Begegnung mit Papst Franziskus brachte Ennio Morricone zum Weinen

Ennio Morricone gestorben – Vatikan würdigt Komponisten

Der päpstliche Kulturbeauftragte Kurienkardinal Gianfranco Ravasi hat sein Beileid zum Tod von Ennio Morricone bekundet. Unser Porträt schaut auf das lange Wirken des römischen Komponisten zurück, den Papst Franziskus zum Weinen brachte.

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Der päpstliche Kulturbeauftragte Kurienkardinal Gianfranco Ravasi hat sein Beileid zum Tod von Ennio Morricone bekundet. „Ich vertraue ihn Gott an, auf dass er ihn in die himmlische Harmonie aufnimmt“, schrieb Ravasi am Montag auf Twitter. Vielleicht beauftrage Gott ihn „mit einer Partitur, auszuführen von den Engelchören“, ergänzte der Präsident des Päpstlichen Rats für die Kultur und passionierte Sammler von Musikalien aller Gattungen.

Kardinal Ravasi bekundete der hinterblieben Ehefrau Maria und der Familie des Komponisten seine Anteilnahme. Weiter erinnerte er an ihre letzte Begegnung im April 2019; Ravasi zeichnete Morricone damals im Auftrag von Papst Franziskus mit der Goldenen Pontifikatsmedaille aus. Morricone war am Montag im Alter von 91 Jahren in Rom gestorben.

 

Seenotrettung dankt Morricone für „Die Stimme der Ertrunkenen“

 

Die private Seenotrettungsorganisation Mediterranea Saving Humans erinnerte an Morricones Komposition „La voce dei sommersi“ („Die Stimme der Ertrunkenen“) zum Gedenken an das Schiffsunglück vom 3. Oktober 2013 vor Lampedusa. Beim Kentern eines Flüchtlingsschiffs vor der italienischen Insel kamen mindestens 366 Migranten ums Leben. „Adieu, Maestro, und danke für alles“, twitterte die Organisation Mediterranea, die die „Mare Jonio“ und „Alex“ betreibt.

Populär wurde der römische Komponist vor allem durch seine Musik für Italowestern, etwa „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) oder „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968). Sein Repertoire geht jedoch weit darüber hinaus. Für Quentin Tarantinos Filme „Inglourious Basterds“ oder „Kill Bill“ kreierte er die Musik und komponierte ebenso klassische Stücke.

 

Morricone bekam Oscar für „The Hateful Eight“

 

Morricone durchlief eine Ausbildung in klassischer Musik. Er erhielt 1946 sein Trompetendiplom, um anschließend Komposition am renommierten Conservatorio di Santa Cecilia in Rom zu studieren. Seine ersten Konzertstücke schrieb er Ende der 50er Jahre. Seine Karriere als Komponist für Filmmusik startete er 1961 mit dem Film „Il Federale“.

Erst 2016 - nach rund 60 Jahren erfolgreicher Arbeit als Film- und Fernsehmusikkomponist - erhielt Morricone für „The Hateful Eight“ einen Oscar. Die Auszeichnung der Academy für sein Lebenswerk bekam er bereits 2007. Ein ungewöhnlicher Verlauf. An Trophäen mangelt es ihm trotz allem nicht: sechs BAFTAs, zehn David Di Donatellos, drei Golden Globes, einen Grammy Award und zwei Europäische Filmpreise erhielt der Italiener.

 

Morricone hielt nichts von digital inszenierter Musik

 

Im Filmbereich müsse die Musik nicht nur ihm, sondern auch dem Publikum gefallen, sagte er einmal. Zudem müsse er sich mit den Ideen der Regisseure messen. Das sei eine große Verantwortung, erklärte Morricone. Der gebürtige Römer schaffte es, Filmmusik von einer dienenden Begleitung der Bilder zu lösen und in den Vordergrund zu bringen. Seine Musik verschmilzt mit dem Schnitt. Das Tempo beider Elemente bestimmt die Geschwindigkeit des Films.

Der 91-Jährige legte bis zuletzt Wert auf klassische Techniken: Von Computern und digital inszenierter Musik hielt er nichts. Er arbeitete mit Stift, Papier und echten Instrumenten. Experimentierfreudiger war er bei der Musik selbst; allerdings fürchteten manche Filmemacher schlechte Auswirkungen auf die Verkaufszahlen.

 

Morricone komponierte mehr als 500 Filmmusiken

 

In seinen Stücken kombinierte Morricone Klassik, Rock- und Popmusik mit Geräuschen wie Uhrenticken - und kreierte damit Ohrwürmer. Lieder wie „Gabriels Oboe“ oder „Ecstasy of Gold“ stehen für sich. Der Komponist machte sich und seine Musik legendär: Fast jeder kennt die Melodie der jaulenden Mundharmonika aus dem finalen Duell in „Spiel mir das Lied vom Tod“. Fast schon fließbandartig produzierte Morricone seine Stücke - über 500 Filmmusiken sind es über die Jahre geworden.

Morricone galt bei seiner Arbeit als kleinlich und kompromisslos: Gefiel einem Regisseur das Arrangement nicht, dann gab es keine Zusammenarbeit. „Wenn jemand nicht mag, was ich anzubieten habe, geht man besser getrennte Wege“, sagte Morricone. Früher habe er Regisseuren vorab Auszüge der Musik gezeigt - mit negativen Folgen. Die anschließenden Diskussionen brachten ihn zum Verzweifeln. Als Folge davon durfte später nur noch Morricones Frau seine Stücke vorab hören.

 

Die weiche Seite von Ennio Morricone

 

Der Römer besaß aber auch eine weiche Seite. Zweimal in seinem Leben habe er weinen müssen, verriet der Komponist einmal: bei der Schlussszene seines Films „Mission“ sowie bei einer Begegnung mit Papst Franziskus. Bei dem Treffen hätten sich beide unter anderem über „Mission“ und eine Messe unterhalten, die er bereits zuvor Franziskus gewidmet hatte. Dass der Papst Musik nicht liebe, sei noch „ein Stachel“ in seinem langen und erfüllten Leben.

Trotz allem Erfolg feierte Morricone im Juli 2018 seinen offiziellen Abschied. Er beendete damit kurz vor seinem 90. Geburtstag seine Karriere als Filmmusik-Komponist. Er werde jedoch weiterhin dirigieren. „Es belastet mich nicht, zwei Stunden lang am Pult zu stehen, doch ich habe beschlossen, mit Filmmusik aufzuhören, das ist zu anstrengend“, sagte Morricone seinerzeit im Interview mit der Tageszeitung „Corriere della Sera“. Ein letztes Mal konnten auch deutsche Fans Morricones Musik live lauschen. Mit der „The 60 Years of Music“-Tour dirigierte er im Januar 2019 in Berlin sein letztes Konzert.

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