Nicole Gorris-Vollmer aus Oldenburg beginnt C-Musiker-Ausbildung

Darum wird eine Hausärztin (50) Kirchenmusikerin

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Musik ist seit der Kindheit ihr Leben. Nur nicht die Orgel. Die hat Nicole Gorris-Vollmer nun ganz neu und mit viel Mühe spielen gelernt. Weil die Ärztin aus Oldenburg in ihrer Gemeinde St. Marien nebenamtliche Organistin werden will.

Es ist ausgerechnet ein Adventslied. Ein Lied, das Nicole Gorris-Vollmer für eine Organistin als „richtig schwer“ bezeichnet. „O komm, o komm Emanuel“, sagt sie, „Gotteslob Nummer 754“. In den Wochen vor Weihnachten wird sie es oft genug spielen müssen, auf der Orgel in der Kirche St. Marien Oldenburg.

Denn die 50-jährige Hausärztin mit Praxis mitten in der Stadt hat eine zusätzliche Ausbildung begonnen: zur nebenamtlichen Kirchenmusikerin. Den sogenannten C-Kurs, den alle deutschen Bistümer einheitlich anbieten, ein zweijähriger Kurs mit einer Abschlussprüfung. Für das Bischöflich Münstersche Offizialat hat die Ausbildung jetzt mit Kursen in der Universität Vechta begonnen, immer am Donnerstagabend.

Messen ohne Orgel?

Nicole Gorris-Vollmer lebt seit 1996 in Oldenburg, seitdem ist die Gemeinde St. Marien ihre Heimat. Dort setzt sie sich ein, saß auch schon im Pfarreirat. Was dort vorgeht, beobachtet sie genau. Vor sieben Jahren zum Beispiel fiel ihr auf, dass die nebenamtlichen Organisten in der Gemeinde älter wurden, vielleicht bald zu alt für ihren Einsatz. „Es wurde absehbar, dass es Messen ohne Orgel geben würde“, sagt sie.

Für Nicole Gorris-Vollmer undenkbar. „Ich wollte nicht, dass dieses feierliche musikalische Element im Gottesdienst wegfällt.“ Und eine Lösung hatte sie bald vor Augen: selbst spielen.

Musik war ihr Leben

Obwohl ihr die Orgel als Instrument völlig fremd war. Andere Instrumente allerdings nicht. Nicole Gorris-Vollmer hat mit sechs Jahren Blockflöte und mit elf Jahren Querflöte gespielt, mit 14 Jahren dann „sehr intensiv“ Musik gemacht. „Musik war mein Leben“, sagt sie, „jede freie Stunde war Musik.“

Aber professionelle Musikerin habe sie nicht werden wollen. Das ganze Leben das machen, was sie schon als Jugendliche gemacht hatte? Lieber nicht. Wohl weiter Musik, aber als Amateurin.

Nah bei alltäglichen Nöten

Dieser Kurs hat jetzt im Oldenburger Land die Ausbildung zu nebenamtlichen C-Kirchenmusikern begonnen. Hier eine Stunde in Gehörbildung bei Manuel Uhing aus Oldenburg. | Foto: Franz Josef Scheeben
Dieser Kurs hat jetzt im Oldenburger Land die Ausbildung zu nebenamtlichen C-Kirchenmusikern begonnen. Hier eine Stunde in Gehörbildung bei Manuel Uhing aus Oldenburg. | Foto: Franz Josef Scheeben

So habe sie sich für ein Medizinstudium entschieden. Und schließlich auch hier sehr bewusst für die Fachärztin für Allgemeinmedizin. „Ich wollte nicht einfach Spezialistin sein, sondern den Menschen nah sein in ihren alltäglichen Nöten.“

Beim Nachdenken über die Orgelprobleme in St. Marien sei ihr deshalb auch der Gedanke gekommen: „Mach’s doch! Mach die Musik, die auch gebraucht wird von den Menschen!“

Denn die Musik ist weiter ihr Leben geblieben, Querflöte in der Kammermusik, später auch beim Jazz, im Chorgesang. Nur eben immer nach eigenen Vorlieben. Am 1. Mai 2016 begann sie mit dem Orgelunterricht, bei Manuel Uhing, hauptamtlicher Kirchenmusiker in der Nachbargemeinde St. Willehad.

Eine eigene Orgel zu Hause

Sie konnte sich die Anschaffung einer eigenen kleinen Orgel leisten, hatte zu Hause auch den Platz, sie aufzustellen. Und sie nahm sich Zeit zu üben. Vom Orgelspiel spricht sie mit großem Respekt. Etwa Tastatur und Pedale getrennt zu spielen – „schon besonders!“

Über Monate vertiefte sie sich in das neue Instrument. „Bis ich das erste kleine Stück spielen konnte, hat es einen Monat gedauert“, erinnert sie sich. „Ein einfaches Lied, mit Pedal.“ Sie überlegt: „Nummer 149 im Gotteslob.“

Schwieriger Anfang

Am 1. September 2016 spielte sie das erste Mal in der Kirche, in einer Werktagsmesse am Freitagabend. Zwei Monate darauf wagte sie die erste Sonntagsmesse. „Da musste die Gemeinde über einiges hinweghören“, sagt sie und lacht. „Denn das hat man gemerkt, dass ich Anfängerin war.“ Dankbar sagt sie heute: „Wenn die Gemeinde das nicht so breit unterstützt hätte!“

Entmutigen ließ sich die Orgel-Anfängerin also nicht. Auch wenn sie ihre Zeit im Alltag neu organisieren musste. Die Mutter von drei Töchtern ist neben der Arbeit in der Praxis noch politisch aktiv für die Grünen im Gemeinderat der Stadtrandgemeinde Hatten. Zudem setzt sie sich intensiv für ein Entwicklungsprojekt in Sierra Leone ein.

Zeit für Orgel geschaffen

Zeit schuf sie sich, nachdem sie in ihrer Praxis eine weitere Ärztin einstellen konnte. Inzwischen arbeitet sie in einer Viertagewoche. Auch, um Zeit für die Orgel und für die Musik in der Kirche zu haben.

Denn beim Orgelunterricht habe sie gemerkt: „Das Verhältnis von Lernen zu Leben ist hier traumhaft: Man kann alles in den Dienst stellen für andere.“ So sei das Orgelspiel „zur Sucht, aber auch zur Erfüllung“ geworden.

Neue Musiker gefunden

Besonders freut sich Nicole Gorris-Vollmer, dass sie mit ihrem Einsatz in der Gemeinde St. Marien etwas angestoßen hat. In der Kirche, wo Gottesdienste ohne Orgel drohten, spielen inzwischen neun nebenamtliche Musiker. Nachdem Nicole Gorris-Vollmer den ersten Schritt gemacht hat.

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