Rituale können Trauernden helfen - das zeigen die Bilder der Trauer um Königin Elizabeth II. eindrucksvoll. Zugleich werden kirchliche Begräbnisse und Traditionen kaum noch nachgefragt. Annette Saal über einen bemerkenswerten Widerspruch.
Welch ein Hype um eine Frau, die im gesegneten Alter von 96 Jahren gestorben ist, mag mancher angesichts der Trauer-Feierlichkeiten um Königin Elizabeth II denken. Manche werden sich möglicherweise gern von Prunk und Pracht überwältigen lassen – wieder andere könnte die Neugier auf Höfisches treiben. Doch ganz sicher sind unter den Millionen, die die Überführung, kilometerlange Trauerzüge und die Beisetzung verfolgen, viele, die echte Trauer empfinden, das Bedürfnis, sich von einer Jahrhundert-Monarchin zu verabschieden.
Die Zahlen lassen staunen: Bis zu drei Millionen Menschen erweisen der verstorbenen Queen allein die letzte Ehre in der Westminster Hall. Eine merkwürdige, übergreifende Gefühlslage, ein Gemisch von Trauer und Dankbarkeit prägt diese Tage. Was nicht verwundert: Eine vorbildlich pflichtbewusste, tief gläubige Sympathieträgerin ist gegangen. Sie hat einen würdevollen Abschied verdient.
Struktur ins Gefühlschaos
Dabei helfen Traditionen und Rituale. Von denen halten gerade die Engländer eine Menge. So ist auch bei den Trauer-Feierlichkeiten um Königin Elizabeth alles bis ins Detail geregelt. Weltliche und kirchliche Abschiedszeremonien greifen ineinander, bringen Struktur ins Gefühlschaos.
Rituale haben vor Jahrzehnten auch beim Abschiednehmen von „Normalsterblichen“ geholfen. Beim Tod eines Menschen kamen Nachbarn zusammen, um gemeinsam zu beten und den Alltag in der ersten schweren Zeit bewältigen zu helfen. Leider ist das in der heutigen Zeit kaum noch zu finden.
Halt gebende Rituale
Auch kirchliche Begräbnisse mit ihren Halt gebenden Ritualen werden immer weniger nachgefragt. Erst kürzlich wurde gemeldet, der Anteil der kirchlichen Beisetzungen in Deutschland sei erstmals auf unter 50 Prozent gesunken. Dazu wird das Image der Institution Kirche einiges beigetragen haben.
Dass so viele darauf verzichten, in traurigen Zeiten auch auf diese Weise gestützt zu werden, ist schade. Denn dass es einen Bedarf an tröstenden Ritualen gibt, steht angesichts der Vorgänge in England außer Frage.