Anzeige
Die Caritas feiert ihre Gründung vor 125 Jahren. Und präsentiert sich zum Abschluss ihres Jubiläumsjahrs als selbstbewusster Akteur im Sozialstaat.
Das 125-Jahr-Jubiläum des Deutschen Caritasverbands fällt in Krisenzeiten. Zunächst verhinderte Corona größere Feiern, jetzt werfen die sozialen Verwerfungen durch Inflation und Energiekrise einen Schatten auf die Festveranstaltungen, die das Jubiläum beschließen.
"Kaum jemand von uns hat zu seinen Lebzeiten ein solches Aufeinandertreffen von sich gegenseitig verstärkenden Krisen erlebt", sagt Caritaspräsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Sie ist zugleich überzeugt: Um die Auswirkungen der Krisen sozial abzufedern, braucht es die politische Stimme der Caritas - genauso wie die konkreten Hilfsangebote des größten deutschen Wohlfahrtsverbands.
Angst vor Armut
Die Signale sind eindeutig: Schuldnerberatungen und Tafeln berichten von dramatisch gestiegener Nachfrage - vielerorts können nicht mehr alle Interessenten Hilfe erhalten. Hinzu kommt eine angespannte Flüchtlingssituation.
Die Angst vor Armut könnte in der Breite der Gesellschaft ankommen. Laut Statistischem Bundesamt lebt inzwischen jeder Dritte am Rand seiner finanziellen Reserven und kann sich plötzliche Ausgaben von mehr als 1.000 Euro nicht leisten. Auto oder Waschmaschine dürfen also nicht kaputt gehen.
Lösungen für viele Hilfesuchende
"Die Inflation birgt enormen sozialen Sprengstoff", sagt Welskop-Deffaa. Sie wurde zuletzt in die Kommission "Gas und Wärme" der Bundesregierung berufen, die gegensteuern will, etwa durch Gaspreisdeckel und schnelle Wohngeldreform.
Zum Jubiläum verweist die Caritas stolz auf die Vielfalt ihrer Angebote. Eine Internetseite präsentiert "125 Lösungen für eine bessere Welt". In Mannheim öffnete vor kurzem das erste Tageshospiz in Baden-Württemberg. Es begleitet unheilbar Kranke, die in ihrer Umgebung bleiben möchten.
In fast allen sozialen Bereichen aktiv
In Hannover unterstützen Haupt- und Ehrenamtliche Sinti und Roma bei der Berufsqualifizierung. In Dresden betreibt die Caritas ein Jugendhilfezentrum mit Wohnbereich für teils minderjährige Alleinerziehende. In Garmisch-Patenkirchen helfen Frauen beim Projekt "Leih-Omas" überlasteten Familien.
Kaum ein Bereich des Sozialstaats, in dem die Caritas nicht aktiv ist. In Köln unterstützt das "Zentrum für alleinerziehende Eltern" die besonders armutsgefährdete Zielgruppe. In Hamburg entstand eine queere Familienhilfe. In Magdeburg bietet die Caritas eine Aids-Anlaufstelle, in Berlin Räume als Erholungsort für kranke Wohnungslose.
Veranstaltungen zum Jubiläum
Für Vernetzung und Austausch steht der Caritas-Kongress, der das Jubiläumsjahr Ende Januar - in Berlin und online - abschließen soll. Mitfeiern wollen Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing.
Am Gründungstag 9. November lädt die Caritas nach Köln ein. Dort gelang es 1897 dem Freiburger Priester Lorenz Werthmann, die bis dato nebeneinander arbeitenden katholischen Sozialwerke unter einem Dach zu bündeln.
Fragen an die Verbandsgeschichte
Eine Internetseite erinnert zum Jubiläum auch an schwierige Zeiten des Verbands, etwa im Nationalsozialimus und in der DDR. Dabei kommt die Historikerin Petra Zeil zum Ergebnis, Caritas-Präsident Benedict Kreutz habe zwar zunächst auf Anknüpfungspunkte gehofft, sei aber dann rasch zum Gegner des NS-Regimes geworden. Allerdings liegt bislang keine breite historische Studie zur Geschichte der Caritas im Dritten Reich vor.
Auch an den im Verband hoch verehrten Gründer Werthmann gibt es inzwischen kritische Anfragen. So soll er Kolonialismus befürwortet haben, sagt der Freiburger Historiker Heiko Wegmann.
In Deutschland und international
Heute ist der Caritasverband mit fast 700.000 Mitarbeitenden und hunderttausenden Ehrenamtlichen der größte Wohlfahrtsverband Europas. Rund 8.000 rechtlich eigenständige Träger unterhalten bundesweit mehr als 24.000 Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Altenpflegeheime, ambulante Pflegedienste und Beratungsstellen. International viel beachtet ist das humanitäre und entwicklungspolitische Engagement des deutschen Hilfswerks "Caritas international".