Zu Besuch im Café Malta, das nicht nur bei Demenzerkrankten beliebt ist

„Bingo? Singen? Bilder malen? Das kam mir erst 'kinnerig' vor“

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Dass sie “ein bisschen klöterig” werden und mal mehr mal weniger vergessen, wissen sie alle. Bei einigen beginnt auch klar die Demenz. Umso wichtiger ist das Café Malta in Visbek für sie. Jeden Mittwoch treffen sie sich dort. Ein berührender Besuch.

Eine fehlt noch. „Montag habe ich sie noch gesehen, da war sie noch gut zufrieden“, sagt eine Frau mit grauen Haaren. Abgemeldet habe sie sich auch nicht. „Sie hat sich bestimmt mit der Zeit vertan.“ Die anderen nicken, als Petra Blome sagt: „Ich ruf mal bei ihr an.“

„Es kann ja immer mal was dazwischenkommen“, meint eine Frau mit geblümter Bluse in verständnisvollem Tonfall. Das heißt, eigentlich sagt sie: „,tüsken‘ kommen“. Denn die Frauen am gedeckten Tisch im Pfarrheim der St.-Vitus-Gemeinde im oldenburgischen Visbek (Kreis Vechta) sprechen untereinander fast durchweg plattdeutsch, so wie sie es von Kindheit an gewohnt sind. „Wie hebbt ja immer nur Platt schnackt“, heißt es aus der Runde.

Mittwochs, halb drei bis halb sechs

Nach und nach füllt sich der Tisch mit Gästen, die Koordinatorin Petra Blome und ihre ehrenamtlichen Kolleginnen von den Maltesern an der Pfarrheimtür in Empfang nehmen. Meist bringen Familienmitglieder sie mit dem Auto. Einige werden auch von zu Hause abgeholt.

Mittwochs, halb drei bis halb sechs  – das ist der feste Termin der Gruppe, die wöchentlich das Angebot namens „Café Malta“ in Visbek nutzt. Der Treffpunkt ist einer von rund 50 ähnlichen, die die Malteser in ganz Deutschland eingerichtet haben: mit Kaffee und Kuchen, Gesprächen und Spielen.

Nicht nur für Menschen mit beginnender Demenz

„Für Menschen mit beginnender Demenz“ heißt es dazu auf der Internetseite des Verbands. „Das ist aber hier nicht so“, betont Petra Blome. Etwa die Hälfte der Teilnehmerinnen zeige zwar erste Symptome, die andere Hälfte aber nicht“. Einen Pflegegrad dagegen haben alle zehn Teilnehmerinnen. Die jüngste Frau ist 75, die ältesten sind über 90.

Das Café Malta in Visbek hat Platz für maximal zehn Gäste. In größeren Gruppen würden sich die meisten nicht wohlfühlen, weiß Petra Blome. Sie haben das schon ausprobiert. „Mit bis zu 15 Plätzen plus vier bis fünf Betreuerinnen.“ Das habe aber nicht gepasst. „Da reden dann zu viele gleichzeitig.“

Großer Gesprächsbedarf

Es duftet nach Kaffee, und die Frauen sind schon munter im Gespräch, als Birgit Bert und Elisabeth Surmann Kaffee einschenken und Kuchen verteilen. Gemeinsam mit Monika Westerhoff sind sie als Ehrenamtliche aus dem 15-köpfigen Team für heute eingeteilt.

An Themen mangelt es nicht. „Der Gesprächsbedarf ist immer groß“, erklärt Petra Blome. Das sei auch kein Wunder. „Die meisten sitzen ja sonst viele Stunden allein zu Hause. Für einige ist das Treffen der Höhepunkt der Woche.“

Frauen unter sich

Nachdem Monika Westerhoff alle begrüßt hat, nutzen die Frauen die Gelegenheit zum Austausch über das, was sie gerade bewegt: ihre neue Physio-Therapeutin zum Beispiel, der Pflegedienst, Krankheiten, Neuigkeiten aus dem Dorf, die Enkel oder ihre Erfahrungen mit dem Hausnotruf.

Die Frauen sind unter sich. Einmal sei ein Mann in der Runde gewesen, aber nicht lange. „Alle sind mittlerweile Witwen. Wir Frauen werden eben älter als Männer“, erklärt eine. Ein Teil lebt mit den Kindern und deren Familien unter einem Dach, manche bekommen Essen auf Rädern.

