Sebastian Aperdannier liest am Karfreitag im Dom in Münster

„Corona-Tagebücher“ erzählen emotionale Pandemie-Erlebnisse

  • Sebastian Aperdannier hat „Corona-Tagebücher“ über Pandemie-Erlebnisse von Menschen auf der ganzen Welt geschrieben.
  • Seine Texte von fiktiven Personen sollen helfen, den Blick über die eigene Situation hinaus zu weiten.
  • Die nächsten Lesungen sind am Dienstag der Karwoche in der St.-Dionysius-Kirche in Nordwalde und am Karfreitag im Dom in Münster.

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Das sei „sehr schwere Kost“, hat ihm eine Zuhörerin nach der Lesung seiner „Corona-Tagebücher“ einmal gesagt. Genau darum geht es Sebastian Aperdannier. Der Referent für Freiwilligendienste im Ausland im Bischöflichen Generalvikariat Münster konzipiert in seiner Freizeit immer wieder Programme, deren Texte er selbst schreibt.

Und die sind in der Regel alles andere als leicht verdaulich. „Schwere Kost kann man nicht einfach runterschlucken, man muss lange auf ihr kauen, sie vielleicht wieder ausspucken“, sagt er. Kurz: Wer ihm zuhört, muss sich mit seinen Worten auseinandersetzen. „Und das verändert zwangsläufig Sichtweisen.“

So hat er sich auch in der Corona-Pandemie hingesetzt und geschrieben. Von dem Priester aus Bergamo, der durch das Virus seinen Mitbruder verlor. Von der Arbeiterin aus Pakistan, die durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ihren Arbeitsplatz verlor. Von der schwedischen Ärztin, die im Flüchtlingslager in Griechenland die Folgen der Krankheit erlebt. Von der Studentin in Barcelona mit ihrer Sehnsucht nach ihrem Freund, den sie im Lockdown nicht treffen darf. Und vom Mann aus einer westfälischen Kleinstadt, der seine verzweifelte Mutter in der Isolation des Altenheims nicht besuchen kann.

 

Authentisch und emotional

 

Es sind „Ich-Erzählungen“, fiktive Situationsberichte und dadurch extrem emotional. „So erfunden die Personen auch sind – so nah sind sie an der Wirklichkeit der Menschen in dieser Zeit“, sagt Aperdannier. Er hat keine Interviews geführt, nicht in die Tiefe recherchiert, sondern sich von kleinen Nachrichten oder von Zitaten in Zeitungsartikeln inspirieren lassen. „Und mit anderen darüber gesprochen.“ Daraus entstanden dann seine authentischen Lebensabschnitts-Geschichten.

Ihm ging es dabei um Weite. „Wir sind in diesen Monaten stark auf uns zurückgeworfen, drehen uns um unsere eigene Situation und eigenen Sorgen.“ Die Informationsflut sei zwar groß, die Menschen konsumierten Zahlen und Fakten wie sonst nie. „Aber um welche Inhalte geht es dabei?“, fragt Aperdannier. „Es dreht sich in der Regel um das, was meine eigene Position widerspiegelt.“ Am Beispiel der vielen Talk-Shows zum Thema macht er das deutlich: „Es geht mir wirklich auf die Nerven, dass es da immer nur um Impfstoff, um politische Schuldzuweisungen, um statistische Zahlen geht.“

 

Raus aus der Engführung

 

Mit seinen Texten möchte er „aus dieser Engführung“ heraus. Seine Zuhörer sollen die Möglichkeit haben, ihren Blick auf die vielen anderen Situationen in der Pandemie auf der ganzen Welt zu richten.

Dabei sieht er in dem „weltumfassend Verbindenden“ der Pandemie durchaus eine Chance. „Die grundlegende Reaktion ist überall gleich – die Menschen haben Angst und ziehen sich zurück.“ Das schafft in seinen Augen eine besondere Sensibilität, „eine Empfänglichkeit für die Gefühle sonst Fremder“, ein „gegenseitiges Einfühlungsvermögen“.

 

Aus Betroffenheit Solidarität entwickeln

 

Aperdannier hofft, dass seine Zuhörer nicht bei einer Betroffenheit stehen bleiben, sondern Solidarität entwickeln. Die Reaktion „Daran kann man eh nichts ändern!“ ist in seinen Augen die falsche. „Ich will mich da nicht geschlagen geben.“

Wer durch das Corona-Schicksal der pakistanischen Näherin berührt werde, könne zum Nachdenken über seinen Kleider-Konsum inspiriert werden. Wer von der katastrophalen Pandemie-Situation der Flüchtlinge im griechischen Lager höre, könne seinen Umgang mit Migranten in Deutschland überdenken. „Wer vom Liebesbrief der Studentin an ihren Freund hört, kann aber auch Leichtigkeit in dieser schweren Zeit finden.“

Termine
Die Lesung „Corona-Tagebücher“ ist am Karfreitag, 2. April, um 20 Uhr im Dom in Münster zu hören. Für die Teilnahme vor Ort ist eine Anmeldung notwendig: www.paulusdom.de. Die Veranstaltung, in der auch Dompropst Kurt Schulte Texte rezitiert, wird zudem live im Internet übertragen, unter anderem bei Kirche-und-Leben.de.

Eine weitere Lesung ist am Dienstag der Karwoche, 30. März, um 19.30 Uhr in der St.-Dionysius-Kirche in Nordwalde geplant. Auch dafür wird um Anmeldung gebeten: www.kirchengemeinde-nordwalde.de.

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