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Das dicke Ende wird kommen. Spätestens die nächste Energie-Jahresrechnung wird für so manche bedürftige Familie ein Schlag vor den Kopf sein. Die bange Frage: Wie sollen wir das bloß bezahlen? Was manche nicht wissen: Energie einzusparen könnte zumindest einen Teil der Zusatzkosten auffangen. Bedürftigen Menschen hilft auch die Caritas dabei. Gegen die Energiepreise ist aber auch sie machtlos.
Ortstermin in Oldenburg. Berthold Tirrel hat sich zu einem Pressetermin bereiterklärt. Als ehrenamtlicher Stromsparhelfer ist der 59 Jahre alte Hartz-IV-Empfänger sonst oft selbst in Haushalten unterwegs. Mit einer Kollegin vom Caritas-Projekt „Stromspar-Check“ will er an der eigenen Wohnung demonstrieren, wie so etwas abläuft – und muss sich sofort rechtfertigen.
„Die Glühbirne geht aber gar nicht mehr.“ Seine Kollegin zeigt auf eine Energiesparbirne und erklärt: „Erstens ist da Quecksilber drin. Zweitens verbraucht sie 13 Watt, eine LED-Birne nur sechs.“ Berthold Tirrel nickt. „Ich bin gerade erst eingezogen. Die war schon drin“, sagt er achselzuckend.
Sparhilfen bis zu 70 Euro gibt es gratis
Alte Glühbirnen verbrauchen viel Strom. LED-Alternativen helfen, den Stromverbrauch zu reduzieren. | Foto: miro
Bei anderen Geräten seiner 38-Quadratmeter-Wohnung sieht es dafür besser aus. Warmwasser kommt über die Zentralheizung. Auch der Aufkleber auf dem Kühlschrank gibt Entwarnung: „A+++“, nur 98 Kilowatt im Jahr. Dafür ist der Fernseher mit 210 Watt ein Stromfresser. Und es findet sich – „Oh Gott“ – auch noch eine 45-Watt-Halogenleuchte.
Sorgfältig notiert findet sich alles später in dem Bericht wieder, der zu dem Angebot gehört, mit dem der Caritas „Stromspar-Check“ wie in Oldenburg bundesweit vielerorts finanziell schwachen Haushalten beim Energiesparen hilft. Der Check zählt dazu, und auch kostenlose LED-Lampen oder Durchflussbegrenzer für Wasserhähne im Wert von zusammen bis zu 70 Euro.
Faustformel für die Kosten
Wenn der Kühlschrank älter als zehn Jahre ist, können Kunden in Oldenburg, dank Extra-Zuschüssen der Stadt, sogar einen Gutschein für sparsamen Ersatz bekommen. Pro Haushaltsmitglied kostet das Gerät so nur 50 Euro pro Erwachsenen und pro Kind 20 Euro Eigenanteil. Es sei Teil des örtlichen Umweltprogramms, erklärt Juditha Hellbusch, die für den Caritasverband Oldenburg-Ammerland für den Stromspar-Check zuständig ist.
Was die Hilfen in Euro und Cent bringen können, erklärt Berthold Tirrel an einer Faustformel. „Wenn ein Gerät 45 Watt pro Stunde verbraucht und zehn Stunden pro Tag läuft, kostet das im Jahr rund 45 Euro.“ So einfach sei das.
Zum Beispiel Gefriertruhen
Diese Modellrechnung gilt aber nur noch kurze Zeit. Gerade erst hat der Oldenburger Energieversorger EWE eine Erhöhung des Gas-Preises um mehr als 40 Prozent zum 1. April angekündigt, Strom wird fast 10 Prozent teurer. Das macht vielen Menschen Sorgen.
Oft genug hat Berthold Tirrel bei seinen Einsätzen Verzweiflung von Menschen erlebt. „Wenn sie auf einmal 600 Euro nachzahlen sollten.“ Und er hat ihre Dankbarkeit gespürt, wenn sie merkten: „Wir wollen sie nicht mit erhobenem Zeigefinger kontrollieren, sondern ihnen zeigen, wie sie es besser machen können.“
„Hilfe! Mir klauen sie Strom!“
Das hilft manchmal auch vermeintlichen Sparfüchsen. Udo Wehmeyer, seit 2015 Projektleiter des Caritas-Stromspar-Checks an den Standorten Wilhelmshaven, Oldenburg und in der Wesermarsch, erinnert sich an einen Fall: „Eine Dame rief an und behauptete: Mir klauen sie Strom!“
7.000 Kilowattstunden standen auf ihrer Jahresrechnung. Der normale Wert hätte bei rund 3.000 liegen müssen. Des Rätsels Lösung: Die Frau wollte besonders sparsam sein und hatte in vier uralten Kühltruhen und einer Gefrierkombi Sonderangebote gehortet. Und statt zu sparen ordentlich draufgezahlt.
Dickes Ende und böses Erwachen
Wehmeyers Erfahrung: Nur wenige denken über Strom nach. Auch nicht darüber, ob ein Fernseher dauernd dudeln muss. Auch so etwas bewusst zu machen, sei wichtig, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern als Hilfsangebot.
„Menschen in Not zu helfen, das schreibt die Caritas sich auf die Fahnen“, sagt Juditha Hellbusch. „Und der Stromspar-Check ist dabei ein Baustein von mehreren.“ Es sei gut, ihn im Caritas-Hilfe-Netzwerk zu wissen. „Zum Beispiel, um Menschen in der Schuldnerberatung auf diese Möglichkeit hinzuweisen.“
Udo Wehmeyer sieht das ähnlich, ist aber mit Blick auf die anstehenden Jahresrechnungen der Energieversorger auch skeptisch. „Denn da droht vielen noch ein dickes Ende und ein böses Erwachen.“
Das Projekt „Stromspar-Check“
Das Projekt Stromspar-Check ist ein Verbundprojekt der Caritas und des Bundesverbands der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (EA). Örtlich werden die Angebote wie im Beispiel Oldenburg unterstützt von Kommunen und Energieversorgern. In mehr als 150 Städten und Landkreisen in Deutschland gibt es Stromspar-Check-Angebote. Sie werden gefördert durch das Bundes-Umweltministerium und die „Nationale Klimaschutz Initiative“. Als Stromsparhelferinnen und -Helfer sind dabei weitergebildete Langzeitarbeitslose im Einsatz. Insgesamt wurde damit bereits 385.000 Haushalten geholfen. In Oldenburg waren es im Laufe des Bestehens dieses Angebots seit 2012 rund 2000. Weitere Informationen unter www.stromspar-check.de.