Franziskus geht in der Verurteilung weiter als seine Vorgänger

Die Päpste und die Atombombe

Gegen den Einsatz der Atombombe haben sich alle Päpste gewandt. Allerdings: Was ist mit der Drohung mit solchen Waffen, was mit ihrem Besitz? Hier geht Papst Franziskus weiter als seine Vorgänger.

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Aus einem sonnigen Morgenhimmel fiel in Hiroshima am 6. August 1945 die Bombe. Drei Tage später traf es ein Wohngebiet von Nagasaki – eher zufällig, da über der Industriestadt Kokura die Sicht zu schlecht war. Mindestens eine Viertelmillion Menschen starben durch die bislang einzigen Atombombenabwürfe – unmittelbar oder an den Folgen wie Verbrennung und Strahlenschäden.

Die Namen Hiroshima, Nagasaki und jene der Unglücksreaktoren Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) stehen als Synonyme für die Gefahren der Atomkraft. Gegen den Einsatz von Atomwaffen haben sich auf der politischen Bühne auch die Päpste stets gewandt.

 

Ist schon der Besitz der Bombe unmoralisch?

 

Allerdings: Was ist mit dem Besitz von Atomwaffen, auf dem das Konzept der gegenseitigen nuklearen Abschreckung fußt? Gefährdet nicht ein einseitiger Verzicht und das damit entstehende Ungleichgewicht der Mächte den Frieden?

Paul VI. behalf sich damit, das nukleare Rüsten auf Augenhöhe als Zwischenlösung zu betrachten, die es zu überwinden gelte. Dieser Argumentation folgten auch Johannes Paul II. und Benedikt XVI.

Papst Franziskus geht darüber hinaus: Als er 2017 Teilnehmer einer Konferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen empfing, nannte er schon den Besitz von Atomwaffen „unmoralisch“ – wegen ihrer möglichen katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt. Das trug ihm Proteste ein, auch von Katholiken aus den USA und Frankreich.

 

Und was ist mit der Entwicklung solcher Waffen?

 

Vor der Japan-Reise des Papstes im November 2019, für die der Vatikan einen Appell gegen Nuklearwaffen ankündig­te, sollen Vertreter von Atommächten versucht haben, eine Aufweichung der Formulierungen zu erreichen. Die Ansprachen des Papstes an den Orten des Bombenabwurfs wurden gespannt erwartet. Schon 1981 hatte Johannes Paul II. in Hiroshima und Nagasaki zur Beseitigung aller Atomwaffen aufgerufen.

Franziskus sprach ungebremst. Der „Gebrauch von Atomenergie zu Kriegszwecken“ sei „mehr denn je ein Verbrechen“, sagte er in Nagasaki. Und meinte: Jeder einzelne Aspekt sei unmoralisch – der Erwerb von spaltbarem Material, die Entwicklung, Konstruktion und Drohung, mithin der Besitz von Atomwaffen.

 

„Ein schwarzes Loch aus Zerstörung und Tod“

 

Frieden und Stabilität ließen sich nicht mit einer „Logik von Angst und Misstrauen“ sichern, so der Papst. Er mahnte ein Festhalten an Abrüstungs- und Verbotsabkommen an und äußerte sich besorgt über die derzeitige „Erosion des Multilateralismus“. Rüstungsausgaben seien eine „himmelschreiende“ Vergeudung angesichts von Armut und Klimaproblemen.

In Hiroshima sprach Franziskus dann weniger als Diplomat denn als Moralist: „Nie wieder Krieg, nie wieder so viel Leid!“ Eine atomwaffenfreie Welt sei möglich; sie erfordere aber das Mitwirken aller.

„Hier“, formulierte Franziskus, „sind von vielen Männern und Frauen, von ihren Träumen und Hoffnungen, inmitten von Blitz und Feuer nichts als Schatten und Stille zurückgeblieben. In einem Augenblick wurde alles von einem schwarzen Loch aus Zerstörung und Tod ver­schlungen.“

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