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Am Sonntag wird Oscar Romero von Papst Franziskus heiliggesprochen. Der Erzbischof von San Salvador wurde 1980 erschossen. Heute schmückt sein Bild auch das Büro des deutschen Botschafters in El Salvador. Ein Grund, aber nicht der einzige: Bernd Finke ist Ständiger Diakon des Bistums Münster. „Kirche-und-Leben.de“ hat mit ihm gesprochen.
Herr Finke, was bedeutet Ihrer Wahrnehmung nach die Heiligsprechung von Oscar Romero für die Gläubigen in El Salvador?
Oscar Romero ist in El Salvador allgegenwärtig – nicht erst seit seiner Seligsprechung vor drei Jahren oder nach Bekanntgabe der Heiligsprechung. Sein Foto schmückt seit Jahrzehnten T-Shirts, Häuserwände, Autos, Hütten aus Wellblech, den Präsidentenpalast und natürlich jede katholische Kirche im Land. Straßen, Plätze und der internationale Flughafen sind nach ihm benannt. Und er ist weiterhin in vieler Munde, wenn es darum geht, ein Ende der Gewalt und mehr soziale Gerechtigkeit einzufordern. Dass Oscar Romero, 38 Jahre nach seiner Ermordung, nun heiliggesprochen wird, versetzt El Salvador in eine Art Ausnahmezustand. Die Menschen sind stolz auf den ersten Heiligen aus El Salvador. Und dass viele Salvadorianer Oscar Romero noch zu Lebzeiten gekannt haben, verleiht seiner Heiligsprechung eine ganz besondere Note. Wer hat schon persönlichen Kontakt zu einem richtigen Heiligen? Und mit Romero wird auch Papst Franziskus gefeiert, der den Prozess der Seligsprechung und nun der Heiligsprechung entscheidend vorangetrieben hat.
Wie geht die Politik El Salvadors mit dieser Heiligsprechung Oscar Romeros als Märtyrer um? Seine Ermordung war ja hochpolitisch…
Bernd Finke (55) stammt aus Duisburg. 1990 trat er in den Auswärtigen Dienst ein, der ihn nach New York City, Sankt Petersburg und Rom führte. 2012 wurde er Botschafter in Sambia, 2016 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in El Salvador. 2007 weihte ihn der damalige münstersche Weihbischof Franz-Josef Overbeck zum Ständigen Diakon. mn | Foto: pd
Ja, die Ermordung Romeros hat sozusagen den Startschuss für den zwölfjährigen Bürgerkrieg in El Salvador gegeben. Die damalige ideologische Polarisierung der Gesellschaft besteht in Teilen bis heute fort. Für die einen war Romero der unerschrockene Anwalt der Armen. Für andere war er ein Kirchenmann, der sich zu sehr in die Tagespolitik eingemischt und damit seinen Tod mit provoziert hatte. Diese Sicht auf Romero gibt es zum Teil noch heute, aber sie wird hinter vorgehaltener Hand geäußert. In der Öffentlichkeit ist keine Kritik an der Heiligsprechung zu hören.
Sie sind selber nicht nur Botschafter der Bundesrepublik, sondern auch Diakon. Was bedeutet Oscar Romero für Sie persönlich?
Diakon sein, heißt ja, Diener sein, heißt, dem Dienst der Kirche an den Armen Gestalt und Stimme zu geben. Ich persönlich hinke diesem Anspruch leider oft weit hinterher. Oscar Romero hat ihn mit Leben erfüllt. Er ist, wie man so schön sagt, in Gott eingetaucht und bei den Armen wieder aufgetaucht – ohne Kompromisse, ohne Aber. Das wünschte ich mir für mein Diakonsein auch. Oscar Romero ist mir in dieser Perspektive ans Herz gewachsen. Sein Foto schmückt inzwischen auch mein Büro in der Botschaft.
Was kann Oscar Romero Gläubigen in Deutschland sagen?
Oscar Romero wird ja als Märtyrer verehrt, als jemand, der für seinen Glauben gestorben ist. Aber das Wort Märtyrer bedeutet zu allererst „Zeuge sein“. Das ist eine bleibende Botschaft Romeros auch für uns Christen in Deutschland – dass wir unseren Glauben sichtbar machen müssen. Wir dürfen den Glauben nicht im stillen Kämmerlein einschließen oder ihn auf den sonntäglichen Messbesuch beschränken. Wir leben in Deutschland in einer Gesellschaft, in der der Glaube zu verdunsten droht und in der die Menschen, und leider auch viele Christen, nicht länger mit der Präsenz des lebendigen Gottes rechnen. In so einem Umfeld liegt der überzeugendste Beweis für die Existenz Gottes im lebendigen Zeugnis von uns Christen. Wir müssen glaubhaft und sichtbar machen, dass das Leben schöner und reicher ist, wenn man Christ ist. Das ist das, was uns Romero zu sagen hat: Von uns als Christen muss Leben ausgehen und Trost und Gerechtigkeit, Mut für den kommenden Tag und Hoffnung für die Zukunft.
Das ZDF überträgt die Heiligsprechung von Oscar Romero, Papst Paul VI. und vier weiterer Gläubiger am 14. Oktober live aus dem Vatikan. Die rund 165-minütige „ZDF spezial“-Sendung moderieren ZDF-Redakteur und Moderator Andreas Klinner sowie der ZDF-Vatikanexperte Jürgen Erbacher nach Senderangaben am 14. Oktober ab 9.30 Uhr. | KNA