Wunsch eines Aufarbeitungs-Experten

Ein Staats-Kirchen-Vertrag zur Missbrauchs-Bekämpfung?

Der Münchner Sozialpsychologe Heiner Keupp plädiert für eine engere Zusammenarbeit von Staat und Kirche bei der Missbrauchsbekämpfung: „Ich würde mir ein neues Konkordat wünschen, in dem das klar vereinbart wird.“

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Der Münchner Sozialpsychologe Heiner Keupp (75) plädiert für eine engere Zusammenarbeit von Staat und Kirche bei der Missbrauchsbekämpfung, etwa mit einem Staats-Kirchen-Vertrag. „Ich würde mir ein neues Konkordat wünschen, in dem das klar vereinbart wird“, sagte Keupp bei einer Diskussion in München.

So würden Opfer nach wie vor nicht ausreichend durch die Kirchen in dem unterstützt, was sie bräuchten. Viele wüssten zum Beispiel nicht, wie sie eine Therapie bezahlen sollen. Keupp hat Missbrauchsfälle in mehreren Institutionen untersucht.

 

Tiefere Untersuchungen in jedem Bistum gefordert

 

Er sprach sich für weitere und tiefergehende Untersuchungen des Problems in jedem einzelnen Bistum aus. Die Mängel der von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen und im September 2018 veröffentlichten Studie seien nicht von den Wissenschaftlern zu verantworten, sondern hingen mit der eingeschränkten Auftragsvergabe zusammen. So hätten sie keinen unabhängigen Zugang zu den Akten gehabt, die Ordensgemeinschaften seien nicht untersucht worden und bei den mutmaßlichen Tätern seien nur Männer im Blick gewesen.

„Wir werden nicht um klare Untersuchungsaufträge herumkommen, die auch zu Namen führen“, sagte Keupp. Diese würden bisher nur von den Betroffenen geliefert. Die Dinge müssten „bis in die letzte Fuge hinein“ untersucht werden. Ob die Namen aller Täter dann auch veröffentlicht werden sollten wie im US-Bundesstaat Pennsylvania, sei „ein delikater Punkt“, bei dem er sich noch nicht festgelegt habe.

Das Thema Sexualität „entgiften“

Der Wissenschaftler lobte Papst Franziskus für die Einberufung der Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen weltweit zu einem Missbrauchsgipfel in Rom. Es sei wichtig, dass Leitfiguren der Kirche das Thema behandelten. Dann könnten es auch andere Mitglieder der Institution nicht wegschieben. Mit Nachdruck forderte der emeritierte Professor die Kirche auf, das Thema Sexualität zu „entgiften“ und die weit verbreitete Sprachlosigkeit in dem Zusammenhang zu überwinden.

Keupp hat seit 2010 mit seinem Team sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige in mehreren Institutionen untersucht, darunter das bayerische Kloster Ettal und die hessische Odenwaldschule. Gegenwärtig ist er mit Vorkommnissen im Bistum Hildesheim befasst.

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