Ein Verein kocht für Bedürftige – kürzlich haben Firmlinge dabei unterstützt

Die „Engel“ vom Bahnhofsplatz helfen Obdachlosen in Oldenburg

  • Die Ehrenamtlichen des Vereins „Oldenburger Straßenengel“ helfen Obdachlosen und Bedürftigen.
  • Zweimal die Woche bereiten sie Mahlzeiten zu, die sie auf dem Bahnhofsvorplatz ausgeben.
  • Kürzlich haben Jugendliche aus der St.-Willehad-Pfarrei mitgeholfen - im Rahmen der Firmvorbereitung.

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Heute sind es rund 64 Portionen, Reis mit Gemüse und Geschnetzeltes. Marion Sandker rührt alles noch einmal in der Pfanne um. „Ein typischer Mittwochseinsatz“, erklärt die zweite Vorsitzende der „Oldenburger Straßenengel“. Mit fünf Männern steht sie seit fast drei Stunden in der Küche.

Alles ist frisch geschnibbelt und gekocht. Die Lebensmittel hat das Team vorher eingekauft, aus Geldspenden für den Verein. Manchmal kommen weitere Gaben hinzu. Die evangelisch-freikirchliche Gemeinde zum Beispiel, die mittwochs ihre Küche im Gemeindezentrum zur Verfügung stellt, hat diesmal zusätzlich Entenkeulen spendiert.

Diesmal Geschnetzeltes aus Entenkeulen

„Die haben wir für das Geschnetzelte auseinandergepflückt“, sagt Dieter Hellmann. Der 73-Jährige gehört seit anderthalb Jahren zu den Straßenengeln. „Es macht mir Spaß zu helfen“, sagt der gelernte Koch. „Auch, wenn ich sehe, wie sich die Leute bei der Ausgabe freuen.“

Seit drei Jahren geben Teams der insgesamt rund 70 Helferinnen und Helfer des privaten Vereins „Oldenburger Straßenengel“ Woche für Woche vor dem Bahnhof Essensportionen an Obdachlose und Bedürftige aus. Anfangs nur samstags, mittlerweile auch mittwochs, bei Wind und Wetter.

Berührende Geschichten der Bedürftigen

An Menschen wie Ehrenfried zum Beispiel, der mit der Gruppe der anderen Obdachlosen und Bedürftigen vor der Lebensmittel-Ausgabe wartet. Der 79-Jährige mit dem grauen Vollbart erzählt von seinen Krankheiten und seinem Schicksal. Von Gehirnblutungen, dem Schlaganfall, seiner kranken Niere und, dass er sechs Wochen wegen Corona im Krankenhaus lag.

Und, wie er nach dem Tod seiner Freundin aus der gemeinsamen Wohnung geflogen sei und seine ganze Habe auf dem Müll landete. „Diesen Mantel trage ich schon lange, weil ich keine ordentliche Kleidung mehr besitze“, sagt er. Immerhin hat ihm die Stadt wieder eine kleine Wohnung vermittelt.

Arbeit aus Spenden finanziert

Für Menschen wie ihn hat Achim Heimhold nachmittags in der Küche Gemüse und Geschnetzeltes in Behältern abgefüllt, die für den Transport zum Bahnhof in eine Thermokiste kommen. Er ist zum zweiten Mal dabei. Die Agentur „Ehrensache“ der Stadt hat ihn an die Straßenengel vermittelt. „Mir geht es gut und ich wollte etwas tun für Leute, denen es nicht so gut geht, sagt der Rentner.

„Wir haben viele Menschen, die uns mit Geld- und Sachspenden unterstützen“, sagt Marion Sandker. Dazu zählen private Gruppen, aber auch Bäckereien, Fleischereien oder Händler. Außerdem arbeiten die Straßenengel mit der Oldenburger Tafel zusammen und stimmen sich mit dem „Kältebus“ der Johanniter ab. Der steuert ebenfalls regelmäßig den Bahnhof an.

Samstag helfen auch viele jüngere Leute

Der Verein „Oldenburger Straßenengel“ hat sich 2020 offiziell gegründet. Die Mitglieder helfen immer mittwochs und samstags vor allem Obdachlosen mit einer warmen Mahlzeit, Hygieneartikeln, Bekleidung, Brötchen, Kaffee, aber auch Tiernahrung. Die „Straßenengel“ finanzieren sich ausschließlich aus Geld- und Sachspenden. 2022 hat der Verein nach eigenen Angaben samstags insgesamt rund 3.400 und mittwochs 2.040 warme Mahlzeiten zubereitet und auf dem Bahnhofsplatz ausgegeben; außerdem mehr als 100 Schlafsäcke, Decken, Isomatten oder Campingkocher an Menschen verteilt, die aus unterschiedlichsten Gründen auf der Straße leben. Weitere Infos: www.strassenengel-ol.de.

