Islam-Experte Khorchide: Kann als Provokation aufgefasst werden

Erster Muezzinruf in Kölner Moschee löst auch Kritik aus

  • Erstmals ruft der Muezzin auch in Köln am heutigen Freitag öffentlich zum Gebet.
  • Das löst auch Kritik aus.
  • Zu „Kirche-und-Leben.de“ sagt der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide aus Münster, der Zeitpunkt für die Einführung des Gebetsrufs in Köln sei „nicht klug gewählt“.

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Erstmals ruft der Muezzin auch in Köln am heutigen Freitag öffentlich zum Gebet. An der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) im Stadtteil Ehrenfeld werde der muslimische Gebetsruf um 13.24 Uhr rezitiert, teilt die Ditib mit.

Die Moscheegemeinde in Ehrenfeld ist die bisher einzige, die im Zug eines auf zwei Jahre befristeten Pilotprojekts der Stadt Köln einen Antrag gestellt hat. Der Kölner Muezzinruf ist nicht der erste in Deutschland, in rund 30 Moscheegemeinden erklingt er bereits. Dennoch gibt es aktuell Kritik.

Wie laut der Ruf ist

Der Ruf in Köln-Ehrenfeld darf laut städtischer Auflagen 60 Dezibel nicht überschreiten, das ist etwa so laut wie ein Gespräch. Er wird nicht über die beiden nicht begehbaren Minarette ertönen, sondern über zwei Lautsprecher, die auf den Hof zwischen Moschee und Verwaltungsbau gerichtet sind.

„Ich rechne damit, dass der Gebetsruf nicht weit außerhalb des Innenhofs zu hören sein wird“, sagt die Leiterin des Integrationsamts der Stadtverwaltung Köln, Bettina Baum, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Welche Bedingungen es gibt

Im Kölner Projekt dürfen Gemeinden freitags zwischen 12 und 15 Uhr für maximal fünf Minuten den Muezzinruf ertönen lassen. Sie müssen zuvor die Nachbarn informieren, eine Ansprechperson für Beschwerden ernennen und ein Schallgutachten vorlegen. Die Lautstärke begrenzt die Stadtverwaltung je nach Umgebung.

Der stellvertretende Ditib-Vorsitzende Abdurrahman Atasoy sieht im Kölner Ruf einen wichtigen „Schritt für die Wahrnehmung der muslimischen Glaubensgemeinschaften“. Muslime seien mit ihren repräsentativen Moscheen sichtbar und hörbar „gesellschaftlich angekommen und angenommen“.

Khorchide: Gesellschaft ist nicht bereit

Im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ sagt der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide aus Münster, der Zeitpunkt für die Einführung des Gebetsrufs in Köln sei „nicht klug gewählt“. Viele Menschen begegneten der beteiligten Institution Ditib, die der staatlichen türkischen Religionsbehörde untersteht, mit Misstrauen.

Zudem könne der Ruf als Provokation aufgefasst werden, weil er Worte des Glaubensbekenntnisses beinhaltet. Es heißt im Gebetsruf unter anderem: „Allah ist groß“, „Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Gott“ und „Ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist“.

„Unsere Gesellschaft ist nicht wirklich dazu bereit, religiösen Bekenntnissen so viel Platz im öffentlichen Raum zu geben“, sagt Khorchide. Er leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster.

Eine Machtdemonstration?

Murat Kayman vom Beirat der Alhambra-Gesellschaft, einem Zusammenschluss liberaler Muslime, begrüßt hingegen den öffentlichen Muezzinruf grundsätzlich. Er sei ein Zeichen der demokratischen Verfasstheit einer vielfältigen Gesellschaft, so Kayman im Kölner „Domradio“. Auch er äußert Kritik an der Ditib; gleichwohl sei es „unfair“, den Ruf als Zeichen des politischen Islams und Machtdemonstration zu werten.

Diesen Vorwurf erhebt der Islamismus-Experte Ahmad Mansour im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Zudem sei es bedauerlich, dass gerade der Ditib solche öffentliche Aufmerksamkeit zukomme.

Glockenläuten und Muezzinruf

Der Religionssoziologe Detlef Pollack aus Münster sagt dem Evangelischen Pressedienst (epd), weite Teile der Bevölkerung in Deutschland lehnten der Muezzinruf ab, weil sie im Islam etwas Bedrohliches sähen. Beim Glockenläuten sei das anders.

„Wahrscheinlich hat das unter anderem damit zu tun, dass dem Christentum als einem Fundament unserer Kultur viele – trotz aller Kirchenkritik – mit Sympathie gegenüberstehen und das Läuten der Glocken als Teil dieser Kultur empfinden“, so Pollack. Manche Menschen würden das Läuten auch mit dem freien Sonntag verbinden, oder es könne Heimatgefühle auslösen. „Der Muezzinruf aber wird als etwas Fremdes wahrgenommen.“

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