Themenwoche: Wo Kirche an die Ränder geht (4)

Duisburg: So hilft eine katholische Einrichtung jungen Menschen in Not

Anzeige

Jährlich mehr als 200 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene begleitet „sankt-josef“ in Duisburg in verschiedenen Wohngruppen. Sicherheit und Geborgenheit stehen oben an.

„Jedes Kind hat Anspruch auf Hilfen, wenn es sie benötigt“, sagt Stefan Birgoleit. Der Geschäftsführer der sankt-josef (die Kleinschreibung ist Absicht) Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Duisburg-Rheinhausen arbeitet mit daran, jungen Menschen und Familien in schwierigen Lebenssituationen wieder eine Perspektive zu geben.

Etwa 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreuen und begleiten jährlich rund 200 Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien in Wohngruppen, Intensivgruppen, Tagesgruppen, betreuten Wohnformen, im Mutter-Kind-Bereich und mit ambulanten Hilfen. Mehr als 85 der begleiteten Kinder und Jugendliche leben im stationären Bereich am Stammhaus der Einrichtung in Friemersheim. Hinzu kommen Außenwohngruppen im Stadtgebiet von Duisburg und in Moers.

Hoher Betreuungsbedarf in der Jugendhilfe

Seit 99 Jahren ist „sankt-josef“ ein Begriff in Duisburg dafür, wie Kindern, Jugendlichen und Familien ihren Weg ins Leben finden können. Zu den Mitarbeitenden gehört Andrea Ruh, die seit 23 Jahren in der Einrichtung arbeitet.

Sie leitet den Bereich der Intensivgruppen, in der ein höherer Betreuungsbedarf besteht. „Die Wohngruppen bieten einen sicheren Lebensmittelpunkt für Kinder, die aufgrund von Missständen nicht in den eigenen Familien verbleiben können“, erläutert sie.

Altersentsprechende Förderung in Duisburger Einrichtung

Themenwoche: Wo Kirche an die Ränder geht
Papst Franziskus wird seit Beginn seiner Amtszeit nicht müde zu betonen, die Kirche ihren Blick auf „Peripherien der Existenz“ richten muss, wo Ungerechtigkeit herrschen. Die Gläubigen sollten sich den Armen und zuwenden. Kirche+Leben stellt Christen vor, die mit ihrem Wirken an die Ränder unserer Gesellschaft gehen.

Die Kinder in Intensivgruppen im Alter von fünf bis zehn Jahren haben einen hohen Bedarf an Begleitung und Betreuung. Die Schwerpunkte liegen aber in allen pädagogischen Angeboten von sankt-josef auf einer altersentsprechenden Förderung und Elternarbeit.

Besonderer Wert wird auf den systemischen Ansatz in der Arbeit gelegt, wobei die Kinder nicht als isoliertes Wesen gesehen werden, sondern immer in Bezug auf ihr Lebensumfeld, ihre Herkunft und ihre Lebensbedingungen. Jedes Team aus Pädagogen mit unterschiedlichen Ausbildungsschwerpunkten ermögliche eine kind- und entwicklungsbezogene Förderung, sagt Andrea Ruh.

Mädchen-Wohnraum bietet Schutzraum

Das stationäre Betreuungsangebot von sankt-josef ist breit gefächert. Allen gemein ist, dass sie dort wohnen, weil sie aufgrund akuter Krisen, Vernachlässigung und Verwahrlosung zeitweise oder dauerhaft nicht in der Familie leben können. Ein eigenes „Mädchen-Wohnen“ bietet besonderen Schutzraum und Sicherheit.

Die Gründe für das begleitete Wohnen seien vielfältig, sagt Andrea Ruh, die auf der Erziehungsleiterebene arbeitet: Oft seien die Eltern überfordert und hätten eigene Probleme. Psychische Erkrankungen, Alkoholabhängigkeit, Drogenkonsum sowie häusliche und sexuelle Gewalt beeinträchtigten die Entwicklung der Kinder. „Meist haben die Kinder und Jugendlichen unter schweren Verhältnissen problematische Sozialisationserfahrungen gemacht, die durch traumatisierende Lebensereignisse, Beziehungsabbrüche und hohen Belastungen geprägt sind“, sagt die erfahrene Sozialpädagogin und Therapeutin.