Mittwochs sind meistens Rentner aus dem Ehrenamtlichen-Team im Einsatz. „Samstags auch sehr viele jüngere Leute“, sagt Marion Sandker. Die Zahnarzt-Mitarbeiterin ist seit etwas mehr als drei Jahren bei den Straßenengeln dabei. Und sie freut sich, dass im Januar auch Jugendliche aus der Firmvorbereitung der katholischen St.-Willehad-Pfarrei samstags mitgeholfen haben. „Vielleicht bekommen dadurch künftig noch mehr Gruppen Interesse an unserer Arbeit“, hofft sie.

Kurz vor 17 Uhr sammeln sich Menschen vor dem Ausgabe-Stand der Straßenengel am Bahnhof. Sie können sich neben den Mahlzeiten auch von dem Obst oder Brot nehmen, das durch die Kooperation des Projekts mit der Oldenburger Tafel bereit liegt. Oder sie lassen sich von den Ehrenamtlichen einen Kaffee einschenken.

Die meisten Bedürftigen kommen regelmäßig

„Die meisten, die wir unterstützen, kennen wir, weil sie regelmäßig kommen“, erklärt Marion Sandker. Menschen wie Ehrenfried. Oder Julia, die ebenfalls regelmäßig ansteht. „Nicht so sehr wegen dem Essen, sondern um Leute zu treffen“, sagt die 62-Jährige, die als Spülhilfe im Krankenhaus arbeitet und für den Lebensunterhalt zusätzlich Hilfe vom Amt braucht.

Oder Katharina, die bei einem Kaffee aus der Thermoskanne der Straßenengel von ihrer Bewerbung als Busfahrerin erzählt. Dafür musste sie aber noch den Pkw-Führerschein machen. Mit 150 Euro im Monat stottert die arbeitslose 29-Jährige die Kosten für die Fahrschule ab. Eine Ausbildung hat sie nicht. „Es ist bei mir einiges schiefgelaufen“, sagt sie achselzuckend.

Gespräche sind manchmal wichtiger als Mahlzeiten

Jeder, der am Bahnhof steht und Hunger hat, bekommt eine warme Mahlzeit. Für Obdachlose, die das nachgewiesen und sich bei den Straßenengeln registriert haben, organisiert der Verein aber auch weitere Hilfe. Bei Bedarf sogar einen Trekkingrucksack mit den wichtigsten Utensilien für das Leben auf der Straße: Isomatte, Schlafsack, Taschenlampe, Zelt oder Campingkocher zum Beispiel.

Vorstellen könne man sich das als Nicht-Betroffener nur schwer, sagt Marion Sandker - wie das ist, bei Kälte und Regenwetter auf der Straße zu leben. In Gesprächen hat sie aber schon viel aus dem Leben der Obdachlosen und Bedürftigen gehört. Auch diese Gespräche seien wichtig. „Manchmal denke ich, sie sind für die Menschen noch wichtiger als die Mahlzeiten.“

Erfahrungsfeld für Firmgruppe aus St. Willehad Oldenburg
An drei Samstagen im Januar haben Jugendliche aus der Firmvorbereitung der Oldenburger St.-Willehad-Pfarrei die „Oldenburger Straßenengel“ unterstützt. Jeweils etwa sechs Firmlinge halfen beim Kochen und bei der Ausgabe am Bahnhof.

„Einmal haben wir Obstsalat zubereitet, ein anderes Mal Quark und weitere Milchspeisen“, sagt Marlies Petersen, die als Katechetin selbst dabei war. „Und einmal haben wir kleine Käsespieße vorbereitet.“

Für die Bedürftigen sei das wie ein kleines Fest gewesen, erinnert sie sich. „Sie fühlten sich richtig geehrt, dass wir uns so viel Mühe für sie gegeben haben.“ Das sei auch eine gute Erfahrung für die Firmgruppe gewesen, sagt die Katechetin.

Aus Gesprächen weiß, sie, wie unsicher manche die Begegnung mit Bedürftigen oder Obdachlosen mache. Durch den Einsatz sei ihnen deutlich geworden, was mit dem Satz „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan“ gemeint sei. Vorm Bahnhof, trotz Kälte. „Das und das praktische Tun – beides hat sie beeindruckt.“

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