Über das Brot, das Wort, den Frieden und die Reformation

Dokumentiert: Wort zur Fastenzeit 2017 von Bischof Genn

Im Hirtenwort zur Fastenzeit 2017 entfaltet Bischof Felix Genn Gedanken über das tägliche Brot, das „Brot des Wortes“, über den Frieden als Frucht des Wortes Gottes – und er lädt zum Internationalen Friedenstreffen nach Münster und Osnabrück ein.

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Im Hirtenwort zur Fastenzeit 2017 entfaltet Bischof Felix Genn Gedanken über das tägliche Brot, das „Brot des Wortes“, über den Frieden als Frucht des Wortes Gottes – und er lädt zum Internationalen Friedenstreffen nach Münster und Osnabrück ein.

Liebe Schwestern und Brüder, „der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“. Dieses Wort Jesu aus dem heutigen Evangelium möchte ich aufgreifen und Sie einladen, seiner Bedeutung nachzugehen.

Es kann Widerspruch hervorrufen, weil es zu schnell vergessen lässt, wie lebensnotwendig das Brot ist, und wie viele Menschen dieses Grundnahrungsmittel entbehren müssen. Wer wirklich Hunger leidet, dem helfen gute Worte wenig, ja, gar nichts. Es kann geradezu zynisch klingen, einem Menschen, dem der Magen knurrt, zu sagen, der Mensch lebe nicht vom Brot allein. In einer Überflussgesellschaft, wie wir sie erleben, tut es gut, immer wieder auf die hinzuweisen, denen das Notwendigste zum Leben fehlt.

 

Brot ist das Lebens-Mittel

 

Mit „Brot“ fassen wir sprachlich genau das zusammen: Wir haben das Brot notwendig, es ist das Lebens-Mittel, es bezeichnet in einem Wort, dass wir nicht leben können, ohne etwas zum Essen zu haben.

In dieser Fastenzeit werden wir an die Not von unzähligen Menschen erinnert und sind gerufen zu teilen. Am Ende des „Jahres der Barmherzigkeit“ hat Papst Franziskus die gesamte Kirche aufgefordert, auch weiterhin, „dem Erfindungsreichtum der Barmherzigkeit Raum zu geben“, wie er schreibt, und er betont: „Noch heute leiden ganze Völker unter Hunger und Durst, und wie viel Sorge erregen die Bilder von Kindern, die nichts zu essen haben.“ Die bischöfliche Fastenaktion Misereor, die heute eröffnet wird, gibt uns Hinweise und Möglichkeiten, diesem Werk der Barmherzigkeit unsere Unterstützung zu geben.

 

Das Brot des Wortes

 

Liebe Schwestern und Brüder, so notwendig das tägliche Brot ist, so notwendig ist auch das Brot des Wortes. Daran will uns das heutige Evangelium erinnern. Jeder von uns kann diese Erfahrung teilen: Wir können noch so satt sein, es braucht uns an nichts zu fehlen, wir bleiben arm und bedürftig, wenn uns nie jemand ein gutes Wort sagt. Wie sehr hungern wir alle nach einem Wort der Ermutigung, des Trostes, der Zuwendung und der Liebe: Ein Wort, das genauso nahrhaft und kostbar sein kann wie ein Stück Brot. Auch dazu hat uns das „Jahr der Barmherzigkeit“ viele Hinweise gegeben, die wir weiter fortsetzen können.

Ich erinnere nur an ein geistiges Werk der Barmherzigkeit: Den Zweifelnden gut raten. Wie nahrhaft und schmackhaft kann ein guter Rat sein, wie hilfreich und weiterführend!

 

Die Kraft des Wortes

 

Das Wort Jesu, das wir gerade im Evangelium gehört haben, spricht aber ausdrücklich vom Wort, „das aus Gottes Mund kommt“. Der Zusammenhang, in dem Jesus davon spricht, ist eine Versuchung, nämlich angesichts Seines leiblichen Hungers Seine göttliche Macht zu nutzen und aus Steinen Brot werden zu lassen. Der Versucher, der in dieser Situation an Jesus herantritt, ist für uns keine unbekannte Größe. Bisweilen suchen nämlich auch wir die Lösung vieler Fragen unseres Lebens durch Tricks oder Mittel, mit denen wir unsere Macht und Überlegenheit demonstrieren, meistens zu Lasten anderer.

In solche Versuchungen führt Jesus die Rede von Gott ein, und zwar nicht als Zaubertrick, sondern als Hinweis auf etwas sehr Existentielles. Kann es sein, dass wir in unserer Wohlstandsgesellschaft zwar genug Brot haben, aber daran sterben, dass wir nur das besitzen, was wir konsumieren können? Das Wort Gottes hat eine Kraft, die uns hilft, anders zu leben. Wer aus Gottes Wort lebt wird innerlich reich. So reich, dass er auch ohne Gewalt auskommt. So finden wir zu einer Gesellschaft, in der die Würde des Menschen beachtet wird, in der Friede und Versöhnung herrschen können, nicht Gewalt, Krieg und Terror.

