Jens Joest über Folgen für die deutsche Gesellschaft

Corona löst eine Pandemie des Misstrauens aus

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100.000 Tote in Deutschland - das durch Corona ausgelöste Leid ist erschreckend. Zu allem Überfluss hat das Virus eine zweite Pandemie hervorgerufen - und die Kirchen spielen bei deren Bekämpfung bisher kaum eine Rolle, beobachtet unser Redakteur Jens Joest.

Deutschland betrauert mehr als 100.000 Menschen, die an oder mit Corona verstorben sind. Dieses Leid wäre wert, das einzige Thema dieser Zeilen zu sein.

Doch Teile der Gesellschaft verweigern eine Impfung, die Eigenschutz und Akt der Nächstenliebe wäre. Das hat auch damit zu tun, dass Corona eine weitere Pandemie ausgelöst hat – die des Misstrauens, vor allem gegenüber Politik und Wissenschaft.

Kirchen sollten mehr tun, um Bedenken zu entkräften

Diese Lage ist zum Teil selbstverschuldet. Viele Menschen hat verunsichert, dass sie – nicht zuletzt auf Pressekonferenzen und in Fernseh-Talkshows – Wissenschaftlern gleichsam dabei zusehen konnten, wie sich deren Kenntnisstand in kurzer Folge veränderte. Die Politik hat zu lange gehandelt, als sei es mit zwei Schutzimpfungen getan.

Zudem spielen die Kirchen als gesellschaftliche Vermittler bisher keine Rolle. So löblich es ist, dass sich Menschen zum Beispiel am 11. Dezember im Paderborner Dom impfen lassen können – die Kirchen beschränken sich auf Appelle, ohne die Bedenken der Misstrauischen zu hören und zu entkräften. Die kircheninternen Krisen binden offenbar mehr Kraft als die Gesellschafts-Geißel Corona und ihre Folgen.

Die Zahl ernster Impf-Nebenwirkungen ist verschwindend gering

Die große Mehrheit der Menschen vertraut dem Stand der Wissenschaft. Dass Bedenken gegen die Impfung in der öffentlichen Debatte kaum mehr eine Rolle spielen, bildet die Erkenntnisse der Forschung präzise ab: Mit Impfung ist sicherer als ohne. Zwei Zahlen aus dem Corona-Hotspot Bayern als Beleg: Die Inzidenz unter Geimpften lag dort am 17. November bei 109,7; bei Ungeimpften bei 1.468,9.

Es ist also nicht gewollte oder gesteuerte Täuschung, wenn Politik, Gesellschaft und Medien die Schreihälse aus obskuren Ecken des Internets ignorieren, sondern faktenbasiert: 57 Millionen Deutsche sind doppelt geimpft; die Zahl ernster Nebenwirkungen ist verschwindend gering.

Den Skeptikern ist mehr Vertrauen in die Realität zu wünschen

Die Mehrheit der Menschen hat das verstanden, trägt den Konsens mit, ohne den eine Gesellschaft nicht funktionieren kann. Sie vertraut den Akteuren, auch wenn diesen Fehler unterlaufen.

Es ist an den Skeptikern, verbal abzurüsten. Es wäre zu wünschen, dass ihr Vertrauen wächst. Weil die Mehrheit dieser Gesellschaft der Wahrheit traut.

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