Anfängliche Vorbehalte

Nicht alle waren von Anfang an begeistert dabei. Maria zum Beispiel, die nur ihren Vornamen in diesem Artikel lesen möchte, hatte Vorbehalte. Kaffee und Kuchen, ja. Aber singen? Bingo spielen? Bilder ausmalen? „Das kam mir ,kinnerig‘ vor“. Die 91-Jährige erklärt, was sie meint: „Eben für mein Alter keine passende Beschäftigung.“

Mittlerweile weiß sie aber auch das Programm zu schätzen, das neben der Kaffeetafel zu den Treffen gehört: den Impuls am Beginn, Spiele, Bewegungsübungen im Stuhlkreis. „Ich komme wieder ein bisschen in meine Kindheit zurück“, sagt sie. Und ihr Lächeln zeigt, dass sie das eigentlich gar nicht zu schlecht findet. „Mittwochs braucht mir jedenfalls keiner mit einem anderen Termin zu kommen.“

“Sonst wäre ich allein zu Hause”

Einige der anderen nicken, als sie achselzuckend sagt: „Wenn es ausfallen würde, wäre ich allein zu Hause.“ Nicht, dass das ein Problem wäre, betont sie. „Ich kann es auch wohl allein aushalten. Aber es würde dennoch etwas fehlen.“

Ähnlich wie ihr geht es auch einigen der anderen. Sie erzählt von ihrem Sohn und seiner Frau, die mit im Haus wohnen und beide berufstätig sind. Vom Mittagessen, das sie sich selbst macht – noch jedenfalls. „Es wird nicht einfacher“, sagt sie, lacht, und es klingt wie eine Entschuldigung, als sie anfügt: „Aber mit meinen 91 Jahren darf das ja wohl auch sein.“

Treppensteigen zu den Kindern

Ins Obergeschoss steigt sie nur noch einmal im Jahr, Heiligabend. Plastisch schildert Maria, wie ihr Sohn und seine Frau ihr dann helfen, die Treppe hochzukommen. Einer stütze sie von hinten, ein anderer vorne. Sie lächelt, als sie davon erzählt. Ganz schön viel Aufwand.

Den Vorschlag, bei ihr unten in der Wohnung Weihnachten zu feiern, hat sie trotzdem abgelehnt: „Bleibt ihr ruhig oben. Dann kann ich ins Bett gehen, wenn ich müde bin, und ihr könnt noch länger zusammensitzen.“

“Sie erzählt die ganze Woche davon”

Auch die Angehörigen spüren, wie wichtig das Café Malta ist. Nicht nur, weil sie sich dann für drei Stunden keine Gedanken darüber machen müssen, ob mit der Mutter oder dem Vater alles in Ordnung ist. Petra Blome hat gestern noch mit einer Tochter gesprochen: „Mama will da unbedingt hin“, habe sie gesagt. Und weiter: „Sie erzählt die ganze Woche davon. Wie toll das ist, und was sie da alles gemacht haben.“

Mit dem Thema Vergesslichkeit gehen die Frauen am Tisch gelassen um. „Natürlich kann ich mir nicht mehr so viel merken wie früher, vergesse Namen und so“, sagt eine der Frauen. Aber das passiere schließlich auch schon mal Jüngeren. „Und auch, wenn wir etwas klöterig werden. Immerhin können wir uns hier noch miteinander unterhalten.“

Volkslieder-Bingo 

Später beim Volkslieder-Bingo erzählen die Frauen mit großem Respekt von einer anderen aus der Runde, die heute nicht dabei ist: „Sie ist sonst schon sehr vergesslich. Aber wenn wir singen, kann sie alle Texte auswendig. Meistens sogar mehrere Strophen.“

Im zweiten Teil werden alle noch im Kreis ein wenig Gymnastik machen. Bewegungsspiele mit und ohne Ball. Und dann geht es wieder nach Hause. „Halb sechs – das reicht auch. Länger muss nicht.“ sagt Maria. Und freut sich schon auf nächste Woche Mittwoch.

Café Malta
„Café Malta“ heißt das Entlastungsangebot der Malteser für Menschen mit beginnender Demenz und ihre Angehörigen. Bedingung für die Teilnahme ist Pflegebedürftigkeit der Gäste. Finanziert wird das Projekt über die monatlich bis zu 125 Euro, die allen pflegebedürftigen Menschen, die zu Hause versorgt werden, als Entlastungsbetrag zustehen. Die Betreuung geschieht über eine Fachkraft und geschulte Ehrenamtliche. Im Bistum Münster gibt es Angebote außer in Visbek unter anderem in Münster, Telgte, Nordenham, Brake und Drensteinfurt. Weitere Infos unter www.malteser.de.

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