Münsters Bischof mit Blick auf den Katholikentag: „Schließen Sie Ihren Friedensvertrag!“

Dokumentiert: Wort zur Fastenzeit 2018 von Bischof Genn

In seinem Bischofswort zur Fastenzeit ermutigt Felix Genn zur Versöhnung. Ausgehend vom Motto des Katholikentags „Suche Frieden“ macht er drei praktische Vorschläge dafür, wie für jeden Frieden werden kann. Sein Rat: Machen Sie es schriftlich! Hier der Wortlaut.

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In seinem Bischofswort zur Fastenzeit ermutigt Felix Genn dazu, sich zu versöhnen. Ausgehend vom Leitwort des Katholikentags „Suche Frieden“ macht er drei ganz praktische Vorschläge dafür, wie für jeden Frieden werden kann. Sein Rat: Machen Sie es schriftlich! Hier der Wortlaut.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Das Jahr 2018, das schon mit einigen Wochen ins Land gegangen ist, wird für unser Bistum ganz besonders geprägt werden durch den Katholikentag, der vom 9. bis 13. Mai in unserer Bischofsstadt Münster stattfinden wird. Diese Tage stehen unter dem Leitwort „Suche Frieden“.

Im Jahre 1648, also vor 370 Jahren, wurde in den Städten Münster und Osnabrück ein Friedensvertrag geschlossen, mit dem ein blutiger 30-jähriger Krieg in Europa zu Ende ging. Ausgelöst worden war er durch die Streitigkeiten innerhalb der christlichen Konfessionen, verbunden mit der Gier nach Macht der verschiedenen Herrscher. Der Abschluss im Jahre 1648 hat den beiden Städten den Titel „Friedensstadt“ eingebracht.

 

Das Beste aller Dinge

 

„Der Friede ist das Beste aller Dinge“, so können wir es im so genannten Friedenssaal des Münsteraner Rathauses, in dem die Verträge unterzeichnet wurden, lesen.

Das Jahr 2018 erinnert auch an das Ende eines furchtbaren Krieges vor genau 100 Jahren, der zum ersten Mal nicht nur zwischen einzelnen europäischen Völkern, sondern auch auf Weltebene ausgetragen wurde, und der unzählige Todesopfer und Zerstörungen gebracht hat. Der Friedensabschluss, der diesem Ende folgte, war so brüchig, dass schon 21 Jahre später ein neuer Weltkrieg ausbrach.

Mit Dankbarkeit dürfen wir in unseren Breiten sehen, dass wir weitgehend im Frieden leben. Allerdings zeigt uns der Blick in die gesamte Weltsituation, dass dies für einen Großteil anderer Länder und Regionen nicht gilt.

 

Der Friede ist brüchig

 

Aber auch bei uns ist aller Friede brüchig, wenn wir nur an die Ausbrüche von Terror und Gewalt auch in unseren Städten und in den europäischen Ländern denken. Den Frieden zu suchen, ist eine ständige Aufgabe, die freilich nicht nur den Verantwortlichen in der Politik gestellt ist, sondern jedem Einzelnen von uns. Dazu möchten die Begegnungen, Gespräche, Diskussionen und Gottesdienste beim Katholikentag im Mai beitragen.

Abschlusskundgebung des Weltfriedenstreffens im September 2017Abschlusskundgebung des Weltfriedenstreffens im September 2017 mit der Gemeinschaft Sant' Egidio in Osnabrück. | Foto: Christof Haverkamp

Noch sehr klingen in meinem Herzen zwei Ereignisse des vergangenen Jahres nach: Einmal denke ich an das Weltfriedenstreffen im September in Münster und Osnabrück. Es hat Menschen aus allen Religionen und vielen unterschiedlichen Völkern in unsere Städte geführt. Es konnte eindringlich demonstrieren, dass auch zwischen sonst verfeindeten Gruppen und Völkern Friede auf der Ebene des Gespräches und des Gebetes möglich wird. Diese Tage standen unter dem Leitwort: „Wege des Friedens“.

 

Auftakt mit Friedensverträgen

 

Das andere Ereignis war der Auftakt zum Katholikentag, den wir unter der Teilnahme von vielen von Ihnen am Samstag, dem 13. Mai 2017 in Münster gefeiert haben. Es war ein schönes und gelungenes Fest. Am Ende dieses Tages wurden in einem Gottesdienst im Dom an viele Einzelpersonen und Gruppen, auch über die Grenzen unserer Religion und Konfession hinaus, unbeschriebene Blätter verteilt. Wir haben sie „Friedensverträge“ genannt.

Dieses schöne Motiv greife ich gerne auf, um zu Beginn der österlichen Bußzeit mit Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, die Wirkweisen solcher Friedensverträge zu bedenken. Ich lade Sie ein, in Ihren Familien, Kreisen und Gruppen, über diese Friedensverträge nachzudenken.

 

Frieden mit anderen

 

Ein erster Vorschlag betrifft den Friedensvertrag mit Menschen, zu denen die Verbindung abgerissen oder unterbrochen worden ist, ja, die vielleicht sogar unsere Feinde sind. Möglicherweise hat jeder von uns schon öfters darüber nachgedacht, wie gut es wäre, unter einen Streit, eine jahrelange Auseinandersetzung, einen Schlussstrich zu ziehen und damit den Konflikt durch gute Vereinbarungen und durch Verzeihung zu beenden.

Das könnte gut zur österlichen Bußzeit passen, auf diese Wunde in unserem Leben zu schauen und einen neuen Anfang zu wagen. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass mancher von Ihnen schon oft Versuche unternommen hat, aber jedes Mal auch an der Gegenseite gescheitert ist, weil die Bereitschaft zur Versöhnung nicht gegeben war. Daher kann sich das Bemühen um einen Friedensvertrag schon von vornherein als unsinnig erweisen.

