BIBEL AM SONNTAG (Christkönigssonntag/B)

Daniel Hörnemann: Königswege und Königskinder

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Wer ist der wahre König? Dieser Frage geht Pater Daniel Hörnemann OSB nach und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Alles, was mit King Charles III. und um ihn herum in der englischen Königsfamilie geschieht, steht hoch im Interesse der Boulevardpresse und Medien, vor allem das wirklich oder auch nur scheinbar Skandalträchtige. Damit lassen sich Verkaufsquoten erzielen. In Deutschland bleibt nur der Traum vom Königtum. Der Musiker Rio Reiser beschrieb 1986 „wenn ich König von Deutschland wär‘“: „Bei der Bundeswehr gäb‘ es nur noch Hitparaden. Ich würd‘ jeden Tag im Jahr Geburtstag haben. Jede Nacht um halb eins, wenn das Fernsehen rauscht, leg ich mich aufs Bett, und mal mir aus, wie es wäre, wenn ich nicht der wäre, der ich bin, sondern Kanzler, Kaiser, König oder Königin. Das alles und noch viel mehr würd‘ ich machen, wenn ich König von Deutschland wär.“

Der Sänger wurde nie König von Deutschland. Wir haben hierzulande seit 1918 keine Könige und Kaiser mehr, sie haben auch anderswo auf der politischen Bühne kaum noch etwas zu sagen. Wir kommen im alltäglichen Leben ganz gut ohne sie zurecht, dennoch geht noch immer eine merkwürdige Faszination von ihnen aus. Dahinter mag eine unbewusste Sehnsucht stehen, die das Bild eines Königs, einer Königin einfängt, die Sehnsucht nach Sicherheit, Führung, Autorität, Wertschätzung, Anerkennung, Hochachtung, Verehrt- und Geliebtwerden.

Wer ist der wahre König der Kirche?

Die Lesungen vom Christkönigssonntag / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Wir sind seit langem und hoffentlich noch lange an demokratische Verhältnisse gewöhnt. Allein in der Firma „Gott und Sohn, Abteilung Bodenpersonal“ geht es nicht gerade demokratisch zu. Das Unternehmen Kirche wird immer noch von einem absoluten Monarchen in weißer Kleidung geführt, umgeben von einem Hofstaat rot gekleideter Kardinäle.

Wer aber ist der wahre König der Kirche? Pius XI. wollte mit der Einführung des Christkönigsfestes 1925 „die Königsherrschaft Christi als wirksamstes Heilmittel gegen die zerstörenden Kräfte der Zeit“ einsetzen. Genau zu einer Zeit, als viele europäische Monarchien zusammenbrachen und sich erstmals demokratische Regierungsformen auf breiter Basis etablierten. Das Christkönigsfest wurde als anachronistischer Versuch eingeführt, diese Entwicklung aufzuhalten.

Jesus nur ein Fantast?

Das Königtum des Christus-Königs selbst hatte jedoch nichts mit politischen Ambitionen oder einem jüdischen Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht zu tun. Er erklärte unumwunden einerseits: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“, andererseits: „Ja, ich bin ein König!“ Zugleich nennt er seine Aufgabe als König in dieser Welt: für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Pilatus fragte ihn dann noch: „Was ist Wahrheit?“

Warum dieser kleine Satz aus dem heutigen Evangelium weggelassen wurde, verstehe ich nicht. Pilatus hatte das Interesse am Gespräch mit dem jüdischen Rabbi Jesus nach dessen letzten Worten bereits völlig verloren. Er stellt die Frage nicht, um von Jesus eine Antwort zu bekommen, sondern eher im Sinne von: „Ach was, Wahrheit, was kann das schon sein?“ Mit Jesus steht da seiner Meinung nach nur ein weiterer Fantast, der glaubt, er habe ein Monopol auf die Wahrheit.

Jesu Nachfolge als Königsweg

Die Frage nach dem „Was?“ ist eigentlich zum Scheitern verurteilt. Es geht vielmehr um die Frage „Wer ist die Wahrheit?“ Pilatus hatte das offenbar nicht begriffen. Gott ist die Wahrheit! Das ist die Botschaft Jesu. Jesus macht deutlich, dass die Wahrheit nur verstanden werden kann im Dialog mit Gott. Man kann die Wahrheit ahnen, sich ihr nähern durch Nachdenken und Zweifeln. Besitzen aber kann man sie nicht.

Die volle Wahrheit existiert nur jenseits der menschlichen Definition. Das enttarnt alle, die in dieser Welt behaupten, sie besäßen die Wahrheit: Dies ist ein Macht- und kein Wahrheitsanspruch. Die von Jesus vertretene Wahrheit steht auf der anderen Seite. Sie ist parteiisch und tritt ein für die gefährdete, mit den Füßen getretene Würde des Menschen. Sie weist die Mächtigen in die Schranken, erschüttert ihre Gewissheit. Sie ist gerade deshalb aufklärerisch, weil sie sich als nicht von dieser Welt versteht. Jesus geht es nicht um die Macht, sondern um die Wahrheit, für die er mit seinem Leben bis zum Tod Zeugnis gibt.

„Ich bin die Wahrheit!“ (Joh 14,6) – solch einen Satz ungeheurer Wucht, Zumutung und Anmaßung hat keiner gewagt. Buddha nicht. Mohammed nicht. Niemand in der Menschheitsgeschichte, außer diesem jüdischen Wanderprediger. Jesus zu folgen, ist der wahre Königsweg. Dann gehören wir zu den Königskindern.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Christkönigssonntag / Lesejahr B finden Sie hier.

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