Ausbildung durch das Bistum Münster

Erste Muslim-Seelsorgerin im St-Franziskus-Hospital Münster

Fadime Eroglu ist die erste seelsorgerliche Begleiterin für muslimische Patientinnen und Patienten im katholischen St.-Franziskus-Hospital in Münster. Vorbereitet wurde sie im Rahmen einer Ausbildung durch das Bistum Münster.

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Im dritten Anlauf hat sie es geschafft, erzählt sie. Seit September ist Fadime Eroglu ehrenamtliche seelsorgerliche Begleiterin im münsterschen St.-Franziskus-Hospitals. Und das mit einem Zertifikat des Bistums Münster. Die Freude da­rüber ist der 45-Jährigen mit türkischen Wurzeln anzusehen.

Eigentlich sollte die Beauftragung nichts Besonderes sein. In den vergangenen drei Schulungs-Abschnitten haben sich aus dem Umfeld des Krankenhauses acht Frauen und Männer für die ehrenamtliche Arbeit ausbilden lassen, erzählt sie. Doch Fadime Eroglu fällt etwas aus dem Rahmen. Sie ist Muslima und die erste vom Bistum Münster ausgebildete und vom katholischen St.-Franziskus-Hospital beauftragte ehrenamtliche seelsorgerliche Begleiterin für islamische Patienten.

 

Rahmenbedingungen stimmen

 

„Die Teilnahme von Frau Eroglu am Kurs hat sich als große Bereicherung erwiesen“, sagt Kursleiter Martin Merkens vom Referat Krankenseelsorge im Bischöflichen Generalvikariat Münster. „Uns ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen stimmen: die Begleitung durch Hauptamtliche und die Möglichkeit, an Fortbildungen teilzunehmen – egal, welche Konfession oder Religion der Teilnehmer hat.“

Für die Mutter von drei Kindern war der christliche Hintergrund der Schulung kein Problem. Im Gegenteil. Enge Verbindung zum St.-Franziskus-Hospital hat sie seit 16 Jahren. Sie arbeitet dort als Hauswirtschafterin in der Krankenhaus-Küche und in der Personal-Cafeteria. Auch persönliche Motive spielten eine Rolle. „Als meine Schwägerin erkrankte und später starb, hatte ich das Gefühl: Da muss es doch jemanden geben, der auch religiös mit ihr über den Abschied vom Leben sprechen kann.“ Da sei ihr das erste Mal der Gedanke gekommen, eine seelsorgerliche Ausbildung zu machen, erzählt sie.

 

Große Unterstützung

 

Unterstützt wurde sie von einer Pastoralreferentin des Krankenhaus-Seelsorgeteams. Sie bestärkte Eroglu auch darin, nach den anfänglichen Absagen nicht aufzugeben, sondern es wieder zu probieren. Inzwischen hatte Eroglu dem Pflegepersonal des Krankenhauses eine Fortbildung zum Umgang mit muslimischen Patienten angeboten.

Im Seelsorge-Kurs lernte sie Gesprächsführung im Rollenspiel und an konkreten Fälle. Sie beschäftigte sich auch intensiv mit Bibeltexten, in denen es um Kranke und Bedürftige geht. Das sei auf eine bereichernde Art geschehen, „weil der Sinn der Texte ausführlich erklärt wurde“.

 

Wertschätzung von Bibel und Koran

 

Fadime Eroglu spricht mit Patientin.
Fadime Eroglu spricht mit einer 70-jährigen Patientin aus Aserbaidschan. | Foto: Karin Weglage

Für die gläubige Muslima ist auch die Bibel eine Quelle der Inspiration. Vor 20 Jahren gründete sie gemeinsam mit evangelischen und katholischen Frauen den Christlich-islamischen Frauenkreis in Münster. Ein Schwerpunkt der Arbeit, zu der sich die etwa 15 Teilnehmerinnen regelmäßig treffen, ist der Vergleich von Texten aus Bibel und Koran. „Es gibt viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede“, sagt Eroglu. Für dieses Engagement ist der Frauenkreis 2014 mit dem Dialogpreis für gute Taten von „Kirche+Leben“ und dem Bistum Münster ausgezeichnet worden.

