißt, dass sie ein indisches Grüppchen ohne viel Kontakt nach außen bleiben. „Wir lernen hier ja in gemischten Klassen“, sagt Ashbin. „Das hilft mir bei der Sprache und beim Verstehen des alltäglichen Lebens.“

Auch das erste Praktikum in einer Altenpflege-Einrichtung hat ihn weitergebracht. Der Kontakt zu den Mitarbeitern und den Bewohnern war intensiv. „Den ganzen Tag mit ihnen zu verbringen, bringt mehr als jeder Unterricht.“

Pflegeberuf begeistert

Die Begeisterung für den Pflegeberuf ist bei allen Dreien herauszuhören. Der Einsatz für Ältere, Kranke oder Menschen mit Behinderung ist der eigentliche Grund, warum sie nach Deutschland gekommen sind. „In Indien werden viele dieser Situationen in der Großfamilie gelöst“, sagt Jose. „Hier in Deutschland sind viele Menschen so beschäftigt, dass sie keine Zeit dafür haben.“ Einen Vorwurf will er daraus nicht formulieren. „Das ist einfach so, und wir wollen helfen, dass es den Bewohnern und Patienten trotzdem gut geht.“

Sie erleben dabei selbst viele schöne Momente. Jeder kann sofort davon berichten. Wie auch Jose: „Eine alte Dame fragte mich, ob in Indien Elefanten über die Straßen laufen.“ Er lacht, weil der Einsatz der Tiere als Last- und Transportmittel hier in Deutschland so exotisch ist. „Wir haben uns darüber unterhalten und sie hat gesagt, dass mein Deutsch schon wirklich gut ist.“

Keine Verpflichtung eingegangen

Auf die kommenden praktischen Monate in Krankenhäusern oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung freuen sich die drei deshalb. Welchen Weg sie am Ende der Ausbildung dann einschlagen werden, ist noch offen.

Ashbin will auf jeden Fall in der Pflege arbeiten, Nadackal könnte sich vorstellen, den Beruf in Italien auszuüben, wo ihre Mutter wohnt. Und Jose liebäugelt mit einem Medizinstudium. Dass diese Wege offenstehen, empfinden sie als „super“. Mit der Ausbildung bei der Caritas sind sie keine Verpflichtung eingegangen, im Folgenden in deren Einrichtungen arbeiten zu müssen.

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