Eine Serie von Pfarrer Stefan Jürgens

Die kleine Gebetsschule (34): Ora et labora

Wegen der Corona-Krise gibt es derzeit keine öffentlichen Gottesdienste. Pfarrer Stefan Jürgens aus Ahaus lädt deshalb zu einer kleinen Gebetsschule für zu Hause ein. Jeden Morgen ab 7.30 Uhr. Heute mit Teil 34.

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Wegen der Corona-Krise gibt es derzeit keine öffentlichen Gottesdienste. Pfarrer Stefan Jürgens aus Ahaus lädt deshalb zu einer kleinen Gebetsschule für zu Hause ein. Die Impulse bauen aufeinander auf. „Das persönliche Gebet ist mir ein Herzensanliegen“, sagt Jürgens. Viele hätten jetzt Zeit dafür. Jeden Morgen ab 7.30 Uhr gibt es an dieser Stelle eine neue Folge seiner "kleinen Gebetsschule".

Was wir beten, muss zu uns und zu Gott „passen“. Und was wir tun, muss aus dem Gebet kommen. Ora et labora, sagen die Mönche, bete und arbeite. Unsere Gemeinden dürfen nicht nur Oratorium sein, sie müssen auch Laboratorium werden: Bethaus und Werkstatt. Was wir tun, wie wir leben, das alles kann und soll Gebet sein. Wir können nicht Christus in die fromme Ecke oder hinter die Sakristeitür einsperren, wir dürfen Gott und Welt nicht trennen. Schöne Liturgien feiern und die Welt sich selbst überlassen, das ist nicht im Sinne Jesu.

Ora et labora, das heißt auch: Anspannung und Entspannung müssen einander abwechseln, Aktion und Kontemplation ineinander gehen. Spiritualität als weltentrückter Raum jenseits des Lebens ist bloß religiöse Ideologie; Spiritualität, die das Leben liebt und prägt, ist Glaube. Es gibt Christenmenschen, die meinen, besonders fromm zu sein, aber sie packen nichts richtig an. Gottes Sohn aber ist Mensch geworden in Jesus Christus, mit Hand und Fuß, aus Fleisch und Blut. Deshalb ist Glaube, der nicht Hand und Fuß bekommt, blutleer und lahm.

 

Eine vermeintlich heile Kinderwelt

 

Pfarrer Stefan Jürgens.
Pfarrer Stefan Jürgens (51) ist Pfarrer in Ahaus. Bekannt geworden ist er auch als Buch-Autor, vor allem durch sein jüngstes Buch "Ausgeheuchelt". | Foto: Christof Haverkamp

"Inkarnationsverweigerung“ (Inkarnation = Fleischwerdung, Menschwerdung) nenne ich diese „Krankheit“: Glaube bleibt Religion, wird nicht weltlich, nicht konkret. Fromme Worte, charismatische Selbstüberschätzung – und irgendwann erklärt man den eigenen Vogel zum Heiligen Geist. Viele dieser „Inkarnationsverweigerer“ feiern seltsamerweise am liebsten – Weihnachten (aber mehr auch nicht). Es muss romantisch sein, es geht ums Herz, regressive Gefühle einer vermeintlich heilen Kinderwelt stellen sich alle Jahre wieder ein: furchtbar nett, aber erschreckend folgenlos, das Leben ändert sich dadurch um keinen Deut.

Man hat sich eingerichtet in seiner kleinen Welt, religiöse Rituale beruhigen die Seele, aber kein beunruhigender Glaube richtet in der Welt noch etwas aus. Grundsätzlicher formuliert: „Der religiöse Akt ist immer etwas Partielles, der Glaube etwas Ganzes, ein Lebensakt. Jesus ruft nicht zu einer neuen Religion, sondern zum Leben“ (Dietrich Bonhoeffer). Glaube und Leben müssen einander durchdringen, hier und jetzt, diesseitig und konkret: ora et labora!

 

Schmutzige Hände, gefaltete Hände

 

Beten ohne Arbeiten ist lahm, Arbeiten ohne Beten ist blind. Glauben ist diesseitig. Spiritualität heißt: „Leben in Gottes Gegenwart“, mit dem, was Er uns zur Aufgabe macht, was wir als Seinen Willen mit uns erkennen dürfen. Vielleicht ist es das, was der Apostel Paulus gemeint hat, wenn er sagt: „Betet ohne Unterlass“ (1 Thess 5,17): Leben in Gottes Gegenwart, das Gebet der Tat, das Tun des Gebets; gebetetes Leben und gelebtes Gebet.

Wer sich für andere die Hände nicht schmutzig machen will, der kann sie auch nicht falten. Nur mit dem Gesicht zur Welt kann ich zum Himmel aufschauen, und nur mit festem Boden unter den Füßen das Herz zu Gott erheben.

Bis morgen!
Stefan Jürgens

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