Neue Professorin an der Universität Vechta forscht zum Angebot der Kirchen

Darum ist die Telefonseelsorge für unsere Gesellschaft so wichtig

  • Warum suchen Menschen Rat bei der Telefonseelsorge?
  • Professorin Walburga Hoff, neu an der Universität in Vechta, hat dazu geforscht und lobt diese Einrichtung der Kirchen.
  • Vier Geschäftsstellen gehörten zur Untersuchung, auch von der Telefonseelsorge in Hamm liegen Ergebnisse vor.

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Mit welchen Fragen rufen Menschen bei der Telefonseelsorge an? Und warum gerade dort? Fragen, denen Walburga Hoff wissenschaftlich nachgegangen ist. Die Professorin an der Universität Vechta legt dazu Anfang 2022 ein Buch vor. Im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ zieht sie aus ihren Ergebnissen jetzt diesen Schluss: „Die Kirche leistet da einen ungemein wichtigen Beitrag für die Gesellschaft.“ Indem sie in einer „sich rasant wandelnden Gesellschaft“ solche „niedrigschwelligen Lebens- und Glaubenshilfen“ biete. Allerdings vertrete sie das nicht genug in der Öffentlichkeit.

Walburga Hoff ist als Theologin und Sozialwissenschaftlerin neu an der Universität Vechta und arbeitet seit dem Sommer auf der bischöflichen Stiftungsprofessur „Soziale Arbeit und Ethik“.

 

Gespräche bei Telefonseelsorge anonym

 

Buchtipp:
Walburga Hoff/Christiane Rohleder
Psychosoziale Beratung und Soziale Arbeit. Empirische Befunde zur gesellschaftlichen Relevanz niedrigschwelliger Angebote am Beispiel der Telefonseelsorge.
Verlag Barbara Budrich, 2021,
300 Seiten, 36 Euro,
ISBN 978-3-8474-2409.
Sie können das Buch bei unserem Partner Dialogversand bequem direkt bestellen. (erhältlich ab Februar 2022)

Wer Telefonseelsorge erforschen will, stößt auf ein Problem: Die Gespräche bleiben anonym und sie werden nicht aufgezeichnet. Klassisches Material, das als Grundlage für eine Forscherin dienen könnte, hatten Walburga Hoff und ihre Mitautorin Christiane Rohleder also nicht.

Sie konstruierten einen Ausweg: Erinnerungsprotokolle. Ausgewählte Kräfte der Telefonseelsorge wurden darin ausgebildet, Gespräche nachträglich zusammenfassen und einzuschätzen. Dazu wurden 54 ehrenamtliche Telefonseelsorger aus vier Standorten ausgewählt: Köln, Berlin, Bremen und Hamm.

 

Weniger wegen Suizid

 

Was sich schnell bestätigte: Die Ankündigung, sich selbst zu töten, spielt viel weniger eine Rolle als früher. So hatte die erste Telefonseelsorge in den USA 1892 als Antwort auf die steigenden Suizidzahlen in den Industriestädten des Westens begonnen.

Heute sei die Telefonseelsorge der Kirchen eher anders wichtig, sagt Walburga Hoff. Weil dort jemand bei allen Sorgen zuhöre, ohne sofort Einsatz zu erwarten – anders als etwa in einer Beratungsstelle.

 

Offenes Angebot

 

Walburga Hoff ist neue Professorin für Soziale Arbeit an der Universität Vechta und hat über Telefonseelsorge geforscht. | Foto: Universität Vechta
Walburga Hoff ist neue Professorin für Soziale Arbeit an der Universität Vechta und hat über Telefonseelsorge geforscht. | Foto: Universität Vechta

Die Telefonseelsorge biete sich den Menschen in Krisen einfach an, sagt Walburga Hoff. „Ohne die Absicht, deren Probleme zu lösen oder gar die Menschen verändern zu wollen.“ Sie verspreche dem Ratsuchenden, ihn erst einmal vorbehaltlos anzunehmen. „Das ist das Entscheidende, das die Telefonseelsorger der Beratungsarbeit voraus hat.“

Diese Möglichkeit sei gerade in der modernen Gesellschaft wichtig. Denn die formuliere hohe Ansprüche an Leistung und Selbstverwirklichung. „Die Telefonseelsorge ist einer der wenigen Orte, die keine Arbeit am eigenen Ich erfordern.“

 

Früher Gemeindereferentin

 

Walburga Hoff ist Seelsorge selbst nicht fremd. Die Wissenschaftlerin hat nach einem Theologiestudium zunächst als Gemeindereferentin im Bistum Trier gearbeitet, neun Jahre im Rheinland.

Bei der alltäglichen Arbeit wurde ihr Interesse an sozialwissenschaftlichen Fragen geweckt. Sie studierte Erziehungswissenschaften und Soziologie, begann dann eine Hochschulkarriere, die sie zuletzt von der Katholischen Hochschule NRW in Münster nach Vechta führte.

 

Nicht nur Methoden lernen

 

Die Beschreibung ihrer Professur, „Soziale Arbeit und Ethik“, habe sie sofort gereizt. In der Sozialen Arbeit sei bei allen Ungewissheiten bei der Begleitung von Menschen eines verständlich: der Ruf nach Konzepten und Methoden. „Wenn man aber Soziale Arbeit darauf reduziert, verliert sie ihre grundlegende ethische Orientierung.“ Deshalb sei auch danach zu fragen, „was Menschen in ihrem Handeln bewegt und welche Deutungsmuster sie leiten“.

Die Universität Vechta unterhält im Fach Soziale Arbeit acht Arbeitsbereiche, einer davon ist der Bereich „Soziale Arbeit und Ethik“, den nun Professorin Walburga Hoff vertritt. Die Professur dort ist eine Besonderheit, weil sie von der katholischen Kirche der Region finanziert wird. Das Bischöflich Münstersche Offizialat in Vechta hatte 2005 diese Professur gestiftet. Damals wurde die Katholische Fachhochschule für Sozialwesen in Vechta aufgelöst und mit der Universität zusammengelegt. (fjs)

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