Die Lage der Wohnungs- und Obdacklosen in Münster

Corona: Menschen auf der Straße sind „einfach vergessen worden“

Nach Schätzungen von Thomas Mühlbauer sind viele Wohnungs- und Obdachlose in Corona-Zeiten völlig unterversorgt. Der Leiter des Hauses der Wohnungslosenhilfe (HdW) und weitere Experten sprechen über die Lage in Münster.

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Während die meisten Münsteraner zurzeit einigermaßen sicher in Wohnungen und Häusern untergebracht sind, gibt es nach Schätzungen von Thomas Mühlbauer viele Wohnungs- und Obdachlose, die völlig unterversorgt sind. Der Leiter des Hauses der Wohnungslosenhilfe (HdW) in Münster geht von 200 bis 250 Menschen in der Stadt aus.

Das HdW nahe dem Hauptbahnhof hat auf Notbetrieb umgestellt, erklärt Mühlbauer. Der offene Bereich im Erdgeschoss für Bewohner und Gäste, in dem sonst Frühstück und Mittagessen serviert werden, sei geschlossen. „Es gibt zurzeit keine warmen Speisen. Wir geben nur geschmierte Brote heraus und achten auf Abstand zwischen Bewohnern und Mitarbeitern“, bedauert er. In Planung sei aber, in der kommenden Woche wenigstens Kartoffelsalat mit Würstchen und anderes anzubieten.

 

Haus der Wohnungslosen ist bis zum Rand voll

 

Das HdW, das in Trägerschaft der Bischof-Hermann-Stiftung ist, sei mit 80 Bewohnern bis an den Rand voll besetzt. „Oft klingeln abends noch weitere zehn Männer an“, berichtet er.  Auch die würden selbstverständlich aufgenommen. Im „HuK-Gebäude“ an der Friedrich-Ebert-Straße – das Kürzel steht für „Hilfevermittlung und Kurzeitübernachtung“ – sehe es genauso aus. Dort sind weitere 48 Männer untergebracht. Die Menschen schlafen in Mehrbett-Zimmern.

Zudem gebe es in der Stadt 200 bis 250 weitere Wohnungs- und Obdachlose, die völlig unterversorgt sind, schätzt der HdW-Leiter die aktuelle Lage ein. Die Arbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe in Münster habe deswegen Alarm geschlagen, ein Positionspapier verfasst und an die Stadt geschickt. „Die Grundversorgung der Menschen muss dringend wiederhergestellt werden“, fordert Mühlbauer.

 

„Die Menschen müssen irgendwo hin“

 

Sofortigen Handlungsbedarf sieht auch Matthias Eichbauer vom Treffpunkt an der Clemenskirche. „Wir haben uns an den Krisenstab der Stadt gewandt. Die Menschen müssen irgendwo ihre Körperpflege verrichten, ihre Kleidung wechseln, ihre Handys aufladen, essen. Und sie brauchen einen witterungsgeschützten Tagesaufenthalt.“ Das alles sei zurzeit nicht gewährleistet, da fast alle Tagesaufenthalte und Hilfsangebote wegen Corona geschlossen sind. „Diese Menschen sind in der Krise von der Stadt einfach vergessen worden.“

 „Nur der Clemenstreff und die Bahnhofsmission sind noch geöffnet“, sagt Eichbauer. Oben an der Eingangstür des Treffs ist die Essenausgabe eingerichtet. Mit Genehmigung des Krisenstabs der Raphaelsklinik Münster und des städtischen Gesundheitsamts. Die Helfer arbeiten mit Mundschutz. Die Gäste müssen draußen bleiben.

 

Keine Gemeinschaft, keine Beratung

 

Frühstück und warmes Mittagessen werde auf Einmal-Tellern herausgegeben, das Besteck in einer Plastiktüte. „Normalerweise kommen die Menschen ins Haus. Jetzt gibt es für sie weder Gemeinschaft noch soziale Beratung“, klagt Eichbauer. Auch medizinische Begleitung brauchten sie dringend. Wenigstens könnten sie mit Schwester Klara Maria Breuer vom Clemenstreff noch telefonisch Seelsorge-Gespräche führen.

50 Meter Abstand müssen die Gäste an der Essenausgabe des Treffs einhalten. Die 50 Cent für das Frühstück werfen sie draußen in einen Eimer mit Desinfektionsmittel. Mittags um halb Zwölf ständen sie dann für die warme Mahlzeit an. „Die Speisen liefert uns die Küche der Raphaelsklinik. Die haben uns auch einen zusätzlichen Wärmewagen zur Verfügung gestellt“, freut sich Eichbauer über jede Unterstützung.

 

Essen auf der Parkbank

 

Gegessen wird im nahen Barockpark an der Clemenskirche. Auf der Parkbank. Für Ordnung und Sauberkeit dort hätten sich Gäste freiwillig zur Verfügung gestellt, freut sich Eichbauer. „Wir geben ihnen Müllsäcke und entsorgen die Sachen später.“

27 Ehrenamtliche arbeiten normalerweise im Clemenstreff mit. „40 Prozent von ihnen sind über 60 Jahre und müssen jetzt zuhause bleiben“, sagt Eichbauer. Für April sei es deswegen schon eine Herausforderung gewesen, den Dienstplan für die Helfer aufzustellen. Er suche bereits in seiner Gemeinde nach weiteren Unterstützern, würde sich aber freuen, wenn sich noch weitere Helfer für die Zeit von 8.30 bis 13.30 Uhr melden könnten: Tel. 0251/518643.

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