Besuchszeiten für Mütter und Väter

Ausschließlich über das Jugendamt kommt ein Kind oder ein Jugendlicher in eine Wohngruppe. Mütter und Väter können in der Regel zu festen Zeiten ihre Kinder besuchen. In einigen Fällen besteht ein über das Jugendamt ausgesprochenes Kontaktverbot. Nach intensiven Hilfeplan-Gesprächen entscheidet die Jugendhilfe darüber, ob ambulante Hilfen und das sozialpädagogisch betreute Wohnen im Anschluss an das 18. Lebensjahr noch nötig sind.

Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Stadt Duisburg bezeichnet Stefan Birgoleit als sehr gewachsen und vertrauensvoll: „Wir betreuen und begleiten jährlich mehr als 200 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Für jedes Kind erarbeiten wir eine Begleitung mit dem Ziel, ihm wieder eine Zukunft zu geben.“ In der Absprache mit den Jugendämtern geschehe vieles auf dem „kurzen Dienstweg“.

Stärkung sozialer Kompetenzen

Die Mitarbeitenden in den Jugendämtern und die Träger der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe versuchten alles, um das Erlernen von sozialen Kompetenzen, eine gute schulische Entwicklung und eine Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen: „Der Bedarf ist allerdings größer als das Angebot oder unsere Kapazitäten. Wir sehen, dass in der Gesellschaft mehr für die Kinder- und Jugendhilfe getan werden muss“, sagt der sankt-josef-Geschäftsführer.

Die Jugendämter seien personell unterbesetzt und der Fachkräftemangel im sozialen und pädagogischen Bereich unübersehbar: „Wir suchen wie so viele andere soziale Einrichtungen Fachkräfte. Unsere Hilfen sind personalintensiv, denn wir betreuen und begleiten ‚rund um die Uhr‘. Notwendig ist ein Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe und kein Sparen in diesem Bereich“, sagt Stefan Birgoleit.

7,3 Millionen Euro für neue Räume

Um die in den 1960er Jahren entstandenen Räumlichkeiten für die Wohngruppen am Stammhaus in Friemersheim auf einen zeitgemäßen Zustand zu bringen, wird die sankt-josef gGmbH in den nächsten Jahren 7,3 Millionen Euro investieren. Die Finanzierung der Baumaßnahme erfolgt aus Eigenmitteln und durch Aufnahme eines Darlehns unter Zustimmung der Pfarrei St. Matthias in Duisburg-Rheinhausen und in Abstimmung mit dem Bistum Münster.

„Es ist gut investiertes Geld. Die Kirche ist seit jeher in der Kinder- und Jugendhilfe stark engagiert, was auch enorm wichtig ist. Jetzt wollen wir ein weiteres starkes Zeichen setzen“, sagt Stefan Birgoleit.

100-Jahr-Feier im Jahr 2025

Im nächsten Jahr feiert sankt-josef das hundertjährige Bestehen – ein perfekter Zeitpunkt also, um auf die soziale Arbeit der Einrichtung aufmerksam zu machen. Die katholische Gemeinde St. Joseph war es, die in Zeiten sozialer Not 1925 ein Waisenhaus in Friemersheim eröffnete und damit die Grundlage für „sankt-josef“ schuf.

Im Leitbild der Einrichtung heißt es heute so: „Der Leitgedanke unseres Handelns basiert auf dem christlich-humanistischen Menschenbild. Wir sind Menschen unterschiedlicher Weltreligionen und Kulturen. Für uns ist jeder Mensch einzigartig, unbedingt wertvoll und verdient bedingungslosen Respekt. Für die uns anvertrauten Menschen ist es uns ein Anspruch, einen sicheren Ort zu bieten. Diese Haltung vertreten wir gegenüber jedem, der mit sankt-josef in Kontakt tritt.“

99 Jahre katholische Jugendhilfe „sankt-josef“ in Duisburg
Die Ordensgemeinschaft der Cellitinnen gründete in Duisburger Ortsteil Friemersheim 1925 ein Waisenhaus. 1948 übernahmen die Clemensschwestern die Einrichtung mit damals etwa 25 Kindern. 1968 bauten sie das Kinderheim in der Bismarckstraße 69, wo heute mehreren Wohngruppen existieren. 1982 entstand die erste Außenwohngruppe, später vier weitere. 1998 gaben die Clemensschwestern die Leitung des Kinderheims ab. Die heutige sankt-josef gGmbH ist eine katholische Einrichtung der Jugendhilfe für Kinder, Jugendliche und deren Familien. Gesellschafter der gGmbH ist die Pfarrei St. Matthias in Duisburg-Rheinhausen als Treuhänder der sankt-josef-Stiftung für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe.

Anzeige