Interview mit Geschäftsführer Udo Lohoff über die Situation vor Ort

Corona trifft Brasilien: Aktionskreis Pater Beda kämpft gegen Hunger

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Die Corona-Pandemie hat Brasilien hart getroffen. Insbesondere die ärmere Bevölkerung kämpft mit den Folgen der Krise. So sei in vielen Teilen des Landes der Hunger zurückgekehrt, berichtet Udo Lohoff im Interview mit "Kirche-und-Leben.de". Er ist Geschäftsführer des Aktionskreises Pater Beda, der zahlreiche lokale Initiativen unterstützt und am Kloster Bardel in Bad Bentheim beheimatet ist.

Herr Lohoff, die Corona-Pandemie hat Brasilien schwer getroffen. Vor welchen großen Herausforderungen stehen die Partner des Aktionskreises Pater Beda aktuell?

Zu Beginn der Pandemie im letzten Jahr mussten auch alle Institutionen, mit denen der Aktionskreis Pater Beda zum Teil seit über 30 Jahren verbunden ist, ihre Türen schließen. Das hatte große Auswirkungen, besonders für die betreuten Kinder und Jugendlichen. Unter anderem fielen die regelmäßigen Mahlzeiten aus. Diese Mahlzeiten sind für die zu ungerecht verarmten Familien eine große Hilfe. Hinzu kam, dass ein Großteil der Familien von einem Tag auf den anderen keine Einkommen mehr hatte und somit keine Kaufkraft. Schon nach kurzer Zeit wurde es deutlich, dass der Hunger zurückgekehrt war. Eine weitere große Herausforderung der Partner in Zeiten der Pandemie ist es, den Kontakt zu den Betreuten zu halten. Es wurden Strategien entwickelt, zum Beispiel durch WhatsApp und andere Online-Formate, die Lern-, Betreuungs- und Sozialkontakte zu erhalten. Die Menschen standen an fast allen Orten vor den Türen unserer Partnerprojekte und baten um Essen. Mit Hilfe des Aktionskreises wurde die Kampagne „Wer Hunger hat, kann nicht warten!“ gestartet. Mit den Spenden wurden und werden Lebensmittelpakete zusammengestellt und an die wirklich Bedürftigen verteilt.

Sind viele Mitarbeitende der unterstützten Initiativen selbst an Covid-19 erkrankt oder sogar gestorben? Funktioniert das Gesundheitssystem in Brasilien noch?

Udo Lohoff
Udo Lohoff ist Geschäftsführer des Aktionskreises Pater Beda. | Foto: privat

Einige Personen aus den Projektleitungen waren selbst erkrankt an Covid-19, sind aber mittlerweile genesen. Verstorben ist keiner unserer Freunde oder Partner, jedoch kennt heute jeder eine oder mehrere Personen, die an den Folgen der Covid-Erkrankung verstorben sind. Das Gesundheitssystem funktionierte auch vor Corona mehr schlecht als recht. Wer kann, versichert sich privat. Und gerade in der Pandemie stellt man fest, dass die Armen wieder die Verlierer sind. Zum Teil verstarben Patienten wegen fehlendem Sauerstoff in den Krankenhäusern, wobei Reiche mit Flugzeugen zu gut ausgerüsteten Privatkliniken gebracht werden.

Welche Problemlagen in Brasilien sind durch die Corona-Pandemie zutage getreten beziehungsweise erneut aufgetreten?

„Die Wirtschaft darf nicht stoppen“, das war die Anweisung der brasilianischen Regierung. Und „Stayhome“ ist eine Forderung, die in Brasilien nur für Reiche funktioniert. Denn Millionen Menschen arbeiten in Brasilien ohne festen Arbeitsvertrag. Sie erhalten nur einen minimalen Lohn und können es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Nicht arbeiten, das bedeutet in Brasilien: Kein Essen, kein Wasser, kein Strom. Das alles wartet nicht, bis das Virus vorbei ist. Hunger, der in den letzten zwei Jahrzehnten als fast besiegt galt, ist durch die Corona-Pandemie zurückgekehrt, insbesondere da die Regierung keine regelmäßige Nothilfe ausgibt.

Welche Rolle spielt dabei die Politik des Präsidenten Bolsonaro?

Präsident Jaír Messias Bolsonaro hat von Beginn an die Corona-Pandemie geleugnet und lächerlich gemacht. Sogar für die Opfer und vielen Toten hat er persönlich und sein Mitarbeiterstab nur Hohn und Spott übrig. Nicht ein einziges Krankenhaus hat er in dieser Zeit besucht, um zum Beispiel Empathie zu zeigen oder auch die tollen Leistungen der Pflegekräfte und Ärzte zu würdigen. Jedoch nutzt er jede Gelegenheit in der Öffentlichkeit, um die freie Presse und die Ministerpräsidenten - Regierungschefs - der einzelnen Bundesstaaten zu diskreditieren.

Welche Ziele verfolgt der Aktionskreis Pater Beda in naher Zukunft?

Schlangestehen für Essenspakete
Für die Lebensmittel-Pakete stehen viele Menschen lange an. | Foto: privat

Trotz aller Probleme möchten wir auch in naher Zukunft die einzelnen Partnerprojekte bei ihren vielfältigen Aufgaben unterstützen. Gerade die Pandemie hat aufgezeigt, wie wichtig die Sozialprojekte für den Kampf um die Würde und die Rechte der Armen sind. Diese Partnerschaften wollen wir auf dem Land und in den Städten in Nordost-Brasilien weiterhin begleiten und stärken. Dabei  können wir uns auf verlässliche Partner stützen, die notwendig sind, damit die Spenden auch ihr Ziel erreichen und ihren Zweck erfüllen.

Wie können Interessierte ihre Arbeit konkret unterstützen?

Natürlich ist es zunächst wichtig, dass wir Spenden erhalten, damit wir zur Zeit vor allem die Sonderaktion „Wer Hunger hat, kann nicht warten“ unterstützen können. Hier werden Lebensmittelpakete und Hygiene-Kits zusammengestellt und an die bedürftigen Familien verteilt. Gleichzeitig ist es uns wichtig, über die Situation vor Ort zu berichten, damit man hier in Europa einen Eindruck bekommt, in welchen schlimmen Lebenssituationen die Menschen dort leben. Wir freuen uns über jedes Engagement in diesem Sinne, sei es in Familien, in Schulen, in Kirchengemeinden oder Vereinen. Wir wollen dabei eine Art Brücke sein, damit Kontakt und Begegnung entsteht.

Aktionskreis Pater Beda:
Der Aktionskreis Pater Beda leistet Unterstützung für verschiedene Projektpartner, die im Nordosten Brasiliens aktiv sind. Dabei handelt es sich um Kinder- und Straßenkinderprojekte, Pastoral- und Sozialarbeit der Franziskaner, Unterstützung für Landlose und Kleinbauerngenossenschaften und Menschenrechtsorganisationen. Die Arbeit finanziert sich aus Sammelaktionen, Spenden, kirchlichen und öffentlichen Zuschüssen. Der Namensgeber, Pater Beda, startete bereits 1964 mit Sammelaktionen für Brasilien. Spendenkonto: Aktionskreis Pater Beda - IBAN: DE51 4006 0265 0022 4442 00

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