Therapeutin: Krebs frisst sich in die Seele und die Beziehungen

Diagnose Krebs – Wie Psycho-Onkologen Patienten helfen

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Wer Krebs hat, leidet nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Oft frisst sich die Krankheit in die Beziehung zum Partner, zu Verwandten und Freunden hinein. Psychoonkologische Beratung und Begleitung kann den Betroffenen helfen.

Die Diagnose ist ein Schock: Krebs! Die Krankheit konfrontiert die Betroffenen mit ihrer eigenen Endlichkeit. Laut Christine Alterhoff, Psychologische Psychotherapeutin an der EOS-Klinik in Münster, erkrankt jeder zweite Deutsche im Lauf des Lebens an Krebs. Sogar jeder Vierte sterbe daran, sagt sie.

„Mit steigender Alterung der Gesellschaft sind immer mehr Menschen betroffen.“ Der Diagnose schließt sich meist ein Rattenschwanz an Behandlungen an: Chemotherapien, Bestrahlungen, Operationen, Physiotherapien, Lymphdrainagen. Doch nicht nur der Körper leidet, sondern auch die Seele.

 

Krebs frisst sich in die Seele und die Beziehungen

 

„Es gibt eine hohe Hemmschwelle, sich in dieser Situation psychologische Hilfe zu holen“, weiß die Leiterin der Psychoonkologischen Ambulanz der von den Alexianern geführten EOS-Klinik in Münster. „Viele Patienten denken nicht an so eine Möglichkeit.“ In zertifizierten Krebszentren gehöre das psychoonkologische Angebot zwar zum Standard. „Nur wird nicht jeder Krebspatient in solchen Einrichtungen behandelt.“

Die Psychoonkologie befasst sich mit den seelischen und sozialen Folgen von Krebs und bietet dazu Hilfen an, sagt die promovierte Psychotherapeutin. Die Krankheit konfrontiere die Patienten nicht nur mit dem eigenen Siechtum und Tod. Sie fresse sich auch in die Beziehungen zum Partner, zu Verwandten und Freunden hinein.

 

Die Angst vor der Wiederkehr

 

Sei der Krebs nach einer Zeit intensiver Therapie besiegt, bleibe meist die Sorge vor seiner Wiederkehr. „Ein weiteres Problem ist, dass man sich vor der Krankheit nicht schützen kann. Die Ursachen sind unklar“, sagt Alterhoff. Zwar gebe es Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol, Übergewicht, mangelnde Bewegung, genetische Veranlagungen, Umweltgifte und UV-Strahlen – diese führten aber nicht automatisch zur Erkrankung. „Krebs hat vielschichtige Ursachen“, sagt Alterhoff.

Christine Alterhoff.
Christine Alterhoff ist Psychoonkologin an der EOS-Klinik in Münster. |Foto: Karin Weglage

Ziel der psychoonkologischen Begleitung sei es, Patienten und Angehörigen zu helfen, die Belastungen besser zu verarbeiten. Gemeinsam mit dem Therapeuten können die Betroffenen Strategien zur Bewältigung der Krankheit und ihrer Folgeerscheinungen entwickeln. Am Ende sollen sie in der Lage sein, wieder am normalen Alltag teilzunehmen. Doch nicht jeder Patient wird dauerhaft geheilt.

 

Drei Phasen, in denen Psychoonkologen helfen können

 

Alterhoff unterscheidet drei Phasen, in denen die psychoonkologische Beratung und Begleitung hilfreich eingreifen kann: während der Zeit der Diagnose, die häufig von Entsetzen und Schock geprägt ist, beim Abschluss der medizinischen Behandlung, der oft von Unsicherheit begleitet ist, und wenn es zu einem Fortschreiten der Krankheit kommt. „Rund ein Drittel der Krebs­patienten benötigen diese Unterstützung“, sagt Alterhoff. Die Betroffenen seien ängstlich, fühlten sich angespannt oder depressiv. Mancher Patient müsse sich von seinen Zukunftsplänen verabschieden. Da sei Trauer eine natürliche Reaktion.

„Ziemlich häufig kommen aber auch psychovegetative Symptome vor“, sagt die Therapeutin: etwa Schlaflosigkeit und Fatigue. Unter Fatigue versteht man eine quälende und anhaltende körperliche, emotionale und/oder geistige Erschöpfung, oft verbunden mit körperlicher Schwäche, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen und Ängstlichkeit.

