Ein Leitartikel zur Synodalversammlung in Frankfurt von Chefredakteur Markus Nolte

Der Synodale Weg bestimmt seinen Kurs: Bischöfe und Laien wollen Reformen

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Wird der Synodale Weg mehr sein als die Wiederholung von "Hauptsache, wir haben drüber gesprochen?" Nach dreitägigen Beratungen in Frankfurt geht heute die zweite Synodalversammlung zu Ende. Chefredakteur Markus Nolte war dabei. Er meint in seinem Leitartikel: Eine Revolution stand nicht zur Debatte, aber der Kurs steht klar auf Reformen. Auch bei den Bischöfen.

Wenn man manchen Pressemeldungen und "Lautsprechern" zu viel Glauben schenkt, könnte man meinen, morgen würde in der katholischen Kirche das Priesteramt abgeschafft, anschließend trotzdem Frauen zu Priestern geweiht und nebenbei noch der Zölibat entsorgt. Stattdessen dürften - spätestens übermorgen - homosexuelle Paare sich das Sakrament der Ehe spenden, und in den Bistümern müssten sich alle vier Jahre diverse Menschen im Wahlkampf ums Bischofsamt behaupten. Überhaupt würden nach dieser Machtübernahme der Laien die Kirche neu erfunden, Lehre und Tradition in einer deutschen Nationalkirche außer Kraft gesetzt, an deren Spitze eine von Missbrauch betroffene non-binäre Person definiert, was wahr ist.

 

Traum oder Albtraum, beschlossen ist nichts

 

Für die Einen Traumvision, für die Anderen Albtraum - indes: Von all dem kann natürlich keine Rede sein. Nichts davon hat die Synodalversammlung beschlossen, die heute nach dreitägigen Beratungen in Frankfurt endet. Das konnte der Reformprozess namens Synodaler Weg auch gar nicht, schon gar nicht jetzt. Denn in dieser Vollversammlung der insgesamt 230 Synodalen ging es "nur" um die Erste Lesung.

Das heißt: Die Textvorlagen, von Synodalen und Experten in den vier Foren zu Macht, Priestern, Sexualität und Frauen erarbeitet, standen zur ersten Beratung bereit. Bis zum 20. September konnten alle Synodalen online Änderungen beantragen. Änderungskommissionen haben diese Anträge begutachtet und mit einer Empfehlung in der Synodalversammlung vorgestellt. Anschließend wurde - digital und geheim - über die Änderungsanträge abgestimmt.

Und das mit großem Erfolg: Sämtliche Textvorlagen sind als solche angenommen werden - mal mit überwältigender Mehrheit wie bei jener zur Sexualität, mal mit ziemlich knapper wie bei der über die priesterliche Existenz. Im Februar gehen die Texte in die zweite Lesung, bevor es zu endgültigen Entschlüssen kommen kann, letztlich wohl erst nach einer Verlängerung des Synodalen Wegs im Frühjahr 2023.

 

Angstfrei, freimütig, fair

 

Ja, es gab extreme Stimmen. Es ist großartig, dass sie geäußert wurden. Weil sie geäußert werden durften und konnten. Dass das möglich war, angstfrei, freimütig, vor wachen und fairen Zuhörern, die in den allermeisten Fällen sämtliche Wortmeldungen unkommentiert ließen, auch wenn es ihnen schwerfiel - das ist ein großes Verdienst der zutiefst geistlichen und daher respektvollen Grundatmosphäre des Synodalen Wegs. Und, auch auch diese beklagenswerte Feststellung muss sein: Das wäre noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen.

Wenn es so etwas wie den "Geist von Frankfurt" gibt, dann hat er sogar möglich gemacht, dass ein Teilnehmer sich in einem Redebeitrag zu seiner Homosexualität, seiner Leidgeschichte und seinem bewegenden Kampf mit Gott bekennen konnte. Das war einer der Höhepunkte dieser Tage.

 

Demokratie? Synodalität? Hierarchie?

