Auslegung der Lesungen von Pater Daniel Hörnemann

Die Botschaft des Weihnachtsfestes (A)

Was hat der „bekehrte Weihnachtshasser“ Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte mit dem Kind in der Krippe zu tun? Pater Daniel Hörnemann zeigt in seiner Auslegung der Festtags-Lesungen: eine ganze Menge.

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Was hat der „bekehrte Weihnachtshasser“ Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte mit dem Kind in der Krippe zu tun? Pater Daniel Hörnemann zeigt in seiner Auslegung der Christmetten-Lesungen: eine ganze Menge.

Alle Jahre wieder besucht der freundliche Neffe Fred seinen Onkel Ebenezer Scrooge, um ihm ein fröhliches Weihnachtsfest zu wünschen. Wie immer holt er sich eine bittere Abfuhr: „Weihnachten? Bah, dummes Zeug!“ Scrooge benutzt hier sein sprichwörtlich gewordenes „Humbug“, um Weihnachten – wie vielleicht viele Zeitgenossen ebenfalls – als Schwindel, Betrug, Täuschung, Unsinn sowie als Inbegriff der Verschwendung abzutun.

Die Hauptperson von Charles Dickens' „A Christmas Carol“ setzt drastisch hinzu: „Wenn es nach mir ginge, so müsste jeder Narr, der mit seinem ›Fröhliche Weihnachten‹ herumläuft, mit seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem Stechpalmenzweig im Herzen begraben werden.“

 

Ein armer Reicher

 

Dieser arme Reiche, der Mildtätigkeit und Barmherzigkeit nicht kennt, soll jedoch in der Weihnachtsnacht die Wende seines Lebens erfahren. Geister-Erscheinungen lassen sein bisheriges Leben an ihm vorbeiziehen, führen ihn zur Selbsterkenntnis und schließlich an sein eigenes künftiges Grab, an dem kein Mensch um ihn trauert. Sollte das alles gewesen sein?


Das Weihnachtsevangelium nach Lukas zum Hören und Lesen.

Charles Dickens war fast bankrott, als er 1843 in nur wenigen Wochen sein „Weihnachtslied“ verfasste. Es wurde mehr als bloß eine herzerwärmende, romantische Weihnachtsgeschichte, deren Erlös ihm momentan aus seiner Geldnot half. „Der Mann, der Weihnachten erfunden hat“ (Les Standiford) schrieb damit quasi ein alternatives, vom Humanismus geprägtes „Evangelium“. Eine Predigt gegen den Staat wie auch gegen die Kirche, die die unmenschlichen sozialen Verhältnisse im England in der Mitte des 19. Jahrhunderts nur noch verstärkt hatten.

 

Scrooge und die Bibel

 

Seine Hauptfigur erlebt die absolute Wandlung vom griesgrämigen, einsamen alten Geizhals Scrooge zu dem, was sein Vorname Ebenezer bedeutet: „Stein der Hilfe“, der daran erinnert: „Bis hierher hat uns der Herr geholfen“ (1 Sam 7,12). Erfüllt von guten Vorsätzen ruft Scrooge seinem armseligen Schreiber Cratchit am Ende das erlösende „Fröhliche Weihnachten, Bob!“ zu. Immer sagte man fortan von Ebenezer Scrooge, „er wisse Weihnachten recht zu feiern, wenn es überhaupt ein Mensch wisse. Möge dies auch in Wahrheit von uns allen gesagt werden können.“

Wurde bei dieser literarischen Person das Wirklichkeit, was Jesaja voraussah? Wie die Wandlung des Scrooge genau geschah, das lässt Dickens offen. Aber es wird deutlich: Ein Mann, der im Dunkeln lebte, sieht ein helles Licht. Das drückende Joch auf seiner Schulter, selbst auferlegt, wird zerbrochen, seine Ketten, die er sich selbst geschmiedet hat, werden gesprengt.

 

„Hat Weihnachten dir jemals etwas Gutes gebracht?“

 

Da ist der „wunderbare Ratgeber, starke Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ geheimnisvoll wandelnd am Werk (Jes 9,6). Selbst so eine gnadenlose Figur wie Scrooge kann sich bekehren, was letztlich nur auf das befreiende Handeln Gottes zurückgeht, dessen Gnade in Jesus Christus als Mensch den Menschen erschienen ist, „um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11).

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann ist Subprior der Benediktinerabtei Gerleve und Theologischer Berater von „Kirche+Leben“.|Foto: Markus Nolte

Zunächst scheint das in der Erzählung in weiter Ferne. So fragt Scrooge seinen Neffen mit bitterem Spott: „Hat Weihnachten dir jemals etwas Gutes gebracht?“ Doch dieser weiß ihm zu entgegnen: „Ich habe Weihnachten immer als eine gute Zeit betrachtet, als eine liebe Zeit, als die Zeit der Vergebung und Barmherzigkeit, als die einzige Zeit, die ich in dem ganzen langen Jahreskalender kenne, da die Menschen einträchtig ihre verschlossenen Herzen auftun und die anderen Menschen ansehen, als wären sie wirklich Reisegefährten nach dem Grabe und nicht eine ganz andere Art von Geschöpfen, die einen ganz anderen Weg gehen. Und daher, Onkel, wenn es mir auch niemals ein Stück Gold oder Silber in die Tasche gebracht hat, daher glaube ich doch, es hat mir Gutes getan, und es wird mir Gutes tun, und ich sage: ›Gott segne das Weihnachtsfest!‹“

 

Chance für einen Unmenschen

 

Charles Dickens' „Weihnachtslied“ ist eine Geschichte der Ermutigung, dass es nie zu spät ist, aus Festgefahren-Sein auszubrechen, der Einsamkeit und Verzweiflung zu entkommen, neues Vertrauen aufzubauen und abgebrochene Beziehungen aufleben zu lassen. Selbst ein alter Unmensch kann sich noch wandeln vom eisigen, hartherzigen Geldmann, vom Weihnachtshasser zum Verkünder der Weihnachtsfreude, wie sie die Engel auf den Feldern den Hirten zusprachen: „Ich verkünde euch eine große Freude, die alle Menschen erreichen soll“ (vgl. Lk 2,10).

Jesus Christus ist in unsere dunkle Welt hineingeboren worden, um ein für alle Mal Licht in sie hineinzubringen. Mit diesem Kind begann eine neue Zukunft, die immer noch nicht abgeschlossen ist. Daran kann jeder Anteil bekommen, der sich auf Weihnachten einlässt und auf die letzten Worte in Dickens' „Weihnachtslied“: „Gott segne jeden von uns.“

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