Dennoch möchte ich Sie ermutigen, wenigstens darüber nachzudenken, ob nicht auf diesem Vertrag ein Gebet stehen könnte. Sie wenden sich an Jesus und bitten ihn, alles aus Ihrem Herzen wegzuräumen, was Ihrerseits einer Versöhnung im Wege stehen kann. Gleichzeitig bitten Sie darum, dass im Herzen des anderen überwunden wird, was es ihm schwer macht, den Schritt zur Versöhnung zu tun.

 

Frieden mit sich selbst

 

Es gibt auch die Möglichkeit, mit sich selbst einen Friedensvertrag zu schließen. Vielleicht hört sich das zunächst etwas ungewöhnlich an. Gerade die österliche Bußzeit ist eine Einladung, achtsam auf sich selber zu sein und zu schauen, was mich unzufrieden macht, vor allem, wenn ich auf mich selber blicke.

Es gibt wohl in jedem menschlichen Leben Wirklichkeiten, mit denen wir uns nur schwer aussöhnen können. Das kann vieles beinhalten, zum Beispiel bestimmte Ziele nicht erreicht zu haben, die man sich gesteckt hat; oder sich nicht damit zu versöhnen, einen Fehltritt begangen zu haben, der immer noch über Jahre weiterwirkt, den ich mir selber nicht verzeihen kann.

Manch einer ist auch nicht versöhnt mit der Grenze, die seiner Gesundheit, seinen Fähigkeiten, seinen Begabungen gesetzt ist, weil er sich immer wieder mit anderen vergleicht und diese für viel besser, klüger und vollkommener hält.

Kann es nicht in der österlichen Bußzeit eine Möglichkeit geben, auch einmal Frieden mit sich selbst zu schließen? Das kann im Gebet geschehen, das kann auch in einem guten Gespräch stattfinden, und schließlich bietet die Kirche das großartige Geschenk des Auferstandenen an, sich in einer Beichte das Wort der Vergebung und Versöhnung zusprechen zu lassen.

Aber möglicherweise ist das schon ein zu großer Schritt, und es würde einfach helfen, auf das leere Formular des Friedensvertrages ein Gebet zu schreiben, Schritte gehen zu können, um mit sich selber versöhnt zu sein.

Das Buch der Psalmen kennt dieses schöne Gebet, das genau auf diesen Friedensvertrag passt: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich, und erkenne mein Denken! Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt, und leite mich auf dem altbewährten Weg!“ (Ps 139, 23 – 24).

 

Frieden mit der Erde

 

Schließlich könnte ich einen Friedensvertrag schreiben, indem ich genauer hinschaue, ob ich achtsam genug mit den Gütern der Erde umgehe und sie so achte, dass man die Spur Gottes auf ihr erkennen kann.

Die österliche Bußzeit bietet die Möglichkeit des Verzichts und heißt nicht umsonst auch „Fastenzeit“. Es ist nicht damit getan, am Ende dieser 40 Tage ein paar Pfunde weniger zu wiegen, sondern es könnte auch eine Herausforderung sein genauer zu prüfen, wo in meinem Leben und Umfeld gegen die Natur und gegen die Schöpfung gefehlt wird.

Es ist gut zu sehen, dass viele Menschen für diese Fragen immer sensibler werden, bewusster kaufen, nicht bloß konsumieren, sondern auswählen, was man isst, was man einkauft. Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit beginnen bei jedem Einzelnen und setzen sich in unserer globalisierten Gesellschaft fort.

Den Preis unseres Lebens sollten nicht andere zahlen müssen. Viele achten darauf, dass Produkte unseres alltäglichen Bedarfes nicht durch den Preis der Ausbeutung von Kindern und Menschen aus ärmeren Ländern hergestellt werden.

 

Gott liebt diese Welt

 

Ich bin überzeugt davon, dass das Formular dieses Friedensvertrages manche Anregung enthalten kann und dazu beiträgt, die Liedstrophe wahrzumachen, die sich in unserem Gotteslob findet (464, 8):“Gott liebt diese Welt, und wir sind sein Eigen. Wohin er uns stellt, sollen wir es zeigen: Gott liebt diese Welt!“

Liebe Schwestern und Brüder, an diesem ersten Sonntag der österlichen Bußzeit wird in der ersten Lesung vom Bund Gottes mit Noah und der gesamten Schöpfung berichtet.

Als Zeichen für diese Verbundenheit gilt der Regenbogen, von dem Gott selber sagt: „Er soll das Zeichen des Bundes werden zwischen mir und der Erde“ (Gen 9, 13), und er fügt ausdrücklich hinzu: „Dieses Zeichen zeigt, dass er nicht die Erde vernichten will.“

 

Der Friede Gottes

 

Ich wünsche Ihnen allen im Zugehen auf den Katholikentag und in der gemeinsamen Feier dieses Großereignisses, zunächst aber einmal für die österliche Feier: Lassen Sie sich berühren von der Botschaft des auferstandenen Herrn. In Ihm verbindet sich Gott mit uns Menschen, schlägt einen Bogen von sich aus zu uns hin. Er will uns damit zeigen, dass Er mit uns Frieden schließen möchte. Er gibt uns die Verheißung, in der Verbindung mit Ihm unzerstörbares Leben zu empfangen.

In diesem Sinne freue ich mich mit Ihnen auf die gemeinsame Feier des Osterfestes und die vielen Begegnungen in Münster während des Katholikentages und wünsche Ihnen dazu allen Segen: Den Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

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