Chefredakteur Markus Nolte zur Ablehnung des Rücktrittsgesuchs durch Papst Franziskus

Das Nein für Marx ist auch ein Ja zu Woelki

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Papst Franziskus nimmt das Rücktrittsgesuch des Münchner Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx nicht an. Daran überrascht vieles. Nicht zuletzt, dass dieses Nein ein mehrfaches Ja impliziert. Das lässt nichts Gutes ahnen, meint Markus Nolte, Chefredakteur von "Kirche-und-Leben.de".

Wieder ein Nein aus Rom. Doch anders als das erschreckend eindeutige Nein vor ein paar Monaten zu der Frage, ob es einen Segen für gleichgeschlechtliche Paare geben könne, klingt das neue Nein zum Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx wie ein ambivalentes Ja. Es klingt positiv, weil der Reformer Marx bleibt. Aber darin schwingt noch ein weiteres Ja mit, das Anlass zu großer Sorge gibt. Doch der Reihe nach.

Die kurze Frist von nur gut drei Wochen zwischen Rücktrittsgesuch des Kardinals und Antwort des Papstes offenbart auch sprachlich eine sachlich unangebrachte, lässig-hastige Entschiedenheit von Franziskus im Fall von Kardinal Marx. Mit Blick auf Köln indes hat sich Franziskus Zeit gelassen. Im Dezember legte Kardinal Woelki sein Schicksal „in die Hände des Papstes“, fünf Monate später gibt es – erst einmal eine Visitation in Köln.

 

Das fixe „Nix da!“ des Pontifex

 

Das fixe „Nix da!“ des Pontifex zu Marx‘ Bitte indes lässt keinen Zweifel zu: Der Papst will, dass der Erzbischof weitermacht, und zwar in München, wie gehabt. Das freut menschlich viele Gläubige nicht nur im Erzbistum. Das dürfte allen eifrigen Bedenkenträgern zum Trotz auch ein gutes Signal an den Synodalen Weg sein. Und das kann als theologisch-theoretische Solidaritätsadresse zu Marx‘ Engagement für eine Kirche „auf andere Art“ gelesen werden.

Aber: Dass völlig ungeklärt ist, wie Marx mit Missbrauch und Vertuschung in Trier und München umgegangen ist, spielt keine Rolle. Das ist höchst bedenklich und lässt befürchten: Das päpstliche Nein ist nicht nur ein Ja zu Marx, sondern auch zu der Auffassung, der „institutionellen Verantwortung“ für Missbrauchs-Aufklärung könnten die institutionell Verantwortlichen am besten selber nachkommen.

 

Klassisches klerikales Kreisen um sich selbst

 

Das ist das klassische klerikale Kreisen um sich selbst, in dem die Betroffenen nicht im Ansatz vorkommen und die Konkretheit der Konsequenz gescheut wird. Verbunden mit dem Argument der Treue gerade der Kardinäle bis zum Kreuz – ein überwuchtig überhöhendes Argument – entspricht das gleichwohl exakt der Auffassung nicht von Marx, sondern von Kardinal Woelki. Der Kölner Erzbischof hängt ja dieser frappierend selbstsicher vorgetragenen Unlogik an, er müsse im Amt bleiben, damit sich etwas ändern kann.

Marx hingegen hatte doch so sehr betont, dass er zurücktreten wolle, ja, müsse, damit der „tote Punkt“ wirklich überwunden werden kann. Klar, damit stellte sich die Frage, wer dann überhaupt Bischof bleiben kann. Diese notwendige Diskussion, kirchliche Gewissenserforschung und - ja - womöglich professionell begleitete Selbstanalyse aber, die ja nicht zwangsläufig zu Kollektiv-Rücktritten führen müsste, hält Papst Franziskus offenkundig für nicht nötig.

Das ist – bei aller Sympathie für Marx – ein fatales, ein enttäuschendes Signal. Dieses Nein aus Rom ist ein Ja zu Marx – und wohl auch zur Auffassung von Kardinal Woelki, wie Missbrauchs-Aufklärung und Verantwortungsübernahme auf katholisch aussehen.

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