Dies greift auch Papst Franziskus in seinem Wort zum Abschluss des „Jahres der Barmherzigkeit“ auf: „Gott spricht heute immer noch zu uns wie zu Freunden, er verkehrt mit uns, um uns mit seiner Gesellschaft zu beschenken und uns den Weg zum Leben zu zeigen … Es ist mein herzlicher Wunsch, dass das Wort Gottes immer mehr gefeiert, gekannt und verbreitet wird, damit dadurch das Geheimnis der Liebe, die aus jener Quelle des Erbarmens hervorströmt, besser verstanden werden kann.“ In diesem Zusammenhang misst der Papst dem Hören des Wortes Gottes in der Feier des Sonntags eine besondere Bedeutung zu. Ich greife das gerne auf, weil ich es verbinden möchte mit zwei Ereignissen, die das Jahr 2017 in besonderer Weise prägen werden.

 

Einheit der Christen im Hören auf das Wort

 

Unsere evangelischen Schwestern und Brüder gedenken in diesen Wochen und Monaten der Reformation, die im Jahr 1517 ihren Anfang genommen hat. Der Begriff „Reformation“ weist darauf hin, dass es Luther und den anderen Reformatoren um eine Erneuerung aus dem Wort Gottes gegangen ist. Wir müssen zwar mit Schmerz vermerken, dass diese Bewegung zur Spaltung der Kirche beigetragen hat, dürfen aber heute mit Dankbarkeit feststellen, wie viel geschehen ist und geschieht, um diesen Riss in der Christenheit zu überwinden.

Einheit wird nur möglich sein, wenn wir aus dem Hören auf das Wort Gottes leben. Dazu tragen schon sehr viele Bibelkreise in unseren Gemeinden bei, die oft ökumenisch zusammengesetzt sind. Mit Dankbarkeit sehe ich, dass die Verantwortlichen der Evangelischen Kirche in Deutschland uns Katholiken zu diesem Gedenken der Reformation eingeladen haben, indem sie auf Christus selbst, das lebendige Wort Gottes, verweisen.

 

Das Jahr 2017 soll ein Christusfest sein

 

Dieses Jahr 2017 soll ein Christusfest sein – besser kann man in unserer Zeit nach Spaltung und zahllosen Verwundungen in der Geschichte, aber auch nach großartigem Bemühen, aufeinander zuzugehen und miteinander den Glauben zu teilen, gar nicht die Erinnerungen heilen und die Gegenwart aus dem Geist des Evangeliums gestalten. Er, der lebendige Herr, ist es, in dem Gott zu uns spricht. Er ist das Brot, das als lebendiges Wort aus dem Mund Gottes in die Welt gekommen ist, in dem Gott selbst sich als Liebe und Erbarmen ausgesprochen hat. Dieses Wort haben gerade unsere evangelischen Mitchristen immer wieder hoch geschätzt, mehr als wir Katholiken das getan haben. Deshalb konnten wir und können wir viel von ihnen lernen.

Ich denke da zum Beispiel an den guten Brauch, den sie mit der so genannten Tageslosung pflegen: Jeder Tag steht im Leben eines gläubigen evangelischen Christen unter einem ganz bestimmten Wort Gottes. Wie sehr könnten wir auch diese Gewohnheit uns zu Eigen machen, liebe Schwestern und Brüder, wenn wir aus der sonntäglichen Feier der Eucharistie uns ein Wort mitnehmen, das wir eine Woche lang jeden Tag von Neuem betrachten, erwägen, geradezu durchkauen, um aus ihm die Wahrheit des Satzes zu erfahren: Dass der Mensch nicht nur vom Brot allein, sondern von jedem Wort lebt, das aus dem Mund Gottes kommt! Und wie sehr könnte dieses Wort uns helfen, es in Taten der Liebe, der Barmherzigkeit und des Friedens zu übersetzen.

 

Einladung zum Friedenstreffen

 

Frucht des Hörens auf das Wort Gottes ist der Friede. Viele von uns haben diese menschliche Erfahrung schon gemacht. „Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen.“ 1986 hat der heilige Papst Johannes Paul II. alle Religionen nach Assisi zu einem gemeinsamen Friedenstreffen eingeladen. Seit dieser Zeit pflegt eine römische Laiengemeinschaft, die sich nach ihrem Versammlungsort „Sant'Egidio“ nennt, diese Friedenstreffen in anderen Weltstädten zu wiederholen.

Da Münster und Osnabrück die Städte sind, in denen nach einem heillosen Dreißigjährigen Krieg, der die Kirchenspaltung nur vertieft hatte, Frieden geschlossen werden konnte, haben der Bischof von Osnabrück und ich diese Gemeinschaft eingeladen, vom 10. bis 12. September in Münster und Osnabrück dieses Friedenstreffen zu gestalten. Vertreter von christlichen Kirchen und Konfessionen werden ebenso anwesend sein wie Vertreter anderer Religionen. Bei einer solchen Zusammenkunft werden wir hautnah erleben können, dass wir Menschen das Wort brauchen, das aus dem Mund Gottes hervorgeht, weil es ein Wort des Friedens und der Versöhnung ist. Ich möchte Sie alle zu diesem Friedenstreffen einladen.

Liebe Schwestern und Brüder, ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie für Ihr persönliches Leben und das Leben in Ihren Gemeinden und Gemeinschaften in dieser Fastenzeit den großen Nährwert des Wortes Gottes erfahren dürfen. Bitten wir für die Welt um das tägliche Brot. Nehmen wir das Brot des Wortes dankbar entgegen. Und beten wir täglich um diese Frucht des Wortes: um den Frieden in unserer Welt. Dazu segne Sie der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.

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