Martin Zumbült zu Hochleistungskatholizismus

Christen und Olympia: Lieber gemeinsam, statt schneller, höher, stärker

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Bei Olympia waren viele sportliche Höhepunkte zu sehen, die Anerkennung verdienen. Die völlig überhitzte Debatte rund um die Eröffnungsfeier war hingegen eher ein katholischer Tiefpunkt, der in der Öffentlichkeit zu Ablehnung führte. Dabei wurde ganz übersehen, dass Glauben eben kein Wettbewerb ist, sagt Martin Zumbült in seinem Gastkommentar.

„Citius, altius, fortius“ – schneller, höher, stärker. Dieses von dem Dominikaner Henri Didon 1891 entworfene, von Pierre de Coubertin übernommene und vor exakt 100 Jahren bei den Olympischen Spielen in Paris erstmals verwendete Motto soll den Wettkampfgeist wecken und Sportlerinnen und Sportler zu Höchstleistungen anspornen.

Dass das im Sport auch heute noch gilt, haben wir in den vergangenen Wochen eindrucksvoll erleben dürfen, als olympische und Weltrekorde und Jahresbestmarken gebrochen wurden. Welch beeindruckende Leistungen! In der künstlichen, völlig überhitzten wie letztlich sinnlosen Debatte über eine Darstellung offenkundig queerer Menschen an einer langen Tafel während der Eröffnungsfeier der Spiele war dasselbe zu spüren: schneller, höher, stärker!

Kann man Lebensentwürfe wegbeten?

Man bekam den Eindruck, dass einige der Disputanten die Darstellung – willentlich oder aus purer Unkenntnis antiker Mythen – bewusst missgedeutet haben, damit sie sich aufregen können: Mein Gebet ist schneller, meine religiösen Gefühle sind höher, mein Glaube ist stärker – und zwar mehr als bei allen anderen! Sie haben ihre Empörung zu Markte getragen, damit sie sich als besonders verletzt oder besonders katholisch präsentieren konnten. Es entstand der Verdacht, dass die Darstellungen alternativer Lebensentwürfe unsichtbar gemacht und weggebetet werden sollten.

Ein solcher Hochleistungskatholizismus trägt narzisstische Züge und beinhaltet die Abwertung und Ausgrenzung anderer. Derart überzogene Reaktionen führen in der breiten Öffentlichkeit gleichwohl nicht zu Mitleid, sondern zu Ablehnung. Wenn man seinen Glauben schon als „Leistung“ betrachtet, dann wenigstens in der 2021 erweiterten Fassung des olympischen Mottos: „citius, altius, fortius – communiter“ gemeinsam!

Glauben ist kein Wettbewerb

Der Autor
Martin Zumbült, Theologe, Jurist und Kirchenrechtler, ist Diözesanrichter am Bischöflichen Offizialat in Münster sowie Ehebandverteidiger am Bischöflichen Offizialat in Aachen.

Ebenso wenig wie ein Wettbewerb alleine funktioniert, geht Christ-Sein alleine. Einem Christen steht daher das zweite, im Gegensatz zum ersten stehende, olympische Motto sehr viel besser zu Gesicht: Dabei sein ist alles. Glauben ist kein Wettbewerb, sondern gelebte Gemeinschaft. In der Gemeinschaft sein und bleiben erfordert Rücksicht, Toleranz und Gelassenheit im Umgang mit anderen Meinungen. Man kann nicht in Konkurrenz mit anderen glauben.

Und wenn man sich nicht ganz ohne Leistungsgedanken motivieren kann, ist man selbst sein härtester Gegner: Ich muss nicht besser sein als andere. Ich muss nur besser sein als gestern.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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