Pastoralreferentin Anja Daut leitet zusammen mit einem Pfarrverwalter

Erste Gemeindeleiterin im Bistum Münster startet in Saerbeck

  • Anja Daut tritt zum 1. März die Nachfolge von Pastoralreferent Werner Heckmann an.
  • Mit Pfarrverwalter Pater Hans-Michael Hürter teilt sie sich die Leitung in St. Georg Saerbeck.
  • Das Modell „Gemeindeleitung durch Laien" hält einige Herausforderungen bereit.

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Es raschelt durch den Telefonhörer: „Ich räume gerade mein Büro wieder ein”, sagt Anja Daut mit fröhlicher Stimme. Die Pastoralreferentin übernimmt ab 1. März gemeinsam mit Pater Hans-Michael Hürter die Leitung der Gemeinde St. Georg in Saerbeck.

„Es war Zufall, dass ich wieder in eine St.-Georg-Pfarrei komme, aber so brauchte ich mich nicht an einen neuen Heiligen zu gewöhnen”, sagt sie. Sechs Monate hatte die Pastoralreferentin zuvor Zeit, ihrem Kollegen Werner Heckmann, der seinen Ruhestand antritt, über die Schulter zu schauen. Heckmann hatte seit vergangenem August die Gemeindeleitung mit Pater Hürter aus Ladbergen inne.

 

Zupackend und gut gelaut

 

Anja Daut wirkt wie jemand, der anpackt, pragmatisch vorgeht und dabei auch noch gute Laune verbreitet – zumindest lässt ihr häufiges Lachen durch den Hörer darauf schließen: „Das habe ich ein Stück weit bestimmt aus meiner Familie mitbekommen.”

In der Katholischen Jungen Gemeinde in Recke, quasi in Nachbarschaft zu Saerbeck, hat sie erste Leitungserfahrung gesammelt. Ihr Ziel sei immer schon gewesen, Pastoralreferentin zu werden. So studierte sie Religionspädagogik und Sozialarbeit an der Katholischen Fachhochschule Paderborn.

 

19 Jahre in großer Pfarrei in Bocholt

 

Als Vorteil sieht die 48-Jährige, „dass ich aus einer großen Pfarrei komme, wo ich schon viel von der Verwaltungsarbeit mitbekommen habe”. 19 Jahre war sie Pastoralreferentin in St. Georg Bocholt. Die Pfarrei wuchs im Laufe der Jahre durch Fusionen auf 17.000 Mitglieder an.

Über zu wenig Arbeit wird sie sich in Saerbeck – nach dem Wegfall der Pfarrerstelle – nicht beklagen können: „Vor dem Paket, das da auf mich zukommt, habe ich schon Respekt.” Erstkommunion, Jugendarbeit, aber auch Einzelseelsorge im Altenheim – da findet sie sich auf jeden Fall wieder. Neu wird für sie die die Übernahme von Beerdigungsdiensten sein. „Es gibt aber jetzt nichts, wo ich sage: Das ist nur Pflicht für mich.”

 

Sabbatjahr auf der Berghütte

 

Die Energie für ihre neue Aufgabe hat sie in einem Sabbatjahr gesammelt, das sie 2019 nach ihrem Weggang aus Bocholt antrat. Fünf Wochen ging es für die naturbegeisterte Sportlerin auf die Clarahütte in Osttirol: „Da war ich Mädchen für alles. Putzen, Gäste bedienen, reden. Ich glaube, ich habe noch nie so viele seelsorgliche Gespräche in so kurzer Zeit geführt”, erinnert sie sich noch mit deutlicher Begeisterung an den Sommer. Für das Bistum Rottenburg-Stuttgart sprang sie anschließend kurzfristig als Exerzitienbegleiterin in den Bergen ein.  

 

Sanitäterin auf der Intensivstation und im Rettungsdienst

 

Anpacken, zupacken, helfen – das wollte Anja Daut weiterhin und begann im Oktober 2019 eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin in Köln, vier Wochen auf der Intensivstation und in der Notaufnahme im Ibbenbürener Krankenhaus inklusive. Bei der Feuerwehr in Wesel ist sie anschließend 75 Einsätze im Rettungswagen mitgefahren. „Diese Arbeit hat mich einfach interessiert”, meint sie.

Ihre neu gewonnenen Kenntnisse wollte sie eigentlich bei einem Praktikum in einem Kinderkrankenhaus in Südafrika einsetzen. Doch dann kam Coronan: „Ich war dann zuhause und konnte einfach nichts tun. Da habe ich mich zwischenzeitlich sehr nutzlos gefühlt”, sagt Anja Daut offen. Sie hatte an verschiedenen Stellen Hilfe angeboten, doch die Welt stand still: „Ich habe dann vor zwei Bocholter Altenheimen mit meinem Akkordeon gespielt und Spargel verkauft.”

 

Die erste Frau

 

Corona ist zwar immer noch da, aber Anja Daut startet voller Energie in ihre neue Aufgabe. Dass eine Frau eine Gemeinde leitet, ist in einigen Bistümern schon länger Usus. Auch im Bistum Münster gibt es Pfarreien – zum Beispiel St. Willibrord Kleve –, in denen ein Leitungsmodell von Pfarrer und Pastoralreferent ausgeübt wird. Und jetzt eben in Saerbeck, mit ihr als erster Frau.

„Wenn es klappen kann mit so einem Leitungsmodell, dann hier”, ist die 48-Jährige optimistisch. „Ich habe den Eindruck, dass die Menschen sehr froh sind, nicht zu einer großen Gemeinde zu fusionieren. Außerdem haben wir mit Ramesh Chopparapu einen sehr beliebten Pfarrer.”

 

Hürden durch das Kirchenrecht

 

Durch die Emeritierung des Leitenden Pfarrers Peter Ceglarek übernahm der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands, Georg Teigeler, viele Aufgaben – ehrenamtlich. Kein Zustand für Anja Daut: „Wir bekommen zum 1. Februar mit Anna Nießing eine neue Kollegin, die viele dieser Verwaltungsaufgaben übernimmt.”

Daut sagt, es sei ihr wichtig, die Ehrenamtlichen an dieser Stelle zu entlasten. Diese Unterstützung war auch von Seiten des Bistums angeregt worden. Was die Leitungsfunktion angeht, steht die Pfarrei im engen Austausch mit den Personalverantwortlichen im Generalvikariat: „Das Kirchenrecht gibt es noch nicht her, dass ich zum Beispiel einfach die Sachen unterschreiben kann, die vorher ein Pfarrer unterschrieben hat”, sagt die Pastoralreferentin.

 

Kein Stimmrecht im Kirchenvorstand - trotz der Leitung

 

Einerseits soll sie die Gemeinde leiten, andererseits hat sie kein Stimmrecht im Kirchenvorstand. Ein Grund dafür ist, dass bisher Gemeindeleitung theologisch wie auch kirchenrechtlich an das Priesteramt gebunden ist. „Erzählen sie das mal einem Mitarbeiter aus der freien Wirtschaft. Der wundert sich, wie Leitung so funktionieren soll”, schildert Anja Daut.

Sie plädiert für pragmatische Lösungen und für Geduld: „Es wird noch einige Fragen geben und es ist nicht einfach, aber das ist auch allen klar.” Mit den Vertretern vom Bistum, mit dem Pfarrverwalter und den Gremien „haben wir jetzt gesagt: Wir schauen gemeinsam auf das, was möglich ist und gehen los.”

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