Recklinghausen erinnert an seinen ehemaligen, 1934 ermordeten Landrat

Gedenken an Erich Klausener: Nazis töteten „gefährlichen“ Katholiken

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Erich Klausener gilt als eine der wichtigen Figuren des katholischen Widerstands in der Nazi-Diktatur. Eine Gedenkveranstaltung und ein Gottesdienst in Recklinghausen erinnerten an den mutigen Zentrumspolitiker.

Ein mutiger und aufrechter Katholik, ein überzeugter und sozialer Demokrat, ein Gegner von Rassismus und Extremismus – Erich Klausener (1885-1934) hat alle Eigenschaften verkörpert, die heute in Kirche und Politik aktuell erscheinen.

„Erich Klausener ist für uns ein Vorbild, ein Glaubenszeuge und ein Märtyrer. Er hat sich in einer schwierigen und gefährlichen Zeit für die Menschlichkeit positioniert. Sein Wirken soll uns ermutigen, in einer Zeit, wo der Extremismus zunimmt, hörbar für Demokratie und Menschenwürde einzubringen“, sagte Weihbischof Rolf Lohmann bei einem Gedenkgottesdienst anlässlich des 90. Todestags von Klausener in St. Peter in Recklinghausen.

Führender Katholik in der Weimarer Republik

Klausener war Mitglied der Zentrumspartei, in den Anfängen der Weimarer Republik der erste demokratisch gewählte Landrat des Kreises Recklinghausen, später höherer Beamter im Wohlfahrts- und Innenministerium des Landes Preußen in Berlin. 1928 wurde er Vorsitzender der „Katholiken Aktion“, einer katholischen Laienvertretung, die durch Verkündigung des Evangeliums im Sinn der katholischen Soziallehre Gesellschaft und Kirche mitgestalten wollte.

Auf der Galopprennbahn Hoppegarten bei Berlin hielt Ministerialdirektor Erich Klausener am 24. Juni 1934 vor 60.000 Menschen beim 32. Märkischen Katholikentag eine Rede, in der er die Rassen- und Kirchenpolitik der Nazis anprangerte. Wenige Tage später, am 30. Juni, wurde er als „gefährlicher Katholikenführer“ - so Nazi-Größe Hermann Göring - von SS-Mitgliedern in seinem Dienstzimmer ermordet.

Sozialer Landrat in Recklinghausen

Auf einer vom Stadtkomitee der Katholiken in Recklinghausen organisierten Gedenkveranstaltung erinnerten Recklinghausens Landrat Bodo Klimpel (CDU), Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen und der Schulleiter der Erich-Klausener-Realschule in Herten, Martin Kissenkötter, an Lebensleistung und Vermächtnis Klauseners, aber auch an dessen Aktualität, da rechts- und linkspopulistische Parteien Zulauf gewinnen.

„Klausener war ein sozialer Landrat. Er hat die Sozialpolitik in den Vordergrund gestellt und den politischen Kompromiss gesucht“, sagte Klimpel. Der Kreis Recklinghausen werde das Wirken Klauseners, der von 1919 bis 1924 Landrat war, „in Ehren halten“.

Polizeipräsidentin Zurhausen für „wehrhafte Demokratie“

Auf die Bedeutung der Polizei als „Hüter und Wächter der Demokratie“ verwies Friederike Zurhausen. Als engagierter Demokrat und Christ habe der Zentrumspolitiker Klausener früh auf die Gefahren rechtsradikaler Aktivitäten hingewiesen. Als Leiter der Polizei im preußischen Innenministerium habe er ab 1926 versucht, die Polizei als Schutzfaktor der Demokratie zu stärken, und 1931 eine Polizeireform auf den Weg gebracht. Klausener hatte 1929 das neue Polizeipräsidium in Recklinghausen offiziell in Vertretung des preußischen Innenministers eröffnet mit dem Satz „Die Polizei ist die Dienerin der Republik“, wie die Tageszeitung damals titelte.

„Heute brauchen wir eine wehrhafte Demokratie. Antisemitismus und Rassismus, Ausgrenzung, Hass und Gewalt müssen wir als Gesellschaft, aber vor allem als Polizei, entschieden entgegentreten“, sagte die Polizeipräsidentin. Sie verwies auf das nordrhein-westfälische Polizei-Bildungszentrum im ostwestfälischen Schloss Holte-Stukenbrock, das den Namen „Erich Klausener“ trage.

Bürgermeister Tesche fordert christliches Engagement

Recklinghausens Bürgermeister Christoph Tesche (CDU), der im Gottesdienst sprach, verwies auf den Rechtsruck in Deutschland und das Erstarken der AfD. „Wo stehen die Kirchen heute?“, fragte Tesche rhetorisch und ermutigte Christen, für Freiheit und Demokratie einzutreten: „Auch wenn die Kirchen Mitglieder verlieren und in Recklinghausen nur noch 53 Prozent der Menschen einer christlichen Konfession angehören, braucht es das Engagement der Christen. Das Lebenswerk Klausener macht deutlich: ‚Wehret den Anfängen‘“, sagte der Bürgermeister.

In einem Vortrag im historischen Sitzungssaal des ehemaligen Kreishauses in Recklinghausen stellte der Vorsitzende des Stadtkomitees der Katholiken, Georg Möllers, das Leben von Erich Klausener vor. Möllers, der mehrere Publikationen über den Katholikenführer veröffentlichte, ordnete die Ermordung Klauseners in den zeitgeschichtlichen Kontext des so genannten „Röhm-Putsches“ um die SA ein.

Historische Einordung Klauseners von Georg Möllers

„Die Liquidierungswelle gegen die SA 1934 wurde gleichzeitig zur Beseitigung anderer Gegner benutzt. Dazu zählten mit Adalbert Probst, Vorsitzender des Sportverbands DJK, dem Journalisten Fritz Gerlich und Erich Klausener drei besonders engagierte Katholiken. Die anschließende NS-Propaganda diffamierte Klausener als Landesverräter und Selbstmörder“, sagte Möllers.

Kirchliche Zeitungen entlarvten diese Propaganda als Lüge. Noch 1936 sprach der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, bei einer Predigt im niederrheinischen Xanten öffentlich von den „frischen Gräbern“ der Märtyrer. Heute ist die Asche Klauseners in der Krypta der Kirche Maria Regina Martyrum in der Nähe der Hinrichtungsanlage Berlin-Plötzensee beigesetzt, die der Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur geweiht ist.

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