Angebot für alle in der Fastenzeit

Emotionen erwünscht - Mettinger „Trauerkrüge“ sammeln Tränen aller Art

In der Pfarrkirche St. Agatha in Mettingen steht während der Fastenzeit ein großer „Trauerkrug“, in die Kirchenbesucher ihre Sorgen und Anliegen werfen können. | Video: Marie-Theres Himstedt

  • In zwei Mettinger Kirchen stehen während der Fastenzeit zwei große „Trauerkrüge“.
  • Kirchenbesucher können ihre Sorgen und Anliegen auf Tränen schreiben und diese in die Krüge werfen.
  • Den Initiatorinnen Stefanie Laske und Elisabeth Göken ist es wichtig, Anlaufpunkte in Kirchen zu schaffen, „gerade in diesen schwierigen Zeiten.“

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Der erste Blick in der großen Pfarrkirche St. Agatha in Mettingen fällt auf das 3,80 mal 2,80 Meter große Hungertuch, gefertigt in unendlichen Stunden Handarbeit aus geklöppelter Spitze. Der leidende Christus blickt auf die Menschen unter dem Kreuz – das zentrale Mittelmotiv auf dem das Kreuz verhüllende Tuch in der Tradition der Münsterländer „Schmachtlappen“ zieht seit 2016 viele Besucher während der Fastenzeit nach Mettingen.

Wer sich weiter umschaut, entdeckt in der Marienkapelle einen unscheinbaren, weißen, hohen Krug. Auch dieser gehört seit vier Jahren fest zu den Symbolen, die sich in der Bußzeit auf Ostern hin in der Mettinger Pfarrkirche befinden. Stefanie Laske hat die Idee des „Tränenkrugs“ von einem Kurzausflug ins Nachbarbistum Osnabrück mitgebracht: „Dort stand damals so ein Krug in der Kirche und die Menschen konnten auf Tränen ihre Gedanken schreiben und in das Gefäß geben.“ Diese alternative Form des Fürbittgebets bezieht sich auf den Psalm 56,9b „Sammle meine Tränen in einem Krug“. Stefanie Laske war fasziniert davon, wie dieser Ausdruck des Trauerns „aus der Tabuzone“ geholt worden sei: „Kirchen sind ja auch Orte, wo man ganz bei sich sein kann, zur Ruhe kommen kann, sich vor Gott öffnen kann. Ich glaube schon, dass da die ein oder andere Träne fließt“, sagt die 48-Jährige, die auch lange im Liturgieausschuss der Pfarrei mitgewirkt hat.

Tränen der Freude oder der Trauer

Ein Münsterländer „Schmachtlappen“. | Screenshot: Marie-Theres Himstedt
Ein Münsterländer „Schmachtlappen“. | Screenshot: Marie-Theres Himstedt

Der Krug sei für alle Generationen ein guter Anlaufpunkt, ergänzt Elisabeth Göken: „Ob Jung oder Alt, jeder kann sich einen blauen Tropfen aus Papier nehmen und seine Gedanken, oder das, was ihn bedrückt, niederschreiben.“ Darunter können aber auch schöne Gedanken sein: „Es gibt ja auch Tränen als Ausdruck der Freude“, sind sich die beiden Frauen einig.

Für Stefanie Laske ist es wichtig, dass Kirche solche niedrigschwelligen Angebote bereithalte, gerade in solchen schwierigen, herausfordernden Zeiten: „Es muss nicht immer das große Event sein. So kleine Stationen, wo sich Menschen angenommen und ernst genommen fühlen, bietet jedem ein Zuhause.“ Gerade Gefühle des Trauerns, müssten zugelassen werden: „Wir alle können meistens nicht so gut mit Tränen umgehen, nicht bei uns selbst und noch schwerer bei anderen.“ Dabei seien diese körperlichen Gesten starke Zeichen der Menschlichkeit, findet die gelernte Physiotherapeutin, die auch lange Jahre im Pfarreirat aktiv war: „Nie sind wir mehr Mensch als dann, wenn wir weinen, und nie ist unsere Menschlichkeit stärker gefragt als da, wo andere weinen“, hat Stefanie Laske auf den Hinweis geschrieben, der an den Trauerkrügen angebracht ist.

Das Projekt werde gut angenommen, in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Schlickelde stehe ebenfalls ein Krug. Zu Karfreitag „gießt“ Stefanie Laske die Tränen symbolisch aus. Sie werden nicht gelesen, sondern am Karsamstag in der Osterliturgie als Zeichen der Hoffnung den Flammen des Osterfeuers übergeben.

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