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Die Union hatte Ende Januar scharf auf die Kritik der Kirchen an ihrer Migrationspolitik reagiert. Warum Anne Gidion von der EKD das überraschte.
Die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Gidion, geht auch nach der Auseinandersetzung um ein Schreiben der Kirchen zum Asylkurs der Union von guten Beziehungen zur CDU aus. „In meinen zweieinhalb Jahren im Amt hatte ich viele gute Begegnungen mit Friedrich Merz, mit Carsten Linnemann und anderen Vertretern der Partei“, sagt Gidion dem Evangelischen Pressedienst (epd). „In der Woche nach besagter Abstimmung im Bundestag haben wir zum CDU-Parteitag gemeinsam Gottesdienst gefeiert, uns den Friedensgruß gegeben und weitere Gespräche verabredet.“
Innerhalb der christlichen Familie könne „auch mal gestritten werden“, so Gidion. Sie vertritt die Interessen der evangelischen Kirche gegenüber der Bundespolitik und der Europäischen Union.
Gidion: Haben kritischen Punkt getroffen
Gidion hatte gemeinsam mit dem Leiter des Katholischen Büros, Karl Jüsten, Ende Januar ein Schreiben an Bundestagsabgeordnete geschickt, in dem ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion für Verschärfungen in der Asylpolitik kritisiert und vor einer Inkaufnahme von AfD-Stimmen gewarnt wurde. Das Schreiben löste heftige Kritik in den Unionsparteien aus.
Die Theologin räumt ein, die Wucht der Kritik habe sie überrascht. „Das zeigt, dass wir einen kritischen Punkt getroffen haben“, sagt sie.
Viele Menschen machten sich Sorgen um die Frage, wie man Migration und Integration besser gestalten könne. „Ich kann nachvollziehen, dass man sich da rasche Lösungen wünscht“, sagt sie: „Aber zugleich muss man eben sicherstellen, dass man im geltenden Rechtsrahmen bleibt, europäisch beieinander, und dass man den gesellschaftlichen Diskurs nicht vergiftet.“
“Neubeginn nach der Wahl möglich”
Die Prälatin sagt, Koalitionsgespräche nach der Wahl habe dieses Vorgehen „bestimmt nicht“ leichter gemacht. Sie traue aber allen Beteiligten zu, dass sie nach der Wahl sagten: „Um der Sache und der Verantwortung willen fangen wir noch einmal von vorn an.“ Sie bedauere, dass vom Auseinandergehen der Ampel-Koalition das Signal geblieben sei „Uns trennt mehr, als uns verbindet“.
„Wir haben im Bundestag Parteien, die unsere demokratischen Grundpfeiler in Frage stellen und unterlaufen wollen“, sagt Gidion. Umso mehr gebraucht werde „die Kompromissfähigkeit der Parteien der Mitte und die Entschlossenheit, zu zeigen, dass der demokratische Weg funktioniert“.