Neue Sicht auf die weltberühmten Aufzeichnung eines jüdischen Mädchens in der Nazi-Zeit

„Das Tagebuch der Anne Frank“ als Comic

Die Aufzeichnungen des jüdischen Mädchens Anne Frank sind weltberühmt. Ihrem Tagebuch vertraut sie an, wie sie während der Nazi-Zeit versteckt in einem Amsterdamer Hinterhof lebt. Jetzt gibt ein Comic ihre Erfahrungen wieder. Kann das funktionieren?

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Kaum ein Buch aus der Zeit, in der in Deutschland Krieg, Terror und Judenverfolgung herrschten, wurde so oft und viel gelesen wie das „Tagebuch der Anne Frank“. Regisseur Ari Folman und Illustrator David Polonsky schafften es nun, diese bewegende Geschichte in eine neue Darstellungsform zu bringen.

Ein „Graphic Diary“, also ein Comic, erzählt auf 160 Seiten von der düsteren Zeit, in der sich Anne zusammen mit ihren Eltern, ihrer Schwester Margot, der Familie van Pels und dem Zahnarzt Fritz Pfeffer im Hinterhaus eines Amsterdamer Firmengebäudes vor den Nationalsozialisten versteckt. Sie alle sind Juden. Menschen, die die Nazis für nicht lebenswert halten, sie verfolgen und töten.

 

„Kitty“, ihre beste Freundin

 

Anne ist eine aufgeweckte junge Frau, hat großes Interesse an Jungen und fühlt sich im Versteck eingeengt. Deshalb vertraut sie sich ihrer besten Freundin an, ihrem Tagebuch „Kitty“. Ob es um die Rivalität zu ihrer Schwester Margot oder ihre Gefühle zu Peter van Pels geht: Kitty kann sie alles erzählen, was sie während der schweren Zeit bewegt. Die Geschichte ist weltberühmt.

Und doch setzen Folman und Polonsky das Werk so sehr in ein neues Licht, dass es sich in jedem Fall lohnt, sich die Geschichte noch einmal in illustrierter Ausgabe anzuschauen. Viele von Annes Tagebucheinträgen wurden unverändert übernommen oder zusammengefasst. Ergänzt werden sie durch fiktive Dialoge und Szenen, die beispielsweise die von Anne beschriebenen Streitigkeiten zwischen den acht Untergetauchten lebendig darstellen. Geprüft und autorisiert wurden die dazugekommenen Dialoge vom Anne-Frank-Fond in Basel, das sich für die Verbreitung des Tagebuchs einsetzt.

 

Teenager in Krieg und Judenverfolgung

 

Die Szenen werden von Comiczeichner David Polonsky eindrucksvoll und mitreißend dargestellt. So drücken sich Annes Verzweiflung und Angst in Träumen und Fantasieszenen mit einer dunklen und bedrückenden Farbstimmung aus. Doch auch Anne Franks Wünsche und Träume kommen in kreativen und bunten Szenen zum Thema. Beispielsweise schaut sich die filmbegeisterte Anne die Frisuren der weiblichen Filmstars ihrer Zeit ab. Dabei wird ein Eindruck davon vermittelt, was im Kopf einer jüdischen Heranwachsenden während des Holocausts vorgeht.

Ari Folman, David Polonsky, Anne Frank: „Das Tagebuch der Anne Frank“Ari Folman, David Polonsky, Anne Frank: „Das Tagebuch der Anne Frank“, 160 Seiten, gebunden, 20 €, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2017, ISBN 978-3-10-397253-5

Der Comic bietet älteren Kindern und Jugendlichen eine gute Möglichkeit, sich mit der Geschichte von Anne Frank, dem Nationalsozialismus und der Judenverfolgung auseinanderzusetzen. Aber auch Erwachsene lernen die als aufgeweckt geltende junge Frau in dieser ungewöhnlichen Darstellungsform noch einmal neu kennen.

Wie im Original endet der Comic, kurz bevor Anne Frank, die anderen Untergetauchten und einige Helfer von der SS verhaftet werden, nachdem das Versteck verraten wurde. Daraufhin wird beschrieben, wie es weitergeht: Sie alle werden in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ein Jahr später kommt Anne gemeinsam mit Margot nach Bergen-Belsen. Beide sterben wenige Wochen vor der Befreiung des Konzentrationslagers an Typhus. Annes Vater Otto Frank ist der einzige Überlebende der acht Untergetauchten. Er sorgte dafür, dass das Tagebuch seiner Tochter veröffentlicht wurde.

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