Künstler Karl-Martin Hartmann vollendet Bild-Zyklus am Niederrhein

22 neue Kirchenfenster für gotische Nicolai-Kirche in Kalkar

  • Die letzten von insgesamt 22 großen Kirchenfenstern des Künstlers Karl-Martin Hartmann werden zurzeit in der gotischen Kirche St. Nicolai in Kalkar eingebaut.
  • Die Fenster zeigen unter anderem physikalische Entdeckungen wie den Galaxien-Haufen Abell 2218 oder den Kometen Hale-Bopp.
  • Der Zyklus gilt als eine der größten und teuersten Neuausstattungen einer Kirche mit Glasmalerei in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Anzeige

Das große Werk des Glasmalers und Naturwissenschaftlers Karl-Martin Hartmann für die niederrheinische Kirche St. Nicolai in Kalkar steht kurz vor der Vollendung: Handwerker bauen in diesen Tagen die letzten zwei der insgesamt 22 großen Kirchenfenster ein. Seit dem Jahr 2000 ist die gotische Kirche St. Nicolai sukzessive mit den neuen Fenstern ausgestattet worden.

„Die Fenster sind wahre Glaubensbotschaften. Sie leuchten, auch wenn sie nicht unbedingt hell sind. Sie geben Licht, weil das Glas bevorzugt opal ist“, sagt Pfarrer Alois van Doornick. Die starke Farbenpracht der Fenster setze einen einzigartigen Kontrapunkt zu den Eichen-Altären von St. Nicolai aus dem 15. und 16. Jahrhundert.

 

Viel Lob von 91-jähriger Kirchenführerin

 

Auch die langjährige Kirchenführerin in St. Nicolai, Maria Umbach, ist von den farbenstarken und motivreichen Fenstern begeistert: „Es ist Kunst für das dritte Jahrtausend. Man kann nur staunen über Detailgenauigkeit und die intensive Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten.“ Die 91-Jährige hat unzähligen Besuchern das mit mittelalterlicher Kirchenkunst reich ausgestattete Gotteshaus erklärt und wird mit dabei sein, wenn am 18. September im Rahmen einer Vesper die Handwerker und der Künstler die Gesamtschau betrachten können.

Bei dem Fenster-Zyklus handelt es sich um eine der größten und teuersten Neuausstattungen einer Kirche mit Glasmalerei in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Die scheinbar abstrakte Ornamentik zeigt physikalische Entdeckungen wie den Galaxien-Haufen Abell 2218 oder den Kometen Hale-Bopp. Teilchenphysik und Astrophysik sind zwei Stichworte aus der Naturwissenschaft, mit der sich Hartmann intensiv beschäftigt hat.

 

Abstrakte Ornamentik und physikalische Phänomene

 

„Gott und Teilchenphysik finden in Kalkar zusammen“, sagt van Doornick zu den Symbolen der Fenster. So zeigt die Glasmalerei hinter dem Hochaltar beispielsweise die Kollision von Atomkernen in einem Teilchenbeschleuniger, einem Gerät, in dem etwa Atome oder Moleküle durch elektrische Felder auf große Geschwindigkeiten beschleunigt werden.

Die komplizierten Ornamente in den Fenstern bestehen aus bis zu 350 Glasstücken pro Feld, die sich aus mehr als 15.000 Glasstücke pro Fenster summieren. Hartmanns Glaskunst seien ein einzigartiges Zusammenspiel von Glas mit Licht und Farbe, sagt van Doornick: „Seine Kunst besitzt die Fähigkeit, die Atmosphäre des Gebäudes zu verändern.“

 

Hilflosigkeit bei der Sinnfrage

 

Bei der Vorstellung seiner Fenster in Kalkar sagte Hartmann einmal: „Mein Ziel war es, etwas für diesen Ort zu machen, damit er als Sakralort erfahrbar ist und ihn auch Menschen nutzen können, die nicht im katholischen Glauben stehen.“ Hartmann selbst ist evangelisch hat sich als „Glaubenssuchender“ bezeichnet. Über die Tiefe seiner sakralen Kunst sagte er: „Es geht letztendlich doch um eine Hilflosigkeit, die uns alle beschleicht, wenn wir uns die Sinnfrage stellen.“

Der vom Niederrhein stammende frühere Erzbischof von Hamburg, Werner Thissen, deutet die Fenster so: „Ein Kunstwerk betrachten kann wie Gebet sein. Thomas von Aquin spricht davon, dass der endliche Mensch ein natürliches Verlangen hat nach dem Unendlichen, eine Sehnsucht, die über alles Endliche, auch über ihn selbst hinausgeht. Auch solche Sehnsucht können die Fenster wecken und steigern.“

 

Bistum Münster fördert Kunst

 

Thissen hatte in den 1990er Jahren als damaliger Generalvikar des Bistums Münster maßgeblich das Kunstprojekt auf den Weg gebracht und gefördert. Zusammen mit Bischof Felix Genn wird Thissen die letzten zwei Fenster am 3. Oktober im Corona-bedingen kleinen Rahmen segnen.

Die Kirchenfenster in der Gesamtheit können ab dem 19. September betrachtet werden. Derzeit ist die Kirche im Innenraum täglich von 14 bis 16 Uhr geöffnet. An jedem Sonntag ist um 12 Uhr eine öffentliche Kirchenführung.

 

Spenden werden noch benötigt

 

Um Spenden bemüht sich weiterhin der Förderverein St. Nicolai Kalkar. Das Kunstprojekt ist in den vergangenen 20 Jahren zu 40 Prozent vom Bistum Münster gefördert worden, zehn Prozent steuern Kulturstiftungen des Landes Nordrhein-Westfalen bei. Einige Fenster konnten dank der Kalkarer Bruderschaften und Gilden realisiert werden. Vom Förderverein heißt es: „Noch ist ein ganzes Fenster zu finanzieren.“
 

Anzeige