Opfer aus dem Bistum Münster bei Diskussion über Missbrauch

Erzbischof Heße: Homosexualität theologisch neu einordnen

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße fordert einen offeneren Umgang der katholischen Kirche mit Sexualität. Auch das Thema Homosexualität müsse theologisch neu eingeordnet werden, sagte er bei einer Diskussion in Hamburg.

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Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße fordert einen offeneren Umgang der katholischen Kirche mit Sexualität. Es müsse zur Kenntnis genommen werden, dass es eine „beachtliche Zahl von homosexuellen Priestern“ gebe, sagte Heße bei einer Diskussion zum sexuellen Missbrauch in Hamburg. Sexualität werde in der Priesterausbildung nicht ausreichend thematisiert. Zudem müsse Homosexualität theologisch neu eingeordnet werden.

Weder Homosexualität noch Ehelosigkeit seien Ursache für Missbrauch durch katholische Priester, sagte der Psychiater Harald Dreßing, Koordinator der Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz. Eine unterdrückte, „verschwurbelte“ Sexualität bilde jedoch einen Nährboden für sexuelle Gewalt.

 

Strukturen der Vertuschung

 

Es sei auffällig, dass laut Studie fünf Prozent der Priester des Missbrauchs beschuldigt werden, aber nur ein Prozent der Diakone, die verheiratet sein dürfen. Angesichts des Ausmaßes sexueller Gewalt könne nicht von „Ausrutschern“ gesprochen werden. Die ermittelte Zahl von Betroffenen und Beschuldigten ist Dreßing zufolge „lediglich die nachweisbare Spitze des Eisbergs“. Viele Akten seien verschwunden oder manipuliert worden.

Es gebe offenbar Strukturen in der katholischen Kirche, die Vertuschung förderten, kritisierte der Wissenschaftler: „Beschuldigte Priester sind – im Vergleich zu einer hohen Anzahl nicht betroffener Geistlicher – in den zurückliegenden Jahren signifikant häufig versetzt worden.“

 

Opfer kritisiert Reaktion des Bistums Münster

 

Nach den Worten von Martin Schmitz, Missbrauchsopfer aus dem Bistum Münster, gehört zu einer konsequenten Aufarbeitung, dass die Kirche den Opfern Akteneinsicht gewährt. Er kritisierte auch den Umgang der Bistums-Verantwortlichen mit seinem Fall.

Ein Vertreter des Bistums sagte auf Anfrage von „Kirche-und-Leben.de“, er selbst stehe seit April 2012 mit Schmitz in Kontakt. Ob es zuvor Versuche der Kontaktaufnahme gegeben habe, wisse er nicht.

 

„Kein wertschätzender Umgang“

 

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, forderte, „bündnerische Strukturen“ der Kleriker aufzubrechen. Er kritisierte ein zum Teil überholtes Amts- und Kirchenverständnis, das Missbrauch begünstigen könne.

Sabine Andresen, Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, beklagte, bis heute fehle ein wertschätzender Umgang mit Missbrauchsopfern. Sie müssten in die Aufarbeitung aktiv mit einbezogen werden.

Die deutschen Bischöfe hatten Ende September die von ihnen in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie vorgestellt. Demnach gab es in den Akten der Jahre 1946 bis 2014 in Deutschland Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Beschuldigten, darunter mehrheitlich Priester.

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