 

Ein kleiner Schritt in demokratischen Gesellschaften, ein großer für die katholische Kirche, die Amt und Demokratie noch nicht zusammenbringt, aber auch nicht richtig erklären kann, was "Synodalität" von ihr unterscheidet und wie sie funktioniert.

Und die nicht die Spur einer Ahnung davon hat, was bei all dem aus der Hierarchie wird, was aus dem Sakrament, ohne die katholische Kirche im Fundament nicht gedacht werden kann. Manche macht das depressiv, manche derart fuchsteufelswild, dass sie unerträgliche Dinge sagen - Hierarchen wie Demokraten.

 

Reformen, damit die Kirche bleibt

 

Die Mehrheiten bei den Abstimmungen aber zeigten überdeutlich: Die mit großem Abstand meisten Synodalen sind auf dem Synodalen Weg, weil sie an ihrer Kirche hängen, an der Botschaft Jesu, weil sie um Glaubwürdigkeit ringen und darum, wie die beste aller Botschaften dieser Welt den Menschen beim Leben helfen kann. Die Mehrheit will Reformen, weil sie wollen, dass die Kirche bleibt.

Wie gesagt: Beschlossen ist noch gar nichts. Aber erreicht ist eine ganze Menge. Denn auch wenn laut Geschäftsordnung erst ab der nächsten Synodalversammlung das Abstimmungsverhalten der Bischöfe explizit ausgewiesen werden kann: In den allermeisten Fällen war schon jetzt in Frankfurt klar, dass mindestens zwei Drittel der Bischöfe wie die Priester und Laien Reformen der katholischen Kirche für unabdingbar halten.

 

Auch die Bischöfe schaffen Reform-Mehrheiten

 

Da war im Vorfeld etwas ganz anderes befürchtet worden, und nicht zuletzt die Rolle der Weihbischöfe war schleierhaft. Sie machen etwas mehr als die Hälfte der Bischofskonferenz aus. Das ist viel, wenn eine Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe Voten der Synodalversammlung kippen kann. Nach diesem Treffen in Frankfurt sind die Chancen jedenfalls erfreulich größer, dass es soweit nicht kommen muss.

Der Synodale Weg hat mit allen Beteiligten seinen Kurs bestimmt: Es muss und soll mehr Beteiligung von Laien, nicht zuletzt von Frauen in Leitung und Liturgie geben. Es braucht eine tiefgründende Erneuerung des geistlichen Amtes, auch des Bischofsamtes, den Zölibat inklusive. Aus dem Leid, das die Kirche mit ihrer Sexualmoral vielen Menschen angetan hat, muss eine Neubewertung von Sex, Beziehung, nicht zuletzt von Homosexualität und eine Neuvergewisserung über Ehe und Familie erwachsen.

 

Enorme Wucht

 

Wie es damit weitergeht, wird man sehen. Offenkundig hat diese klare Richtungsanzeige enorme Wucht. So enorm, dass etwa die Bischöfe Woelki, Voderholzer, Oster und Hanke am letzten Frankfurter Abend aufs gemeinsame Abendessen mit allen anderen Synodalen verzichteten, um beim Italiener nebenan mit dem Apostolischen Nuntius Eterovic die Köpfe zusammenzustecken.

Doch auch die Reaktionen anderer internationaler Beobachter, die etwa aus Luxemburg und Polen zum Synodalen Weg eingeladen wurden, zeigten deutlich: Was hier in Deutschland geschieht, wirkt international und stößt auf höchstes, positives Interesse, weil es um Fragen geht, "die alle europäischen Länder betreffen", wie der Luxemburger Théo Préporté sagte. Er wolle den Synodalen Mut machen weiterzugehen.

Das ist eine feine Geste. Doch Mut haben die Bischöfe, anderen Geistlichen und Laien in Frankfurt tatsächlich schon bewiesen. Auch wenn manche wohl über sich selber noch ein bisschen erschrocken waren.

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