 

Hilfe bei völliger Erschöpfung

 

 „Fatigue spielt eine große Rolle und tritt relativ häufig auf“, sagt Alterhoff. Akute Fatigue betreffe nahezu alle Patienten während der medizinischen Behandlung, sagt sie. „Sie  verschwindet aber meist nach zwei bis drei Monaten.“ Die Hälfte der Krebspatienten habe jedoch eine chronische Fatigue im Nachgang der Therapien. Sie könnte bis zu dreieinhalb Jahre andauern.

Auch starke körperliche Beeinträchtigungen nach einem chirurgischen Eingriff und Schmerzen wirken sich auf die Psyche aus. Eine veränderte Sexualität kann die Partnerschaft belasten. Nicht zuletzt quälen sich viele Patienten mit der Ursachen-Forschung: „Was hat mich krank gemacht? Bin ich selbst schuld daran, oder wer hat Schuld? Warum bin ich gerade jetzt erkrankt?“, nennt sie Beispiele. Solche Fragen seien wenig hilfreich.

 

„Es gibt keine Krebspersönlichkeit.“

 

Alterhoff führt Studien an: Danach glaubten 50 Prozent der Betroffenen, dass seelische Probleme für die Entstehung von Krebs verantwortlich sind. Sie seien zudem davon überzeugt, dass eine kämpferische Herangehensweise an die Krankheit wesentlich zur Heilung beitragen könne. „In den Siebzigerjahren sprach man sogar von einer Krebspersönlichkeit“, sagt Alterhoff. „In den Neunzigern galt Stress als Krankheitsfaktor.“ Die Wissenschaft habe das alles inzwischen widerlegt.

„Es gibt keine Krebspersönlichkeiten. Depressive Menschen erkranken nicht häufiger an Krebs als Nicht-Depressive. Ein direkter Zusammenhang von Stress, Sinnkrisen oder psychischen Belastungen besteht nicht.“ Kampfgeist verbessere nicht die Prognose. „Psychologische Faktoren beeinflussen allerdings indirekt das Krankheitsgeschehen“, sagt sie. Gerade diese Erkenntnisse seien wichtig, signalisierten sie doch dem Patienten: „Ich kann mir emotionale Krisen erlauben. Ich muss nicht immer positiv und zuversichtlich sein“, sagt Alterhoff.

 

Techniken gegen das Grübeln

 

Nach heutiger Erkenntnis ist das Alter ein wesentlicher Risikofaktor. Breit gestreute Vorsorge-Untersuchungen haben dazu beigetragen, dass der Krebs früher erkannt wird. Eine frühzeitige Diagnose erhöhe die Behandlungschancen, sagt Alterhoff.

Auch gegen die Fatigue kann man etwas tun. „Reha-Sport und Nordic Walking helfen“, sagt Alterhoff, „viel schlafen und lernen, mit der zur Verfügung stehenden Energie umzugehen, auch.“ In den Gesprächen mit dem Psychoonkologen könne man auch lernen, mit Gefühlen umzugehen. „Es gibt zum Beispiel Grübel-Stopp-Techniken“, sagt Alterhoff.

 

Was Krebspatienten hilft

 

„Es ist nicht leicht, anzunehmen, dass es nicht so weitergeht wie bisher“, weiß sie. Hilfreich sei, über Ängste und Sorgen zu sprechen und einen achtsamen und akzeptierenden Umgang mit sich selbst und der Krankheit zu finden. Allein zu bleiben brauche man mit den seelischen und sozialen Folgen nicht, macht sie Mut für eine Begleitung.

Hilfe für Krebspatienten
Hilfe bieten niedergelassene Psychoonkologen und Psychologen an. Die Kosten übernehmen in der Regel die Krankenkassen. Mehr Infos unter www.krebsinformationsdienst.de

Hilfe bieten auch psychoonkologische Ambulanzen: in Münster etwa die Psychoonkologische Ambulanz der EOS-Klinik, Hammer Straße 13, Telefon 0251/686022105. Auch hier übernehmen die Kosten in der Regel die Krankenkassen. Die EOS-Klinik hat zudem eine telefonische Sprechstunde. Sie ist kostenlos.

In vielen Städten gibt es Krebsberatungsstellen und Tumor-Netzwerke. Darüber lassen sich auch Selbsthilfe-Gruppen finden. Die Krebsberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen findet man unter www.krebsgesellschaft-nrw.de , die in Niedersachsen unter www.nds-krebsgesellschaft.de

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