CARITAS

Wie ein Comic jungen Menschen die Angst vor der Wohngruppe nimmt

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Über Jugendhilfeeinrichtungen herrscht oft ein negatives Bild. Wie es dort wirklich zugeht, zeigt ein Comic. Kirche+Leben trifft die Illustratorin.

Mehrmals sind Kathrin Schrocke und Christine Nippoldt zum Caritas-Kinder- und Jugendheim in Rheine im Kreis Steinfurt gefahren, um mit den Jugendlichen über deren Lebensalltag zu sprechen und um von den Mitarbeitenden, zu erfahren, was die Jugendhilfe leistet. Christine Nippoldt, die sich den Künstlernamen Lilli L’Arronge gegeben hat, hat den Alltag in Comicform illustriert, Kathrin Schrocke die Sprechblasen geschrieben.

„Die Figuren in den Comics haben wir uns ausgedacht. Aber wir haben immer wieder echte Aussagen von Jugendlichen aus Wohngruppen eingebaut. All die Jugendlichen im Buch könnten also genau so existieren“, sagt Christine Nippoldt.

Alltag der Jugendlichen in Comicform

600 Zeichnungen in Comicform hat sie per Hand und am Computer zu einem 104-seitigen Buch zusammengefügt. Der Alltag der Jugendlichen wird so realistisch wie möglich dargestellt. Die Gespräche werden altersgerecht wiedergegeben.

In den Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe der Caritas Rheine leben Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren. Die Zusammensetzung der Gruppen ist unterschiedlich. Manche wohnen nur vorübergehend dort, andere bis zur Volljährigkeit oder auch etwas länger.

Gründe für das Wohnen in Gruppen

Die Jugendlichen erklären selbst, warum sie in den Wohngruppen leben: „Ich war elf, als ich hierhergekommen bin. Meine Mama konnte sich nicht mehr richtig um mich kümmern. Aber an meinem Geburtstag und zu Weihnachten sind wir zusammen.“ Oder: „Ich lebe seit zwei Jahren in der WG. Zu Hause war viel Gewalt. Vor allem der neue Freund meiner Mutter war echt fies.“

Aber auch die Mitarbeitenden kommen zu Wort und sprechen über ihren Beruf: „Ich bin Erzieherin geworden, weil ich selbst in einer sehr netten Pflegefamilie aufgewachsen bin. Heute will ich mich selbst um Kinder kümmern, die nicht so viel Glück hatten wie ich.“ Oder: „Ich arbeite seit 20 Jahren in einer Wohngruppe. Ich bin immer wieder fasziniert, welche Kraft in Kindern und Jugendlichen steckt.“

Jugendliche im Mittelpunkt des Comics

Im Mittelpunkt stehen aber acht Jugendliche, die als Comicfiguren die Namen Frieda, Ebru, Mika, Leo, Jason, Sofia, Pringles und Zaid tragen. Sie sind aus unterschiedlichen Gründen in die Jugendwohngruppe eingezogen, müssen sich zusammenraufen, miteinander klären, wer wann die Küche aufräumen muss oder die Dusche benutzen darf. Sie erklären, wie ein Haus der Kinder- und Jugendhilfe aufgebaut ist, wie Probleme des Zusammenlebens gelöst werden können und welche Rechte sie haben.

Es ist die Kunst der Illustratorin, das Gesagte in einen Infocomic bildlich mit der passenden Mimik und der Alltagssituation einzubinden. Dafür zeichnet Christine Nippolt zunächst ihre Figuren auf einem Blatt Papier, spricht sich mit der Texterin ab und gestaltet die Bilder mit einem Zeichenprogramm am Computer. „Die Ideenfindung, welche Charaktere und Eigenschaften die Dargestellten haben sollen, ist zeitintensiv. Das Zeichnen am Computer ist dann eine Frage der Routine.“

Informationen über Comics

Wie mit Grafiken und Bildern Informationen transportiert werden, weiß Christine Nippolt. Sie hat Visuelle Kommunikation studiert und sich intensiv damit beschäftigt, wie Menschen kommunizieren und ihre Umwelt wahrnehmen.

Dabei wird es durch die Zeichnungen nie langweilig, Themen wie den Aufnahmeprozess, die Kinderrechte, Heime früher und heute, die anderen Kinder, warum ich, Schuld und Vorurteile aufzugreifen. Weitere Themen wie sexuelle Identität, sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch werden so thematisiert und illustriert, dass sie Jugendlichen Mut geben, darüber zu sprechen und gegebenenfalls Hilfe zu suchen.

Gebrauchsanleitung für das Jugendwohnen

Das Buch ist eine Art „Gebrauchsanleitung Heim“. „Hinterher sind die Jugendlichen auf jeden Fall schlauer und können leichter mit dem Thema des Lebens in einer Wohngruppe umgehen“, hofft die Illustratorin.

Das Comicformat begrüßt der Geschäftsführer des Caritas-Kinder- und Jugendheims, Wilfried Hülsbusch, sehr: „Die Medien vermitteln oft noch ein negatives Bild von Jugendhilfeeinrichtungen. Junge Menschen in stationären Wohngruppen werden als gescheitert gebrandmarkt, oft mit kriminellen Neigungen. In Filmen und Büchern gelten Heime fast immer als Orte des Schreckens. Freiwillig will da keiner hin!“

Rückzugsort nach schwieriger Lebensphase

Die Realität sehe anders aus, meint Hülsbusch: „Für fast alle Mädchen und Jungen, die neu in eine Wohngruppe ziehen, endet damit eine Phase größter Anspannung und Unsicherheit. Hier finden sie endlich den nötigen Rückzug, hier kann Heilung geschehen.“

Das Buch mit dem Titel „Anders zu Hause – Leben in einer Wohngruppe der Jugendhilfe“ ist nicht über den Buchmarkt erhältlich, sondern kann gegen eine Schutzgebühr von zehn Euro unter kinderheim(at)caritas-rheine.de bestellt werden.

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