Leitartikel zu Ostern von Pater Daniel Hörnemann OSB

Die Schöpfung: Eine zerbrechliche Leihgabe

Anzeige

Für ein Internet-Magazin namens „Kirche-und-Leben.de“ gibt es zu Ostern nicht irgendwelche News zu verbreiten, sondern eigentlich nur eine Nachricht, die zu verkünden wäre: „Das Leben lebt.“

Zu dieser Guten Osterbotschaft gehört das biblische Schöpfungslied (Genesis 1 ff.), das mit den Worten „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ beginnt, unbedingt dazu. Mitten ins Chaos hinein schafft Gott einen Lebensraum der Ordnung, in die Finsternis hinein einen Raum des Lichts, in tödliche Wüste und Leere einen Raum voll von unglaublichem Wachstum.

Was da geschaffen wurde, erstrahlte im Großmodell für eine begrenzte Zeit im März unter der Kuppel der berühmten Dresdener Frauenkirche. Das Kunstwerk „Gaia“, nach der griechischen Mythologie „Mutter Erde“ benannt, ist eine detailgetreue Abbildung unseres Planeten mit sieben Metern Durchmesser.

Blick wie aus dem All

Die Skulptur basiert auf Fotografien aus dem Weltall. Der britische Installationskünstler Luke Jerram hat sie geschaffen mit dem Leitgedanken: „Ich hoffe, dass Gäste beim Besuch von Gaia die Erde wahrnehmen, als wären sie selbst im Weltraum: als wunderschönen und kostbaren Ort. Ein Ökosystem, das wir dringend bewahren müssen – unsere einzige Heimat.“

Die Installation soll ein Gefühl für den Overview-Effekt vermitteln, wie ihn Astronauten erleben, ein Gefühl der Ehrfurcht vor dem Planeten, ein tiefes Verständnis für die Zusammenhänge allen Lebens und ein neues Verantwortungsgefühl für den Schutz der Umwelt.

Das Wanderkunstwerk, das über die ganze Welt tourt, ist 1,8 Millionen Mal kleiner als die reale Erde, wobei jeder Zentimeter der mit Helium von innen beleuchteten Skulptur 18 Kilometer der Erdoberfläche abbildet. Wenn das Publikum 211 Meter vom Kunstwerk entfernt steht, kann es die Erde so sehen, wie sie vom Mond aus erscheint.

Insel des Lebens

Wir betrachten zwar seit Jahrtausenden den Mond, doch die Erde sah die Menschheit erstmals 1972 bei der Apollo-17-Mission der NASA in ihrer Gesamtheit als „blaue Murmel“ im Weltraum schweben. In diesem Moment änderte sich unsere Wahrnehmung und unser Verständnis unseres Planeten für immer.

In der schwarzen Leere des Weltraums scheint die Erde isoliert zu sein, eine kostbare und zerbrechliche Insel des Lebens. Aus der Ferne ist die Erde nur ein blassblauer Punkt. Sie wird auch der „Blaue Planet“ genannt, da sie zu rund 70 Prozent aus Wasser besteht. Luke Jerram’s „Gaia“ gelingt es, die Zerbrechlichkeit der Erde sicht- und wahrnehmbar zu machen. Die Erde ist der einzige uns bislang bekannte Planet, auf dem nachweislich Leben existiert.

Kampf gegen die Krisen

Dieses Leben ist von allen Seiten gefährdet, vor allem durch die nie zuvor dagewesene Ballung von durch Menschen verursachten politischen, wirtschaftlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Krisen. Viel zu spät stellt sich der Mensch der Krise über allen Krisen, dem desaströsen Klimawandel. Mit verzweifelten Mitteln suchen manche Zeitgenossen dem Einhalt zu gebieten.

Dabei scheint es auf der Weltenuhr nicht mehr fünf vor, sondern fünf nach Zwölf zu stehen. Die Präsentation von „Gaia“ soll den Menschen die Schönheit der Schöpfung vor Augen stellen und ins Bewusstsein rufen, dass die Erde nicht unser Besitz, sondern eine kostbare, fragile Leihgabe des Schöpfers ist. Das soll sich in einem Denken und Handeln widerspiegeln, dem das Leben heilig ist.

Verantwortung gegenüber der Schöfpung

Das Schöpfungslied in der Osternacht ist ein Glaubensbekenntnis: Ich glaube an den Gott, der diese gute Schöpfung hat werden lassen. Konsequenz dieses Credo ist eine wahrgenommene Verantwortung gegenüber der göttlichen Schöpfung und eine glaubwürdige Lebenshaltung der Christen.

Die anstößige Bibelübersetzung, der Mensch solle sich die Erde „unterwerfen“ (Gen 1,28) hatte und hat fatale Konsequenzen. Wer sich nämlich etwas oder jemanden unterwirft, meint, damit machen zu können, was er will, bis hin zur Zerstörung.

Das Überleben ist gefährdet

Wenn der Mensch über die Schöpfung „herrschen“ soll, ist jedoch nichts anderes damit gemeint als die Fürsorge eines Königs, seine zum Wohl der gesamten Schöpfung ausgerichtete Tätigkeit. Wenn der Mensch als dessen Ebenbild und sein Repräsentant es dem Schöpfer gleichtut, dann arbeitet er positiv am Erhalt des göttlichen Schöpfungswerks mit, das er ansonsten zwar aufs Spiel setzen und restlos vernichten, aber nie so phantasievoll-kreativ neu gestalten kann.

Das ist in den vergangenen Jahrhunderten passiert: Der Mensch hat sich von der ursprünglichen Schöpfungsordnung so weit entfernt und entfremdet, dass er als einziges Geschöpf unzählige Pflanzen- und Tierarten ausrottet und durch die von ihm verursachten Emissionen das Überleben der Erde als Ganzes gefährdet.

Alles Leben will leben!

Das konnten sich die Dichter des Genesis-Schöpfungsliedes überhaupt noch nicht vorstellen. Möge es nie so weit kommen, wie es der Prophet Jeremia im Namen des Schöpfers beschreibt (18,15 f): „Mein Volk hat mich vergessen. Ihr Land wird zu einem Ort des Entsetzens. Jeder, der dort vorbeikommt, wird sich entsetzen und den Kopf schütteln.“

Ostern ist ein Schöpfungsfest. Alles Leben will leben und neu aufleben!

Anzeige