Woher ihr Interesse an Religionen kommt, weiß sie nicht so genau. Sie spricht von „Veranlagung“. Geboren ist sie in Ankara. Als Dreijährige kam sie nach Deutschland. „Mein Vater gehörte zur ersten Gastarbeitergeneration.“

 

Türkische Wurzeln

 

Er habe Geld für einen eigenen Laden in der Türkei ansparen wollen. Eigentlich wollte die Familie vor ihrer Einschulung in die Türkei zurückkehren. „Immer hieß es: ›In einem Jahr fahren wir.‹“ Sie lächelt: „Meine Eltern leben immer noch hier.“

Schon während der seelsorgerlichen Ausbildung konnte sie im St.-Franziskus-Hospital hospitieren. Sie erinnert sich an ein Kind, das im Mutterleib verstorben war. Die Eltern hätten theologische Fragen gehabt, bei denen sie sich den Rat des Imam holen musste, um sie zu beantworten. Es spiele nämlich eine Rolle, wann das Kind im Bauch der Mutter verstorben sei.

 

Kurzer Draht zum Imam

 

„Wird das tote Kind gewaschen? Bekommt es einen Namen? Wird es begraben? Unterschiedliche islamische Rechtsschulen geben unterschiedliche Antworten“, sagt Fadime Eroglu. Letztlich sei das Kind beerdigt worden.

Zum Imam hat Eroglu einen kurzen Draht. Seit Jahren führt sie ehrenamtlich Gruppen und Schulklassen durch die islamischen Gebets- und Versammlungsräume der Moschee am münsterschen Bahnhof. Die Krankenhausseelsorge sei für die türkische Gemeinschaft eine neue Herausforderung. „Als in den Fünfzigerjahren die ersten Gastarbeiter aus der Türkei kamen, hat man weder von türkischer noch von deutscher Seite daran gedacht. Das waren alles kräftige, junge Männer, die sich einem Gesundheitstest unterzogen hatten.“

 

Islamische Traditionen

 

Zudem sei die Pflege und seelsorgerliche Begleitung von Kranken erste Aufgabe der Familie und Verwandten. Diese Tradition gründe sich auf das Verhalten des Propheten Mohammed, überliefert durch die Hadithen. „Muslime haben sechs Pflichten, die gleichzeitig auch Rechte sind. Eine Pflicht ist der Krankenbesuch und das Recht des Kranken darauf. Deswegen gibt es oft so viele Besucher, wenn ein Muslim im Krankenhaus liegt“, schmunzelt sie.

Die Hoffnung auf Heilung stehe im Koran. Die 26. Sure Schuara (Die Dichter), Vers: 80/81, spreche von Gott, „der wenn ich krank bin, mich heilt und der mich sterben lässt und hierauf wieder lebendig macht ...“

 

Glaube und Zweifel

 

„Die Frage ›Warum bin gerade ich krank?‹ wird von Muslimen deswegen nicht so oft gestellt wie von Christen. Man zweifelt nicht an Gott und an der Genesung“, erklärt Eroglu. „Man soll bis zum letzten Atemzug in Hoffnung leben.“ Glaubenszweifel gebe es aber auch, räumt sie ein: „Jeder Mensch hat Höhen und Tiefen.“

Im Umgang mit den Kranken habe sich heute auch in der islamischen Gemeinschaft einiges geändert. „Viele Angehörige sind berufstätig und haben wenig Zeit. Andere leben im Ausland.“ Fadime Eroglu lässt sich deswegen nach ihrem Halbtagsdienst in der Krankenhaus-Küche an der Rezeption die Liste der Patienten geben, die islamisch als ihre Religionszugehörigkeit angegeben haben. Mit einer 70-Jährigen Patientin aus Aserbaidschan verständigt sie sich auf Türkisch.

 

Segen und Dank

 

Den Koran hat sie bei ihren Besuchen nicht dabei. Stattdessen spreche sie mit den Menschen über ihre Ängste, Sorgen, familiären Konflikte oder den Krankenhausalltag. Oft kommt Eroglu dabei auch mit der christlichen Bettnachbarin oder dem Bettnachbar ins Gespräch. Und nahezu immer werde sie mit einem Segensgebet der Patienten entlassen – „und großer Dankbarkeit, dass dieses Hospital so etwas anbietet.“

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