Beim Bau 1965 gab es keine Proteste

Cloppenburg: Leichenhalle auf Synagogen-Gelände verschwindet

Im Rückblick kann das kaum jemand nachvollziehen - dass man 1965 auf dem Grundstück der bei den Novemberpogromen zerstörten Synagoge eine Leichenhalle errichtet hat. Sie wird bald verschwinden.

 

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Das würde so wohl heute nicht mehr passieren: dass man die Grundmauern einer ehemaligen Synagoge einfach überbaut, noch dazu mit einer Leichenhalle. „Unsensibel“ nennt Karl Sieverding, was Mitte der 1960er Jahre mit dem Grundstück des ehemaligen Versammlungshauses der jüdischen Gemeinde mitten in Cloppenburg geschah.

Sieverding ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Oldenburger Münsterland der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Der pensionierte Cloppenburger Studienrat hat sich intensiv mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde Cloppenburg beschäftigt, auch mit der Synagoge, die 1866 in Dienst genommen wurde und im Zuge der Novemberpogrome 1938 zerstört wurde.

 

Beim Grundstückskauf kein Problem

 

Wie man 1965 dazu gekommen sei, das Grundstück zu überplanen? Es sei eben die Zeit damals gewesen, sagt Sieverding. Niemand habe protestiert, als der Plan mit der Leichenhalle für das Cloppenburger Krankenhaus aufkam – weder die Politik, noch die Kirchengemeinde, noch irgendjemand sonst.

„Das Krankenhaus brauchte den Platz dafür, das Gelände lag brach.“ Also habe man sich an den Verband jüdischer Gemeinden gewandt, ihm das Grundstück abgekauft und die Halle gebaut, die dort heute noch steht. „Das war kein Problem. Alle waren sich einig.“

 

Seit 1983 gibt es eine kleine Gedenkstätte

 

So überspannt das Gebäude jetzt seit mehr als 50 Jahren das Gelände, auf dem einst das  jüdische Gotteshauses stand, von dem es auf einer Messing-Gedenktafel dort heißt, dass „auch Cloppenburger SA-Leute“ beteiligt waren, als es 1938 völlig niedergebrannt wurde.

Die Tafel markiert seit 1983 diese Gedenkstätte der Stadtgeschichte. Der Heimatverein hat sie gemeinsam mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit beim jüdischen Friedhof angebracht, der erhalten blieb. Er liegt etwas versteckt hinter der Leichenhalle.

 

Der Dechant hat eine klare Haltung

 

Aber eine Tafel und ein Gedenkstein mit Bronzeplatte – das sei zu wenig Erinnerung an die Ereignisse, sagt nicht nur Sieverding. Sein Wunsch deshalb: Auf Dauer müsse das Grundstück wieder frei und zum Gedenkort werden.

Das sieht auch Cloppenburgs Pfarrer Dechant Bernd Strickmann so. Er halte die Errichtung einer angemessenen Gedenkstätte für „mehr als überfällig“ und werde sich mit ganzer Kraft dafür einsetzen. Strickmann ist zwar seit 2014 nicht mehr Vorsitzender des Krankenhaus-Kuratoirums, gehört aber immer noch als Mitglied dazu. „Ich stehe da voll hinter“, erklärte er auf Nachfrage.

 

Es könnte drei bis vier Jahre dauern

 

Die laufenden Umbauten am Krankenhaus bieten jetzt die entsprechende Möglichkeit. Der Abriss der Leichenhalle gehört dazu. „Bisher steht in den Bauplänen zwar noch, dass dort ein Parkplatz gebaut werden soll“, sagt Sieverding. Er habe den Krankenhaus-Geschäftsführer Lutz Birkemeyer aber gebeten, dass der frei werdende Raum einbezogen wird in eine Gedenkstätte „Zerstörte Synagoge Cloppenburg“.


Der Friedhof hinter der ehemaligen Synagoge existiert noch. | Foto: Michael Rottmann

Der Krankenhaus-Chef ist dafür durchaus offen: „Auch unser erklärtes Ziel ist es, das Grundstück so freizustellen, dass dem Andenken der jüdischen Verstorbenen Rechnung getragen werden kann.“ Allerdings nicht von jetzt auf gleich. „Wir sind uns einig und wir finden eine Lösung“, sagt er.

Derzeit werde das Gebäude allerdings noch genutzt. „Und solange der große Umbau des Krankenhauses nicht endgültig abgeschlossen ist, fehlt einfach der Platz. Also wohl noch die kommenden drei bis vier Jahre.

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