Jens Joest über die Zulassung muslimischer Gebetsrufe – nicht nur in Köln

Der Muezzinruf gehört zu Deutschland

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An immer mehr Orten in Deutschland werden muslimische Gebetsrufe erlaubt, so am heutigen Freitag in Köln. Das sollte selbstverständlich sein, argumentiert unser Redakteur Jens Joest. Zudem sollten auch Christen ein Interesse an der Zulassung von Muezzinrufen haben.

Ab sofort ist jeden Freitag für fünf Minuten der Gebetsruf des Muezzins an der Ditib-Zentralmoschee in Köln zu hören. So ungewohnt das noch ist, so selbstverständlich sollte es sein für eine Gesellschaft, die Religionsfreiheit und -ausübung schützt.

Natürlich hat der Ruf Symbolkraft, gerade an der großen Kölner Moschee. Dennoch täte Gelassenheit gut. Sie ist nicht die erste deutsche Moschee, die öffentlich zum Gebet rufen darf, wohl aber eine der prominentesten. Zudem gibt es Auflagen der Stadtverwaltung: Stärker als 60 Dezibel darf der Ruf nicht sein. Ein etwas erregtes Gespräch übertrifft diese Lautstärke spielend. Zudem sind nur fünf Minuten Ruf pro Woche erlaubt.

Gehört der Islam zu Deutschland?

Ja, der Muezzin ruft das islamische Glaubensbekenntnis und transportiert so eine Botschaft – anders als der Klang von Kirchenglocken. Aber die Zulassung des Gebetsrufs erkennt schlicht gesellschaftliche Realitäten an.

Gehört der Islam zu Deutschland? Historisch gesehen eher nicht. Aber Muslime gehören zur Gesellschaft: Jeder zwanzigste Einwohner – mehr als fünf Prozent – bekennt sich heute zum Islam, er ist die größte Religionsgemeinschaft im Land nach dem Chris­­tentum. Damit gehören auch islamische Rituale zu Deutschland – wie der Gebetsruf.

Anreiz zur Offenheit für muslimische Gemeinden

Gleichwohl sollten staatliche Stellen das letzte Wort haben bei Anträgen für den Muezzinruf. Denn eine einheitliche Vertretung haben die Muslime in Deutschland bis heute nicht und manche Hinterhof-Moschee steht unter polizeilicher Beobachtung.

Die Zulassung von Gebetsrufen kann auch ein Anreiz für muslimische Gemeinden sein: Wer sich der Öffentlichkeit öffnet, wer die Grundwerte der deutschen Gesellschaft lebt und verteidigt, wer nicht in Fremdsprachen Obskures predigt, der gehört in unsere Mitte – auch hörbar.

Warum Christen Muezzinrufe unterstützen sollten

Vielleicht sollten auch Christen solche Moscheegemeinden unterstützen. Denn der Muezzinruf – genau wie das Glockenläuten der Kirchen – ist eine öffentliche Erinnerung an einen Gott und unsere Verantwortung vor ihm.

Wer auf Dauer Muezzinrufe blockiert, darf sich nicht wundern, wenn eine säkulare Gesellschaft irgendwann Sturm läuft gegen das Glockenläuten vor der 8-Uhr-Messe am Sonntag.

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