Eine Serie von Pfarrer Stefan Jürgens

Die kleine Gebetsschule (33): Meditation - Leere zum Erfüllen

Wegen der Corona-Krise gibt es derzeit keine öffentlichen Gottesdienste. Pfarrer Stefan Jürgens aus Ahaus lädt deshalb zu einer kleinen Gebetsschule für zu Hause ein. Jeden Morgen ab 7.30 Uhr. Heute mit Teil 33.

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Wegen der Corona-Krise gibt es derzeit keine öffentlichen Gottesdienste. Pfarrer Stefan Jürgens aus Ahaus lädt deshalb zu einer kleinen Gebetsschule für zu Hause ein. Die Impulse bauen aufeinander auf. „Das persönliche Gebet ist mir ein Herzensanliegen“, sagt Jürgens. Viele hätten jetzt Zeit dafür. Jeden Morgen ab 7.30 Uhr gibt es an dieser Stelle eine neue Folge seiner "kleinen Gebetsschule".

Meditation ist ein Wort, das für alles Mögliche gebraucht wird: Vom bloßen Schweigen bis zur frommen Kurzgeschichte ist alles drin, auch der größte Wortmüll wird heute „meditativ“ genannt, einfach wenn er ruhig vorgetragen wird. Meditation kann einfach Üben bedeuten, eine Übung machen, nachsinnen und bedenken, oder auch: zur Mitte finden, von außen nach innen gehen. Sie darf wort- und gegenstandslos sein, aber niemals orientierungslos. Darin unterscheidet sich die christliche Meditation von allen fernöstlichen und esoterischen Methoden, die auch unter Christen fröhliche Urständ feiern.

Vielen Menschen fällt es schwer, Gott als persönliches Gegenüber anzusprechen, zu Ihm wirklich „Du“ zu sagen und damit dem Gebet eine Orientierung zu geben, die auf Beziehung hin angelegt ist. Nachdenken und Leerwerden vom Stress des Alltags sind noch kein Gebet; sie können es aber werden vor dem „Du“ des lebendigen Gottes. Es kommt einfach darauf an, was man daraus macht.

 

Ich muss gar nichts

 

Pfarrer Stefan Jürgens.
Pfarrer Stefan Jürgens (51) ist Pfarrer in Ahaus. Bekannt geworden ist er auch als Buch-Autor, vor allem durch sein jüngstes Buch "Ausgeheuchelt". | Foto: Christof Haverkamp

Meditieren heißt für mich zuerst: empfangen. Das wichtigste ist, nicht unter Leistungsdruck zu geraten. Ich muss nichts bringen außer das, was kommt. Ich muss mich nicht konzentrieren, um alle meine Gedanken abzustellen. Wenn ich aber meine Gedanken so ziehen lasse, dann sind sie auf einmal nicht mehr wichtig. Dann kommt etwas Neues, etwas Eigentliches in mir zum Vorschein. Da werde ich ganz ruhig, atme gleichmäßig, spüre irgendwann: Gott lebt in mir, Er möchte mir etwas sagen, mich umfangen. Nachdem ich also zunächst in Ruhe mir selbst begegne, trifft mich Gott, begegnet Er mir.

Konkret geht das so: Ich nehme mir Zeit und Raum, setze mich bequem hin (welche Haltung ich dabei einnehme, ist egal, aber eine bestimmte, immer gleichbleibende Haltung braucht man schon), lasse alle Gedanken kommen, die da sind. Nachdem sich etwas mehr Ruhe eingestellt hat, lese ich aufmerksam ein Bibelwort, das ich vorher – nicht während der Übung – ausgewählt und aufgeschlagen habe. Dann gehe ich mit diesem Wort um, drehe es in Gedanken hin und her, bis es mir darin etwas sagt. Wenn es nicht gelingen will, ist das nicht schlimm, ich versuche es morgen wieder.

 

Meine Meditation ist wie ein Meer

 

Manchmal schweige ich einfach im Angesicht Gottes, lasse mich anschauen von Ihm, ohne irgendetwas zu wollen. Sein gütiger Blick macht mir häufig besser bewusst, Sein Kind zu sein, als jede Beschäftigung mit der Bibel. Immer schließe ich mit einem Gebet ab, mit einem Du-Wort zu Gott. Wenn ich aus der Meditation aussteige, spüre ich jedes Mal ein großes Gefühl von Dankbarkeit. Und das, obwohl ich kein Mensch bin, der sich gut „versenken“ kann.

Meine Meditation ist wie ein Meer: An der Oberfläche ist es unruhig, manchmal sogar stürmisch, aber je tiefer ich nach unten eintauche, desto ruhiger wird es. Ich darf mich nur nicht an der Oberfläche ärgern, sondern muss sie liebgewinnen: Auch sie gehört zu meinem Leben dazu. Nur: Die Oberfläche ist immer am weitesten vom Mittelpunkt entfernt. Ich kann durch meinen Lebensstil eine innere Atmosphäre schaffen, die meine Meditation, mein Zur-Mitte-Kommen, unterstützt, damit meine innere Leere sich nicht sofort mit Lärm zu füllen beginnt. Ich möchte tiefseits der Oberfläche leben, mit mehr Tiefgang, damit mein Lebensschiff geradewegs durch die Wogen und Wellen geht. Und ich möchte, dass meine Meditation kein Selbstzweck ist, kein Einswerden und keine Erleuchtung bringt, sondern Hingabe und Liebe an Gott und die Menschen. Die Bewegung von außen nach innen soll sich in der Herzmitte – in Gottes Gegenwart – verwandeln in eine liebende Bewegung von innen nach außen, zur Welt hin.

 

Die Leere ist kein Selbstzweck

 

In meiner regelmäßigen Meditation kommt es mir nicht so sehr auf Erfüllung an, sondern auf Treue; das Äußere trägt mehr als das Innere, weil die äußere Ordnung nach einiger Zeit zur inneren wird. Und obwohl ich versuche, nicht ergebnisorientiert zu meditieren, habe ich die tiefsten Einsichten ins Leben hier gewinnen dürfen: innere Sammlungen von Gelassenheit und Lebenssinn, Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem, Entscheidung für Gott. Ich habe die Erfahrung gemacht: die Leere, die sich einstellt, ist kein Selbstzweck, weil Gott selbst sie füllen will. Er füllt mich aus, nachdem ich leer geworden bin – das ist Erfüllung jenseits der vielen Worte.

BETEN

Ohne alle Texte sprich aus dir heraus.
Ohne alle Formeln formuliere dein Leben.
Ohne jede Sprache schweige laut vor Gott.

Nicht nur Ruhe, sondern Stille.
Nicht nur die Nerven, sondern das Herz.
Nicht Du selbst, sondern Gott.

ES IST SCHON ALLES GESAGT

Herr, mache mich still,
denn es ist alles schon gesagt.
So viele Worte, so viele Gebete
haben Menschen schon zu Dir gesandt:
Dank und Bitte, Lob und Klage.

Ich will still sein vor Dir,
leer werden, die Worte loslassen.
Und wenn Du willst, Herr,
dann gib mir neue Gedanken,
neue Gefühle, neue Worte.

Herr, mache mich still,
denn ich habe schon alles gesagt.
Wo meine Worte verhallen,
meine Gebete verklungen sind,
gib Du mir Dein Wort – Jesus Christus.

Mit Seinem Leben, Seiner Botschaft,
Seinen Zeichen, Seinen Wundern,
Seinem Sterben, Seinem Ostern,
Seiner Wiederkunft und Seiner Vollendung –
ist alles schon gesagt.    

Bis morgen!
Stefan Jürgens  
 

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