Auslegung der Sonntagslesungen von Pastoralreferentin Anne Gravendyk

Die Botschaft des 2. Adventssonntags (A)

Die beste Nachricht dieses Sonntags finden Sie hier! Pastoralreferentin Anne Gravendyk erklärt, was die Lesungen im Gottesdienst heute zu sagen haben. Und das Evangelium gibt es zum Anhören dazu.

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„Wenn du nicht sofort …“ Jeder möge den Satz ergänzen mit den Worten, die er kennt. Irgendwann haben wir solche Sätze alle schon einmal gehört. Wie auch immer die Ergänzung aussehen mag und welche Personen uns dazu einfallen, eines passt immer: Der erhobene Zeigefinger, der diesen Satz begleitet. Mit einem erhobenen Zeigefinger, der steil nach oben weist, stellt der Priester und Maler Sieger Köder († 2015) Johannes den Täufer dar. „Wenn ihr nicht sofort …“ Wollte Johannes den Menschen drohen, sie ermahnen im Stile der Belehrungen, wie wir sie kennen?

Der Rufer in der Wüste, wie Johannes oft genannt wird, mahnte zur Umkehr. Doch wohin? Wer umkehrt, braucht ein Ziel, eine Richtung, etwas für das es sich lohnt, den altbewährten Weg zu verlassen.

 

Verhinderte Fülle

 


Das Evangelium zum Hören und Lesen.

In der Psychologie geht man davon aus, dass jedes Verhalten für den Menschen irgendeinen Gewinn bringt, und sei er noch so gering und wenig offensichtlich. Trotzdem lenkt uns unser Verhalten oft in eine falsche Richtung, die uns nicht weiterbringt und an einem Leben in Fülle hindert. Es ist schwer, das lang erprobte Verhaltensmuster zu unterbrechen und durch etwas zu ersetzen, das für uns und unsere Mitmenschen dienlicher ist.

Das Dienlichere, das Bessere, was Johannes den Menschen anbietet, ist nichts weniger als das Himmelreich. Das gilt allen, die zur Umkehr bereit sind. Allein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe – hier die Pharisäer und Sadduzäer – ist kein Freifahrtschein. Sie reicht nicht aus, um automatisch in das Himmelreich zu gelangen. Dazu braucht es mehr.

 

Das geht normalerweise nicht zusammen

 

Doch was braucht es? Es braucht den guten Willen, aus dem Geist Gottes zu leben. Einem Geist, wie er in der Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja beschrieben wird. Einem Geist, der für die Armen des Landes entscheidet und den Hilflosen gerecht wird. Jesaja beschreibt ein Reich der Friedfertigkeit und der Sanftmut, versinnbildlicht durch Tiere, die im wirklichen Leben nie und nimmer in Frieden zusammenleben würden, weil eines des anderen Beute ist. Wolf und Lamm, Panther beim Böcklein, Kalb und Löwe – das geht normalerweise nicht zusammen.

So wie bei uns Menschen. Da geht manches einfach nicht zusammen. Ein Zusammenleben scheint nicht möglich, weil einer sich vom anderen bedroht fühlt und faktisch oft auch wird. Kriege und Terror machen ein Leben, selbst ein blankes Überleben unmöglich. Menschen fliehen oder setzen an zur Gegenwehr. Anderswo sehen sich Menschen in ihrer Existenz bedroht, weil ihnen der Mindestlohn verwehrt wird. Andere werden Opfer von Gewalt in ihrer direkten Umgebung, meist sind es Frauen und Kinder. Wolf und Lamm, Panther beim Böcklein, Kalb und Löwe? Davon sind wir weit entfernt.

 

Wie auf Gott vorbereiten?

 

Aber „an jenem Tag“ wird es so sein, schreibt der Prophet Jesaja. An jenem Tag wird ein junger Trieb aus dem Baumstumpf Isais hervorgehen, der geisterfüllt für Gerechtigkeit und Frieden eintreten wird. Viele hielten damals Johannes selbst für diesen angekündigten Retter. Ihn, den großen Prediger, der die Menschen im Jordan taufte und ganze Scharen anzog mit seinen gewaltigen Worten. Aber Johannes machte ihnen klar: Ich bin es nicht. Ich sage nur, dass ihr euch auf sein Kommen vorbereiten und ihm den Weg ebnen sollt.

 

Die Autorin
Anne Gravendyk ist Pastoralreferentin und Mitarbeiterin im Referat Pastoralbetreuung im Generalvikariat.

Sich auf das angekündigte Kommen Gottes vorbereiten – wie kann das gehen? Es gibt vielerlei Weisen, wie wir uns auf Weihnachten vorbereiten. Wir tun Dinge praktischer wie geistlicher Art. Jeder und jede auf seine Weise. Doch ist da nicht noch etwas anderes? Steckt in den Lesungstexten des zweiten Advents nicht noch eine andere Botschaft?

 

Haben wir uns den Geist Gottes zu Eigen gemacht?

 

Was wir tun oder nicht tun, ist nur eine Seite der Medaille. Es gibt auch noch das, was dahintersteckt: unsere Haltung. Haben wir uns den Geist Gottes zu Eigen gemacht? Sind wir wirklich überzeugt, dass den Hilflosen und Armen Gerechtigkeit geschehen soll, auch wenn es zu unserem Nachteil wäre? Oder noch radikaler gefragt: Treibt uns nur das Mitleid und das Bedürfnis, uns selbst ein gutes Gefühl zu geben, indem wir etwas Gutes tun? Sind wir überzeugt, dass jeder Mensch als Geschöpf Gottes die gleiche Würde und damit das gleiche Anrecht auf ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden hat? Auf Liebe, auf Teilhabe und Freude am Leben, auf gute soziale Kontakte, die ihn durchs Leben tragen?

 Mit der Haltung, dass jeder Mensch so von Gott geliebt wird, wie er ist, sind wir enorm dabei, den Weg für die Ankunft des Herrn zu ebnen. Der Weg der Umkehr besteht weniger darin, alles anders zu machen, als vielmehr nach dem Geist zu fragen, der uns antreibt. Wenn es der Geist Gottes ist, sind wir auf dem richtigen Weg – der übrigens nicht nur in der Adventszeit ein guter Weg ist.

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