Redakteur Michael Rottmann zur Entfernung der Grabplatte eines Missbrauchs-Pfarrers

Denkmäler für Täter beleidigen die Opfer

Anzeige

Das hat es im Bistum Münster noch nie gegeben: Die Grabplatte eines Missbrauchspfarrers muss vom Friedhof von Markhausen verschwinden. Die Gremien der St.-Marien-Pfarrei im oldenburgischen Friesoythe haben das einstimmig beschlossen. Ein richtiger und wichtiger Schritt, meint Redakteur Michael Rottmann. Und beispielhaft.

Kann diese Entscheidung ertragenes Leid wiedergutmachen? Kann sie Unrecht beseitigen? Kann sie erlittene seelische Verletzungen heilen? Die Antwort lautet Nein. Und dennoch ist der Schritt richtig und wichtig, zu dem sich die St.-Marien-Pfarrei entschlossen hat: die Grabplatte eines des schweren sexuellen Missbrauchs beschuldigten damaligen Pfarrers von dessen Grab zu entfernen.

Es geht dabei nicht darum, einen sündig gewordenen Menschen posthum zu bestrafen. Es geht auch nicht darum, einem Toten die bleibende Würde abzusprechen. Sondern es geht um etwas Wichtigeres, hinter das alles andere zurücktreten muss. Nämlich das, was Pfarreirat und Kirchenausschuss  von Friesoythe als Grund für die Entfernung der Grabplatte nennen: dass „das Leid der Betroffenen nicht unnötig verlängert wird“.

Die andere Perspektive

Genau das muss Richtschnur sein: das „Leid der Betroffenen“: ihre Perspektive, ihre Sicht, ihre Verletzungen, ihre Gefühle. Wer kann sich ausmalen, wie es für sie gewesen sein muss, wenn seit mehr als 50 Jahren unter dem zentralen Friedhofskreuz an ihren Peiniger erinnert wird? Ausgerechnet dort, wo die Pfarrer der Gemeinde einen Ehrenplatz bekommen? Gut, dass damit jetzt Schluss ist!

Sicher – wiedergutmachen kann die Gemeinde mit ihrem Schritt nichts. Aber sie hat klar Kante gezeigt und ein Beispiel für andere gegeben. Wer die Perspektive der Betroffenen konsequent ein- und annimmt, kann gar nicht anders.

Anzeige