Durchwachsene Bilanz des Jahrs der Barmherzigkeit in Rom

Ein außergewöhnliches Heiliges Jahr geht zu Ende

Wenn der Papst am Sonntag die Heilige Pforte im Petersdom schließt, ist klar: Durch sie sind deutlich weniger Pilger gegangen als erwartet. Doch der Erfolg des Heiligen Jahrs bemisst sich für  Franziskus ganz anders.


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Am Schluss kamen diejenigen in den Petersdom, die auf der Straße leben. 4000 Wohnungslose aus rund 20 Ländern – darunter auch drei Gruppen aus dem Bistum Münster: aus Kleve, aus Recklinghausen, aus Münster. Für Bischof Felix Genn die „stärkste Barmherzigkeits-Erfahrung im Heiligen Jahr“, wie er Kirche+Leben bekannte: „Die Straßen von Rom füllen sich mit Menschen von der Straße. Papst Franziskus holt wirklich die Menschen vom Rand in den Mittelpunkt.“ Wenige Tage zuvor waren es Strafgefangene, die mit ihm im Petersdom Gottesdienst feiern. „Das hat noch keiner hingekriegt“, staunt Genn.

Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit – es war nicht nur ein außerordentliches, sondern auch ein außergewöhnliches. Zumindest im Vergleich zu anderen Heiligen Jahren. Da war es üblich, dass Rom das Zentrum ist. Doch Franziskus öffnete die erste Heilige Pforte nicht im Vatikan, dem Zentrum der Weltkirche, sondern in der einfachen Kathedrale von Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Deren Erzbischof macht der Papst am Ende des Heiligen Jahrs zum Kardinal. Auch das außergewöhnlich – aber ebenso typisch Franziskus.

 

Barmherzigkeit in Gesetzesform?

 

Im Mittelpunkt des Heiligen Jahrs standen weder der Papst noch Heilige Pforten, sondern ein Wort: Barmherzigkeit. Dass Franziskus die Weltbischofssynode über Ehe, Familie und Sexualität in dem so geprägten Heiligen Jahr stattfinden ließ, sorgte für große Erwartungen – auch für manche Enttäuschungen und bleibende Unklarheiten. Womöglich aber hängt auch das mit Barmherzigkeit zusammen: Sie lässt sich nicht in Gesetze gießen, die über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener allgemeingültig beschließen.

Hinter den Erwartungen zurück blieb auch der erwartete Pilgerstrom nach Rom. Statt erhoffter 30 Millionen registrierte die zuständige Vatikanbehörde bislang nur 20 Millionen Durchschreiter der Heiligen Pforten in der Stadt. Auch die Wallfahrt des Bistums Münster in die Ewige Stadt war mit etwas mehr als 300 Teilnehmenden überschaubar groß.

 

Römische Hotels: War da was?

 

Das Urteil des römischen Hotelverbandes Federalberghi jedenfalls fällt vernichtend aus: „Es ist so, als ob das Heilige Jahr für die Hotelbetreiber nie stattgefunden hätte“, sagte Giuseppe Roscioli, der Präsident des Verbandes, in einer vorgezogenen Bilanz. Die Zahl der Ankünfte von Pilgern und Touristen im laufenden Jahr werde möglicherweise noch unter den 14 Millionen vom Vorjahr liegen.

Der Cheforganisator des Heiligen Jahres, Erzbischof Rino Fisichella, will jedoch nichts von einem „Flop“ wissen. Aber ganz zufrieden ist offenbar auch er nicht. Er forderte eine Analyse „möglicher Hindernisse, die einen vollen Erfolg verhindert haben könnten“.

Papst Franziskus indes ging es nie darum, möglichst viele Pilger nach Rom zu locken. Das Heilige Jahr sollte ebenso in den Bistümern mit Heiligen Pforten begangen werden. Diese weltweite Mobilisierung von Gläubigen lässt sich kaum beziffern. Sie dürfte aber weit jenseits aller römischen Pilgerrekorde liegen. Franziskus hat das Heilige Jahr damit von einer romzentrierten zu einer weltkirchlichen Veranstaltung gemacht.

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